Studie: In Deutschlands Kitas fehlen 120.000 Erzieherinnen – Qualität bleibt auf der Strecke

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GÜTERSLOH. In der frühkindlichen Bildung bleibt Qualität oftmals auf der Strecke, weil viele Kindertageseinrichtungen nicht genügend Erzieherinnen haben. Dies ist Ergebnis einer Studie der Bertelsmann Stiftung, des „Ländermonitors Frühkindliche Bildungssysteme“. Danach fehlen in Deutschland insgesamt 120.000 Erzieherinnen.

Seit vergangenem Jahr gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder, die älter als ein Jahr sind. Foto: Belzie / Flickr (CC BY-ND 2.0)
Seit vergangenem Jahr gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder, die älter als ein Jahr sind. Foto: Belzie / Flickr (CC BY-ND 2.0)

Die Personalschlüssel für Kitas in Deutschland weichen laut Bertelsmann Stiftung teilweise erheblich von einem kindgerechten und pädagogisch sinnvollen Betreuungsverhältnis ab und sind zudem von Bundesland zu Bundesland höchst unterschiedlich. In Bremen und Baden-Württemberg ist der Studie zufolge eine Erzieherin in den Krippen durchschnittlich für drei Kinder zuständig, in Sachsen-Anhalt hingegen für mehr als sechs Kinder. „Wir brauchen dringend einheitliche Qualitätsstandards, die in einem Bundes-Kita-Gesetz geregelt sind“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Würden die von der Bertelsmann Stiftung empfohlenen Personalschlüssel für alle Kitas in Deutschland verbindlich gelten, wären 120.000 zusätzliche Erzieherinnen erforderlich.

Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt, dass bei den unter Dreijährigen eine Erzieherin für höchstens drei Kinder verantwortlich ist. Für die Altersgruppe ab drei Jahren sollte der Personalschlüssel nicht schlechter als 1 zu 7,5 sein. „Politik und Praxis sollten sich auf bundesweite kindgerechte Standards einigen, damit alle Kita-Kinder in Deutschland gute Bildungschancen haben“, sagte Dräger. Diese Standards müssten in einem Bundes-Kita-Gesetz geregelt werden. Dort könnten auch Zeitbudgets für Leitungsaufgaben sowie Qualitätskriterien für Fort- und Weiterbildungen sowie die Mittagsverpflegung festgelegt werden. Erst kürzlich hatte eine Studie der Bertelsmann Stiftung beim Kita-Essen erhebliche Defizite offen gelegt. „Der Kita-Rechtsanspruch hat die Bundesländer gezwungen, die Quantität der Kita-Plätze zu erhöhen. Nun sollte ein Bundes-Kita-Gesetz dafür sorgen, dass auch überall die Qualität stimmt“, sagte Dräger.

Von angemessenen Betreuungsverhältnissen in ihren Kitas sind die Bundesländer nach wie vor unterschiedlich weit entfernt. Das geht aus dem aktuellen „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“ hervor, mit dem die Bertelsmann Stiftung seit sechs Jahren die Entwicklung der Kindertageseinrichtungen beobachtet. Auffällig ist vor allem das Ost-West-Gefälle: Während in den ost-deutschen Krippen sich eine Erzieherin um durchschnittlich 6,3 Kinder kümmern muss, kommen im Westen 3,8 Kinder auf eine Erzieherin. Dieses statistische Betreuungsverhältnis sieht im Kita-Alltag sogar noch ungünstiger aus. Weil eine Erzieherin aufgrund von Teamgesprächen, Fortbildung und Urlaub höchstens 75 Prozent ihrer Arbeitszeit für pädagogische Arbeit nutzen kann, betreut sie im Osten tatsächlich mindestens acht und im Westen fünf Kinder.

Den Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung von 1 zu 3 entsprechen bei den Krippen derzeit am ehesten die Personalschlüssel in Bremen (1 zu 3,2) und Baden-Württemberg (1 zu 3,3). In Sachsen-Anhalt hingegen ist eine Erzieherin für durchschnittlich 6,7 Kinder zuständig. Ähnlich groß sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern auch für Kinder ab drei Jahren. Statistisch liegt in dieser Altersgruppe der Personalschlüssel im Westen bei 1 zu 9,1 und im Osten bei 1 zu 12,7. Vorzeigeländer sind erneut Bremen (1 zu 7,7) und Baden-Württemberg (1 zu 8). Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern, wo eine Erzieherin für fast doppelt so viele Kinder (1 zu 14,9) verantwortlich ist.

Um die Personalschlüssel bundesweit den Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung anzupassen, wären 120.000 zusätzliche Erzieherinnen erforderlich. Nach Berechnungen der Stiftung würde das jährlich zusätzliche Personalkosten von rund fünf Milliarden Euro verursachen. Verglichen mit den derzeit im Kita-Bereich anfallenden Personalkosten in Höhe von rund 14 Milliarden Euro bedeutet dies einen Anstieg um mehr als ein Drittel (36 Prozent). „Das ist eine gewaltige Kraftanstrengung, die sich aber lohnt, weil die Kita-Qualität entscheidend ist für gutes Aufwachsen und faire Bildungschancen aller Kinder“, sagte Dräger.

Ohne stärkeres finanzielles Engagement des Bundes in der frühkindlichen Bildung seien diese Ausgaben allerdings für die meisten Bundesländer und Kommunen kaum zu stemmen, hieß es. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt deshalb, in einem Bundes-Kita-Gesetz festzulegen, für welchen bundesweit einheitlichen Standard der Bund welche Unterstützung leistet. News4teachers

Zum Kommentar: Der Kita-Notstand

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2 Kommentare
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xxx
9 Jahre zuvor

die Personalkosten wären noch viel höher, wenn man den Beruf des Erziehers (endlich) mal akademisch machen und entsprechend bezahlen würde, mindestens grundschulniveau.

dickebank
9 Jahre zuvor

Steigende Personalkosten sind evtl. zweitrangig. Primär sind die Eltern von steigenden Kindergartenbeiträgen betroffen, wobei die Gebührensätze, die die Kommunen den Elten berechnen, bundesweit sehr, sehr unterschiedlich sind – also von Kommune zu Kommune sehr stark von einader abweichen.