Ministersturz soll Befreiungsschlag für Kretschmanns Koalition werden

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STUTTGART. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) machte aus seinem Ärger über Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) in jüngster Zeit keinen Hehl mehr – in kleinen Runden jedenfalls. Jetzt hat ihm der Koalitionspartner den Gefallen getan und die eigene Ministerin gestürzt.

Die SPD hat ihm einen Gefallen getan: Winfried Kretschmann (Grüne). Foto: BÜNDNIS 90/Die Grünen/Flickr CC BY 2.0
Die SPD hat ihm einen Gefallen getan: Winfried Kretschmann (Grüne). Foto: BÜNDNIS 90/Die Grünen/Flickr CC BY 2.0

Nils Schmid hat lange gezögert. Schließlich war es der baden-württembergische SPD-Chef und Finanzminister selbst, der die Mannheimer Schulbürgermeisterin Gabriele Warminski-Leitheußer vor 20 Monaten als Kultusministerin vorgeschlagen hatte. Doch die Moserei gegen die blonde Frau aus dem Ruhrgebiet wurde in der SPD-Landtagsfraktion immer lauter. Zentraler Vorwurf: «Sie kann es nicht.»

Dahinter steht die strategische Analyse: Wer beim zentralen Reformthema Bildung schwächelt, der kann bei Wahlen nicht punkten. Nun hat Vize-Regierungschef Schmid die umstrittene Ministerin aus dem Verkehr gezogen – drei Jahre vor der nächsten Landtagswahl. Dabei sollte Warminski-Leitheußer eigentlich das Gesicht des grün-roten «Bildungsaufbruchs» sein.
Zuletzt hatte die 49-Jährige praktisch alle gegen sich. Selbst der erste Pädagoge an der Spitze des Landes, Winfried Kretschmann, machte aus seinem Unmut über Warminski-Leitheußer in kleineren Runden schon lange kein Geheimnis mehr. Handwerkliche Schwächen bei der Umsetzung der Reformen waren ihm ein Dorn im Auge. Bei der Lehrergewerkschaft GEW war die Ministerin schon lange unten durch. GEW-Landeschefin Doro Moritz nahm sie als Zielscheibe, um ihren Frust über das aus ihrer Sicht viel zu langsame Tempo bei den Bildungsreformen loszuwerden.

Eine Ministerin, die regelmäßig zu spät kommt

Die Opposition führte die zuweilen unsichere Warminski-Leitheußer bei Fragerunden regelmäßig vor. Mitte Dezember stellte sie einen Entlassungsantrag, den Grün-Rot im Landtag noch einmal abschmetterte. Und dann kam die SPD-Frau auch noch bei Terminen zu spät oder schwänzte einfach wichtige Veranstaltungen. Eine Kultusministerin, die regelmäßig zu spät komme, sei für Schüler kein Vorbild, feixten CDU und FDP. In der SPD-Fraktion brodelte es.

Schon zu Anfang der Regierungszeit hatte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel geunkt, die Ministerin müsse man in «Manndeckung» nehmen. In der Fraktion gab es große Zweifel, ob die Kommunalpolitikerin diese Herkulesaufgabe meistern würde. Denn Grün-Rot wollte vor allem bei der Bildung punkten. Nach fast 60 Jahren CDU-Herrschaft sollte in der Schulpolitik frischer Wind wehen.

Die neue Gemeinschaftsschule sollte das Instrument sein, um den Schulerfolg unabhängig zu machen vom Geldbeutel der Eltern. Die Regierung investierte kräftig in dieses Projekt. Für den Ausbau der Kinderkrippen erhöhte Grün-Rot sogar die Grunderwerbssteuer. Doch Warminski-Leitheußer konnte dies nicht in öffentliche Pluspunkte ummünzen.

Der Nachfolger ist Vater von vier Kindern

Nun muss Regierungschef Kretschmann erstmals seit Amtsantritt vor 20 Monaten sein Kabinett umbilden. Nachfolger von Warminski-Leitheußer soll der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Andreas Stoch (43), werden. Der vierfache Vater und Mann einer Sonderschullehrerin hat in der Bildungspolitik bisher noch keine Spuren hinterlassen.

Der Jurist ist eindeutig der Kandidat der SPD-Fraktion. Denn Schmid wollte dem Vernehmen nach eigentlich den wortmächtigen Fraktionschef Claus Schmiedel ins Kultusministerium lotsen. Doch der 61-jährige Berufsschullehrer wollte lieber an der zentralen Schaltstelle der Koalition bleiben. Schmid steht unter Erfolgsdruck, denn in der Fraktion steht seit längerem auch sein Führungsstil und seine Personalpolitik unter genauer Beobachtung. HENNING OTTE, dpa

(7.1.2013)

Zum Bericht: „Lehrer demonstrieren gegen Kretschmanns Schulpolitik“

 

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