Erster nationaler Kongress zur beruflichen Bildung: Das duale System lebt!

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STUTTGART. Die berufliche Bildung in Deutschland braucht einen Neustart. Die Kritik der letzten Jahre zeigt Wirkung: Immer weniger junge Menschen beginnen eine Ausbildung. Dabei belegt die niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland, wie wertvoll das Zusammenwirken von Schule und Betrieb bislang war. In Stuttgart fand jetzt der erste nationale „Jahreskongress Berufliche Bildung“ statt – gelingt es durch Vernetzung von Praktikern und Experten von außen, neue Impulse zu setzen? Die Veranstaltung machte Mut. Denn sie zeigte: Das duale System lebt.

Der Austausch von Praktikern und Experten stand beim Jahreskongress Berufliche Bildung im Mittelpunkt. Foto: jakobb
Der Austausch von Praktikern und Experten stand beim Jahreskongress Berufliche Bildung im Mittelpunkt. Foto: jakobb

Es war fast schon ein Ritual. Jedes Jahr aufs Neue holte sich Deutschland von der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung (OECD) einen Rüffel ab. Gerügt wurde die Bundesrepublik für die im internationalen Vergleich geringe Studierneigung des Nachwuchses. Während in Deutschland inzwischen 28 Prozent der 25- bis 64-Jährigen über einen Studienabschluss verfügen, sind dies im OECD-Schnitt 33 Prozent. Andere Staaten hätten ihr Bildungssystem – vor allem die Hochschulen – viel früher und schneller aufgerüstet. „Es gibt keine Alternative zu mehr Bildung, um im internationalen Wettbewerb auf Dauer bestehen zu können“, so hieß es bei der OECD, die als PISA-Herausgeberin durchaus über bildungspolitisches Gewicht verfügt. Und mehr Bildung – das ist nach Lesart der OECD-Ökonomen eben Hochschul-Bildung.

Genauer geschrieben: war. Denn vor kurzem vollzog die Industrieländer-Organisation einen geradezu atemberaubenden Schwenk. Bislang galt in Paris, dem Sitz der OECD, das Argument der deutschen Kultusminister, wonach den jungen Menschen in Deutschland mit dem Studium wie der beruflichen Bildung zwei gleichwertige Alternativen zu Verfügung stehen, als schwache Schutzbehauptung. Plötzlich aber wurde Deutschland gelobt – ausgerechnet für sein System der dualen Ausbildung. Ohne auf die Kritik der Vorjahre einzugehen, meinte OECD-Chef Angel Gurria, früher mal als Außenminister Mexikos tätig, unlängst: Wenn es um eine berufsnahe Ausbildung geht, könne man von Ländern wie Deutschland eine Menge lernen. Zuvor hatte auch schon US-Präsident Barack Obama das deutsche System der dualen Ausbildung zum Vorbild für die Vereinigten Staaten ernannt.

Jahreskongress Berufliche Bildung: der Ausstellungsbereich. Foto: jakobb
Jahreskongress Berufliche Bildung: der Ausstellungsbereich. Foto: jakobb

Was ist passiert? Die Chancen für junge Menschen am Arbeitsmarkt sind in Deutschland mittlerweile viel besser als in vielen anderen Industriestaaten. Grund dafür, so führte es die OECD kürzlich in einem Qualifikationsbericht aus, ist unter anderem die enge Anbindung des Bildungssystems an den Arbeitsmarkt – also genau der Umstand, für den Deutschland jahrelang heftig kritisiert wurde. So lag nach 2014 die Quote der 20- bis 24-Jährigen, die weder in Arbeit noch in Aus- oder Weiterbildung waren, hierzulande bei niedrigen 10,1 Prozent. Im Durchschnitt von 33 OECD-Staaten waren es 17,9 Prozent, in Ländern wie Spanien (29,0) und Italien (34,8) – mit einer wesentlich höheren Studierneigung als in Deutschland – blieben extrem viele junge Menschen auf der Strecke. „In Deutschland hat die berufliche Bildung eine starke Tradition und hilft dabei, junge Menschen in Arbeit zu bringen und ihre Karrieren zu fördern“, stellte Gurría fest.

Hewlett Packard demonstrierte neue Möglichkeiten in der digitalen Bildung. Foto: jakobb
Hewlett Packard demonstrierte neue Möglichkeiten in der digitalen Bildung. Foto: jakobb

Etwas unglücklich ist nun allerdings, dass die jahrelange Kritik am dualen System Wirkung gezeigt hat – und die Studierquote hierzulande einen Rekord nach dem anderen bricht. Andererseits, so zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung, fällt der deutsche Ausbildungsmarkt in sich zusammen. Von 2007 bis 2013 sank die Zahl der Ausbildungsplätze bundesweit um 13 Prozent auf rund 563.000 Stellen. Die Zahl der Bewerber ging um 19 Prozent auf 613.000 zurück.

Also Endzeit-Stimmung auf dem ersten „Jahreskongress Berufliche Bildung“ in Stuttgart? Keineswegs. Rund 300 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet, vor allem Berufsschulleiter, Abteilungs- und Fachbereichsleitungen beruflicher Schulen sowie Ausbilder, informierten sich im Stuttgarter SpOrt (einem Kongresszentrum unweit des Stadions) zu allen Zukunftsthemen der beruflichen Bildung: ob es um die Eingliederung von Flüchtlingen ging oder die verstärkte Inklusion. Dazu kamen zukunftsweisende Themen wie die Digitalisierung des Unterrichts oder eine stärkere Kompetenzorientierung. Natürlich, die Probleme wurden dabei angesprochen, ob in Expertengesprächen oder im Austausch unter Praktikern. „Die Entwicklungen in unserer Gesellschaft stellen auch die beruflichen Schulen vor neue Herausforderungen, auf die sie flexibel und schnell reagieren müssen, um weiterhin erfolgreich zu bleiben“, meinte auch der Schirmherr des Kongresses, Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch.

Der Jahreskongress Berufliche Bildung war gut besucht. Foto: jakobb
Der Jahreskongress Berufliche Bildung war gut besucht. Foto: jakobb

Zuversicht und Anerkennung – dies vermittelte der Kongress seinen Teilnehmern. „Mit dem ersten nationalen Jahreskongress Berufliche Bildung bringen wir Experten und Praktiker aus Schulen und Unternehmen zusammen, die gemeinsam neue Ideen und Perspektiven entwickeln und in die Fläche tragen können. Gute Ansätze gibt es viele“, sagte David Klett, Geschäftsführer des Mitveranstalters Klett Mint. Und Georg Fichtner, Präsident der IHK Region Stuttgart (die ebenfalls für den Kongress verantwortlich zeichnete): „Wir möchten mit dieser Veranstaltung unsere Wertschätzung gegenüber der Arbeit zum Ausdruck bringen, die in den beruflichen Schulen tagtäglich geleistet wird. Außerdem wollen wir nach vorne schauen, die aktuellen und künftigen Herausforderungen benennen und nach Lösungen suchen.“ Dies dürfte gelungen sein. Fortsetzung folgt: Geplant ist im kommenden Jahr eine Neuauflage. News4teachers

 

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Pälzer
8 Jahre zuvor

Ist doch ideal, die OECD hat ihr Ziel erreicht und kann nun umsteuern.

xxx
8 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

die oecd schwenkt halt um auf das duale Studium …

die böse Version ist studieren und kellnern zur Studiumsfinanzierung