Kriegsverbrecher oder Vorbild? Streit um Kissinger-Professur an der Uni Bonn

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BONN. Henry Kissinger war US-Außenminister und hat den Friedensnobelpreis erhalten. Sein Wirken wird jedoch unterschiedlich eingeschätzt. Deshalb ist jetzt auch eine «Kissinger-Professur» der Bundesregierung an der Uni Bonn umstritten.

"I herausragender Weise um Friedenspolitik und Entspannung verdient gemacht": Ex-US-Außenminister Henry Kissinger. Foto: World Economic Forum / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)
„In herausragender Weise um Friedenspolitik und Entspannung verdient gemacht“: Ex-US-Außenminister Henry Kissinger. Foto: World Economic Forum / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

An der Universität Bonn wird zu Ehren von Henry Kissinger und ungeachtet von Protesten eine nach ihm benannte Professur eingerichtet. Die Stiftungsprofessur für «Internationale Beziehungen und Völkerrecht» wurde von der Bundesregierung beschlossen und wird gemeinsam von Verteidigungs- und Außenministerium finanziert. Doch an Kissinger, dem früheren US-Außenminister und Sicherheitsberater, scheiden sich die Geister.

Für Thomas de Maizière ist der Friedensnobelpreisträger von 1973 «einer der großartigsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts und ein brillanter Wissenschaftler», wie der Bundesverteidigungsminister zum Beschluss über die Professur formulierte. Kritiker werfen dem Deutschamerikaner indes Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verletzung des Völkerrechts vor.

Unter den Studenten der Bonner Uni haben sich Proteste gegen die «Kissinger-Professur» formiert. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) und das Studierendenparlament sprachen sich gegen die Namensgebung der Professur aus. Es sei fraglich, ob Kissinger «als Vorbild für Wissenschaft und Lehre des Völkerrechts geeignet ist».

Bundesregierung und Hochschulleitung halten aber an ihrem Vorhaben fest. Die Stiftungsprofessur werde in Kürze ausgeschrieben, sagte Uni-Sprecher Andreas Archut. «Das kann der AStA nicht aufhalten.»

«Gegen Kissinger werden bis heute schwere Anschuldigungen erhoben, für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu sein», heißt es in einem Beschluss des Bonner Studierendenparlaments von Ende Oktober. «Die Geldgeber verfolgen sicher auch Interessen», sagte die AStA-Vorsitzende Alena Schmitz.

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Die Bonner Grünen-Bundestagsabgeordnete Katja Dörner sieht neben einem «ambivalenten außenpolitischen Wirken» Kissingers auch die Unabhängigkeit der Universität gefährdet, «weil nicht klar ist, welchen Einfluss das Bundesverteidigungsministerium als Hauptmittelgeber auf die Professur nimmt».

Die Kritik an der Finanzierung durch das Verteidigungsministerium «sei schwer nachzuvollziehen», betonte demgegenüber Uni-Sprecher Archut. «Die Einwerbung von Drittmitteln unter Wahrung der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre ist geübte Praxis.» Auch eine Förderung durch Institutionen des Bundes sei «unproblematisch».

Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag geht hervor, dass das Verteidigungs- und das Außenministerium bei der Einsetzung der Berufungskommission für die Professur einbezogen werden. Laut dieser Antwort wird der Lehrstuhl über fünf Jahre vom Bundesverteidigungsministerium mit jährlich bis zu 250 000 Euro und vom Außenministerium mit bis zu 50.000 Euro pro Jahr finanziert.

«Mit dem neuen Lehrstuhl wollen wir sicherstellen, dass die außerordentlichen Leistungen Henry Kissingers auf den Gebieten der Diplomatie, Strategie und der transatlantischen internationalen Beziehungen die sicherheits- und verteidigungspolitische Debatte dauerhaft beflügeln», hatte de Maizière den Beschluss erklärt. Und Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) ergänzte: «Es ist für Deutschland ein großes Glück, einen solchen Freund zu haben. Mit der Stiftungsprofessur in Bonn wollen wir Danke sagen.»

Als Kritikpunkte an Kissinger nannte das Bonner Studierendenparlament unter Verweis auf internationale Studien konkret etwa seine Rolle beim Militärputsch in Chile (1973) oder eine «Mitverantwortung» für die Bombardements von Kambodscha und Laos während des Vietnamkriegs. «Nach einem Mann mit dieser Vita ausgerechnet eine Professur für Völkerrecht zu benennen ist mehr als abwegig.» dpa

Zum Bericht: Zum 90. Geburtstag: “Henry-Kissinger-Professur” an Uni Bonn geplant

 

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