Nach Wutbrief an Eltern: Journalist rÀt Lehrerin, den Beruf zu wechseln

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HAMBURG. Eine Grundschul-Lehrerin aus einem Ort bei Hamburg schreibt einen empörten Brief an Eltern und fordert diese darin auf, ihre Kinder besser zu erziehen. Der Anlass: ein offenbar aus dem Ruder gelaufener Ausflug mit den ErstklĂ€sslern. Das Schreiben wird öffentlich – und sorgt fĂŒr eine heftige Debatte. „Ach ja. Schon wieder eine Lehrerin, die zu gut fĂŒr ihre Kinder ist“, Ă€tzt etwa Alan Posener, Autor der Tageszeitung „Welt“.

Darf eine Lehrerin ihre Erziehungsverantwortung zurĂŒckweisen? Foto: Greg Westfall, Flickr (CC BY 2.0)
Darf eine Lehrerin ihre Erziehungsverantwortung zurĂŒckweisen? Foto: Greg Westfall, Flickr (CC BY 2.0)

Detailliert beschreibt die PĂ€dagogin in dem fĂŒnfseitigen Brief das Verhalten ihrer Klasse auf einem Ausflug in die Kunsthalle Anfang Dezember, schildert die Sechs- und SiebenjĂ€hrigen als desinteressiert und disziplinlos, mit schlechten Manieren und einem Hang zur FĂ€kalsprache. „Wir haben ein Problem mit Aggressionen an unserer Schule“, sagt die Lehrerin, „und der Brief soll eine GesprĂ€chsgrundlage sein“. Von vielen wird das Schreiben (in dem es heißt: „Ich habe mich geschĂ€mt“) allerdings als Provokation aufgefasst. Vor allem an einem Punkt entzĂŒndet sich die Debatte. In Sachen Erziehung schreibt die PĂ€dagogin: „Sie denken: Wie putzig, das ist ja auch ihr Job? Falsch: Mein Job ist der, Ihre Kinder zum Lernen zu bewegen.“

Posener meint nun: „Nein, Frau B., ist er nicht. Ihr Job – der wichtigste Job, den es in diesem Land gibt, zweifellos – wird in allen Schulgesetzen aller BundeslĂ€nder als ‚Unterricht und Erziehung‘ umrissen. Lehrer mĂŒssen die Kinder nicht nur ‚zum Lernen bewegen‘; sie mĂŒssen ihnen oft Mutter oder Vater ersetzen; Zeit und Aufmerksamkeit geben, die zuhause fehlen; Strenge auch, GrundsĂ€tze, Werte, wenn man so will; aber immer mit Geduld, Respekt und vor allem Liebe.“ PĂ€dagogen, die das nicht wahrhaben wollten, hĂ€tten schlicht den falschen Job.

Immer wieder, so meint der Journalist, wĂŒrden Klagen von offenbar ĂŒberforderten Lehrern ĂŒber SchĂŒler öffentlich. „Manche LehrkrĂ€fte haben ein Problem mit Kindern, egal, wie die sind. Wir kennen doch alle diese Leute aus der eigenen Kindheit. Sie sind unglĂŒcklich in ihrem Beruf. Und statt ihn zu wechseln, machen sie andere dafĂŒr verantwortlich.“

TatsĂ€chlich, so Posener, sei Lehrer kein einfacher Beruf. Der PĂ€dagogin aus dem vermeintlich idyllischen Hamburger Vorort schreibt er ins Stammbuch: „Sie mĂŒssten nur mal aus der heilen Welt der Kleinstadt etwa in eine innerstĂ€dtische Schule ziehen.”

Sicher seien auch „die verzogenen Einzelkinder aus den angeblich besseren Vierteln“ anstrengend. „Sie haben es ja beschrieben. Jede Anweisung muss begrĂŒndet, jede Leistung gelobt werden; RĂŒcksicht und Nachsicht haben diese Kinder nicht gelernt; und oft sind sie Opfer der Wohlstandsverwahrlosung: ‚Nicht jetzt, Liebling, Papa hat keine Zeit. Geh mal Nintendo spielen.‘“

Eine erste Klasse zu unterrichten sei vielleicht der schwierigste Job, den es an der Schule gibt. Jede Lehrerin, jeder Lehrer komme im Verlauf dieses ersten Jahres an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Aber: So sei nun mal der Job. Posener: „Die Lehrer können sich andere Eltern und Kinder wĂŒnschen, aber sie werden nicht kommen. Die Schule muss sich die Kinder heranziehen, die sie haben will: sie muss sie erziehen. Wer das als PĂ€dagoge nicht wahrhaben will, hat den falschen Beruf erwischt.“

Der Kommentar war offenbar auch innerhalb der „Welt“-Redaktion umstritten. Sie nahm einige Tage nach Erscheinen von Poseners Text einen Kommentar der Redakteurin Annette Prosinger ins Blatt. In dem deutlich sachlicheren Beitrag heißt es: „Eine komplette erste Klasse, die nicht schulreif ist? Wer Dampf ablĂ€sst, ĂŒbertreibt gern. Und es ist kein Verbrechen, Eltern darauf aufmerksam zu machen, dass ihre Gören dem Lehrer ganz schön zusetzen. Bis der nicht mehr kann. Eigentlich gut, wenn jemand so etwas öffentlich macht. Statt schlaflos vor Ärger zu sein, sich in Lehrerzimmerintrigen abzureagieren oder Burn-out anzumelden. Lehrerin B. begreift ihren Wutausbruch nicht als Kapitulation, sondern als ‚GesprĂ€chsgrundlage‘, das zeugt immerhin von pĂ€dagogischem Ehrgeiz. Sie will die Eltern in die Pflicht nehmen, aus ihren BrĂŒllbestien respektable Menschen zu machen.“

Lehrer könnten ruhig mal mit Eltern schimpfen, falls auf dieser “GesprĂ€chsgrundlage” gemeinsam nach Lösungen gesucht werde, schreibt Prosinger. Sie kommt aber auch zu dem Schluss: „Eines aber können Lehrer nicht: ihren Erziehungsauftrag ablehnen.“

Auch unter den Leserinnen und Lesern von News4teachers hat der Brandbrief der Lehrerin fĂŒr eine engagierte Debatte gesorgt – im Forum unter dem ursprĂŒnglichen Beitrag nachzulesen.

Zum Kommentar von Alan Posener in der “Welt”.

Zum Kommentar von Annette Prosinger in der “Welt”.

Zum Bericht: Lehrerin schreibt Brandbrief an Eltern: “Ich habe mich fĂŒr Ihre Kinder geschĂ€mt”

 

 

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3 Kommentare
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sofawolf
10 Jahre zuvor

Eltern und Staat (Schule) sind bei der Erziehung der Kinder einander nicht ĂŒber- oder untergeordnet, sondern gleichberechtigt. D.h. zum einen, dass nicht die Schule erziehen muss, die Eltern aber nicht und umgekehrt, dass nicht die Eltern alleine erziehen und die Schule nicht. Siehe auch: http://blog.4teachers.de/schulrechtsgedanken/2013/10/05/elternhaus-und-schule-gleichberechtigt/

Reinhard
10 Jahre zuvor

Von Eltern darf man nicht erwarten, dass sie erziehen. Lehrer dagegen mĂŒssen mit jedem Verhalten von Kindern (und zwar von ca. 25 Kindern zugleich) zurechtkommen – meint Mr. Posener offenbar.

willi
10 Jahre zuvor

Ich meine nun: „Nein, Herr Posener, ist es nicht. Ihre Aufgabe– die wichtigste die es in einem Leben gibt, zweifellos – wird in dem Moment in dem Sie Vater werden, diese Kinder zu erziehen. Eltern mĂŒssen die Kinder nicht „zum Lernen bewegen‘; sie mĂŒssen ihnen einfach Mutter oder Vater sein; Zeit und Aufmerksamkeit geben, die sonst fehlen; Strenge auch, GrundsĂ€tze, Werte, wenn man so will; aber immer mit Geduld, Respekt und vor allem Liebe.“ Eltern, die das nicht wahrhaben wollten, hĂ€tten schlicht keine Kinder bekommen sollen.