Seehofers Regierung droht an Konflikt um Studiengebühren zu platzen

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MÜNCHEN. Der Streit um die Studiengebühren an bayrischen Universitäten spitzt sich weiter zu. Die CSU verkündet, im Fall eines erfogreichen Volksbegehrens die Gebühren abschaffen zu wollen, die FDP sieht in diesem Fall die Koalition als gescheitert an.

Möchte die Studiengebühren abschaffen: Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: Ailura / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Möchte die Studiengebühren abschaffen: Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: Ailura / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Horst Seehofer versucht es mit besonders entspannter Miene, mit besonders häufigem Lächeln, mit besonders auffälliger Gelassenheit. Der bayerische Ministerpräsident sitzt an diesem Mittwochnachmittag auf der Regierungsbank im Landtag – und muss sich von der Opposition vorführen lassen. Aber schlimmer noch: Seine schwarz-gelbe Koalition steuert in diesen Tagen auf einen Bruch zu. Sie hat sich in eine Sackgasse manövriert – doch niemand ist gewillt, den Rückwärtsgang einzulegen.

Fakt ist: Die CSU will in einer spektakulären Kehrtwende gegenüber ihrer früheren Position die Studiengebühren abschaffen, um eine Niederlage beim anstehenden Volksbegehren samt anschließendem Volksentscheid zu vermeiden. Die FDP aber stellt sich quer und verweist auf den Koalitionsvertrag. Spitzengespräche von CSU und FDP wurden ergebnislos auf Januar vertagt. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Im Gegenteil. Der Streit hat sich seit dem Wochenende noch einmal ganz massiv zugespitzt. Im Ergebnis bedeuten die aktuellen Ankündigungen von CSU und FDP: Wenn sich an dem Volksbegehren vom 17. bis 30. Januar mehr als 940 000 Wahlberechtigte beteiligen, dann ist das das Ende der Koalition – und das wenige Monate vor der Wahl. Die Koalition legt ihr Schicksal damit quasi in die Hände des Volkes.

Denn auf der einen Seite hat Seehofer angekündigt, dass die CSU nach einem erfolgreichen Volksbegehren im Landtag für ein Aus für die Studiengebühren stimmen wird – mit der Opposition, und notfalls gegen den eigenen Koalitionspartner FDP. Das aber wäre für die FDP der Bruch, wie Fraktionschef Thomas Hacker am Mittwoch unmissverständlich klarmacht. «Wenn die CSU mit der Opposition stimmt, dann ist die Koalition in Bayern am Ende», sagt er. Das wisse auch Seehofer genau.

Erschwerend für die Koalition kommt hinzu, dass keiner der beiden Partner irgendwelche Anstalten macht, von der eigenen Position abzurücken. Seehofer und die CSU sowieso nicht, aber auch die FDP nicht. Hacker betont, dass ein erfolgreiches Volksbegehren für die FDP kein Grund wäre umzuschwenken: «Das Volksbegehren drückt ja noch nicht den Willen der Bürger aus.» Der zeige sich erst beim Volksentscheid.

Noch aber ist es nicht soweit. Denn mit der Vertagung ihrer Gespräche auf Januar haben sich CSU und FDP quasi auf eine Art Stillhalteabkommen verständigt. Soll heißen: Im Landtag stimmen die beiden Koalitionspartner geschlossen ab. Und zwar auf Basis des Koalitionsvertrags – und da stehen die Studiengebühren nun mal drin.

Das kostet die Opposition genüsslich aus. SPD, Freie Wähler und Grüne haben einen gemeinsamen Antrag ausgearbeitet, in dem es unter dem Titel «Studienbeiträge abschaffen» heißt: «Der Landtag begrüßt die Absicht des Ministerpräsidenten Seehofer, die Studienbeiträge an Bayerns Hochschulen abzuschaffen.»

Es ist deshalb eine eigentümliche Debatte: Die Opposition wirbt geschlossen und vehement für die neue «Absicht des Ministerpräsidenten». Die CSU aber muss sich zurückhalten, aus Rücksicht auf die FDP. Und die FDP? Die kämpft ganz alleine.

«Die CSU macht Front gegen ihre eigene jahrelange Politik», spottet SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagt: «Sie kommen mir vor wie ein geangelter Aal im Eimer – der dreht sich auch so rum.» Andererseits fordern SPD, Grüne und Freie Wähler die CSU gemeinsam auf, der Abschaffung der Gebühren sofort zuzustimmen. Und dem Antrag, in dem die Opposition die Position des Regierungschefs begrüßt, sowieso.

«Politik kann schon spannend sein, das muss ich offen zugeben», sagt genüsslich der Initiator des Volksbegehrens, Michael Piazolo (Freie Wähler). Und Aiwanger lädt Seehofer ein, er solle sich doch an dem Volksbegehren beteiligen und in die Unterschriftenliste eintragen.

Und irgendwann kann Seehofer dann doch nicht mehr anders. Entgegen seiner Ankündigung wenige Stunden zuvor meldet sich der Ministerpräsident doch noch zu Wort. Mucksmäuschenstill ist es da im Plenarsaal. «Wir sind dafür, dass die Studienbeiträge abgeschafft werden», sagt er – und begründet dann, warum die CSU-Fraktion dem Oppositionsantrag trotzdem nicht zustimmt. Es sei ein normaler Vorgang, dass sich die Koalition bis Januar Zeit nehme, um darüber zu diskutieren. «Jetzt rede ich mit meinem Koalitionspartner FDP – und dann sehen wir, wie es weitergeht.»

Außer Bayern erhebt nur noch das Land Niedersachsen Studiengebühren. Bayerns Hochschulen nehmen damit laut Wissenschaftsministerium jährlich rund 190 Millionen Euro ein. Christoph Trost/dpa

(14.11.2012)

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