Sprachstörungen bei Vorschulkindern alarmierend weit verbreitet

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LEIPZIG. Fast jedes fünfte Kleinkind tut sich schwer mit dem Sprechen. Es kann ein Schaden fürs Leben werden – wenn nicht frühzeitig gegengesteuert wird. Experten fordern eine bundesweite Früherkennung.

Schon im Alter von zwei bis drei Jahren lassen sich Sprachstörungen diagnostizieren. Foto: CarbonNYC / Flickr (CC BY 2.0)
Schon im Alter von zwei bis drei Jahren lassen sich Sprachstörungen diagnostizieren. Foto: CarbonNYC / Flickr (CC BY 2.0)

Aufgrund alarmierend hoher Zahlen von Kindern mit Sprachstörungen fordern Forscher und Therapeuten möglichst flächendeckende Tests in ganz jungen Jahren. «Je eher man eine Sprachauffälligkeit erkennt, desto größer ist die Chance, dass man gezielt eingreifen und therapieren kann», sagte Dr. Stephan Sallat, Vorstandsmitglied der Forschungsgesellschaft für kindliche Sprachstörungen (GISKID).

«Bei Kindern im Alter von zwei Jahren kann man bereits Auffälligkeiten sehen», erläuterte Sallat. «Da haben wir ungefähr 15 bis 20 Prozent, die auffällig sind. Die Hälfte der Kinder holt die Verzögerungen tatsächlich auf, das sind sogenannte Spätstarter. Und dann haben wir Kinder mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen, die den Rückstand nicht aufholen, und die in ihrem Grammatik- und Wortschatzerwerb weit, weit hinter der Altersnorm zurück sind.»

Mit den Störungen im Spracherwerb beschäftigt sich von diesem Freitag an eine Tagung an der Universität Leipzig. Rund 200 Wissenschaftler und Therapeuten aus dem deutschsprachigen Raum wollen sich dabei interdisziplinär über Diagnosemöglichkeiten und Therapieverfahren austauschen. Teilnehmen werden Linguisten, Psychologen, Sprachheilpädagogen, Mediziner, Logopäden und Sprachtherapeuten. Die Schirmherrschaft hat die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth übernommen.

Ursachen für Sprachstörungen sind bislang nicht bekannt

Die spezifischen Sprachentwicklungsstörungen betreffen laut Sallat rund acht Prozent aller Kinder in jeder Sprache. «Das sind Kinder, bei denen der Spracherwerb anders funktioniert als bei den anderen – und wir wissen bislang nicht genau, warum das so ist. Sie bilden bei normaler Intelligenz und ohne das Vorhandensein anderer Beeinträchtigung eine Sprachstörung aus. Diese Kinder stellen klinisch und therapeutisch das größte Problem dar.»

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Aus Sicht von Sallat sind Sprachförderprogramme, wie sie in vielen Kindertagesstätten finanziert vom Bund oder den Ländern angeboten werden, prinzipiell sinnvoll zur Früherkennung gravierender Probleme. «Wir wollen ja den Kindern die bestmögliche Bildung ermöglichen. Das heißt, wir müssen frühzeitig Risiko-Kinder finden und gezielt fördern. Daher sind Programme, wo ein Logopäde, Sprachheilpädagoge oder Sprachtherapeut in die Kita geht und dort die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder überprüfen und gegebenenfalls fördern kann, natürlich eine sehr gute Möglichkeit.»

Bei den schweren Fällen, also jenen acht Prozent mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen, reichten die allgemeinen Förderprogramme allerdings nicht aus. Sallat: «Betont sprechen, Reime sprechen, Bewegungsspiele machen, Bilderbücher angucken – das hilft bei diesen Kindern nicht in gleichem Maße.»

Problematisch für die Sprachtherapeuten sei auch der wachsende Anteil von Kindern in Deutschland, die zweisprachig aufwachsen. Für diese Kinder fehlten geeignete Diagnosemöglichkeiten. Sallat: «Wir haben dort das Problem zu unterscheiden, hat das Kind jetzt nur eine Auffälligkeit im Zweitspracherwerb, das wäre klinisch nicht relevant, oder hat das Kind tatsächlich eine Sprachentwicklungsstörung, die sich in beiden Sprachen auswirkt?» dpa
(1.11.2012)

Zum Bericht: „Immer mehr Kinder  mit Sprachstörungen beim Schulstart“

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