DRESDEN. Wie schon bei Ärzten praktiziert sollen in Sachsen bald auch Lehrer mit Prämienzahlungen zur Annahme einer Stelle auf dem Land bewegt werden.
Mit einer finanziellen Förderung von 250 Euro im Monat sollen in Sachsen Lehramtsstudenten zur Übernahme einer Lehrerstelle an einer Schule auf dem Land bewegt werden. Entsprechende Planungen bestätigte am Donnerstag der Sprecher des Kultusministeriums in Dresden, Dirk Reelfs. Zuvor hatte die Chemnitzer «Freie Presse» über das Vorhaben berichtet, das bei 100 Stipendiaten pro Jahr 300 000 Euro kosten würde. Das Programm, mit dem einem drohenden Lehrermangel auf dem Land begegnet werden soll, steht aber noch unter Finanzierungsvorbehalt.
«Es ist enorm schwer, junge Lehrer zur Annahme einer Lehrerstelle auf dem Land zu bewegen», begründete Reelfs die Planungen. Die meisten zögen eine Stelle in den Großstädten vor. Ähnliche finanzielle Anreize gibt es im Freistaat bereits für Medizinstudenten, wenn diese sich verpflichten, später als Hausarzt auf dem Land zu arbeiten. Allerdings liegen sie deutlich über den für Lehramtsstudenten geplanten 250 Euro im Monat.
«Es wäre den Versuch wert, den Weg zu gehen. Ob er etwas taugt, muss man dann sehen», sagte Reelfs. In Sachsen gehen bis 2020 mehr als 8000 Lehrer in den Ruhestand, bis 2030 werden es zwei Drittel der derzeit etwa 32 000 Beschäftigten sein.
Die sächsische GEW-Vorsitzende sieht die Planungen skeptisch. «Das ist ein weiterer hilfloser Versuch, einen Missstand zu regulieren, der weitaus größerer Anstrengungen bedarf», sagte Sabine Gerold. Nicht immer stehe das Geld bei der Entscheidung junger Lehrer über die Annahme einer Stelle im Vordergrund. «Das Umfeld muss stimmen.»
Während andere Bundesländer längst mit unbefristeten, gut bezahlten Arbeitsverträgen lockten und Kommunen Wohnungen, Kitaplätze und Arbeit für die Partner anböten, würden junge Lehramtsstudenten in Sachsen verschreckt, bemängelte die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Eva-Maria Stange. «Viele gehen schon vor dem Referendariat, da sie in anderen Bundesländern mit zwei Jahren statt einem Jahr Referendariat mehr Praxiserfahrung sammeln können und weil sie dort auch mehr verdienen.»
«Was die Staatsregierung hier feiert, ist nichts anderes als ein weiteres Puzzlestück in einer durchschaubaren Profilierungstaktik: Mit kleinen Geschenken, ob ausgegeben oder nur angekündigt, versucht man, “Schönwetter” zu machen – und im Wahljahr potenziell widerständige Gruppen zu besänftigen», erklärte Verena Meiwald von der Linken.
FDP-Bildungsexperte Norbert Bläsner begrüßte dagegen die Pläne aus dem Haus von Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU). «Die Stipendien können dazu beitragen, junge Lehrer für eine Stelle auf dem Land zu gewinnen. Deshalb werden wir uns als FDP in den Haushaltsverhandlungen dafür einsetzen, dass das nötige Geld dafür bereitgestellt wird.»
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Annekathrin Giegengack, warnte vor Mitnahmeeffekten durch die finanziellen Anreize. «Gegen eine Prämie auf dem Land arbeiten – was sagt das über Berufsethos und Motivation angehender Lehrkräfte?», fragte sie und verwies auf die Vorteile einer Lehrerstelle auf dem Land: «kleinere Klassen, familiäre Atmosphäre, eine weniger heterogene Schülerschaft. Das ist Werbung im besten Sinne, die gegen Geld nicht aufzuwiegen ist.» (dpa)
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