Im Wald, da sind die Räuber? Falsch – heute tummeln sich Waldpädagogen zwischen den Bäumen (immer mehr davon jedenfalls)

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HUNDISBURG. In der heutigen Zeit sehen Kinder oft den Wald vor Bäumen nicht. Doch Lernen in der Natur fördert das Denken. Wie schön es ist, draußen zu sein, vermitteln Waldpädagogen. Die haben einen besonderen Zertifikats-Lehrgang absolviert. Immer mehr gibt es davon.

"Draußenschule" heißt, einmal in der Woche mit den Schülern nach draußen zu gehen. (Foto: twicepix/Flickr CC BY-SA 2.0)
Ort des Geschehens: der Wald. (Foto: twicepix/Flickr CC BY-SA 2.0)

Als Axel Ott vorsichtig seine Hand öffnet, sind neugierige Kinderaugen auf ihn gerichtet. Plötzlich hallt ein lautes «Ihgitt» durch den Wald. Einige springen zurück, andere finden das Erspähte «irgendwie süß». In der Hand des 52-Jährigen krabbelt ein schwarzer Käfer von beachtlicher Größe. «Wisst ihr, was das ist?», fragt Ott, der Büroleiter im Betreuungsforstamt Nedlitz ist. «Ein Mistkäfer», sagt ein Junge mit Schirmmütze. «Ganz genau, ein Waldmistkäfer», sagt Ott, der gerade seine Fortbildung zum Waldpädagogen begonnen hat. Einige wollen das Tier selbst mal in die Hand nehmen, andere suchen längst Stöcke oder Spinnen.

Gemeinsam mit 15 angehenden Waldpädagogen führt Ott 33 Drittklässler in kleinen Gruppen durch den Wald am Schloss Hundisburg in der Börde. Zwei Stunden dauert der Erlebnisspaziergang, bei dem keine Kinderfrage unbeantwortet bleibt. Kleine Spiele wie eine Art Wald-Memory lockern den zwei Kilometer langen Marsch auf.

Im Schloss gibt es das Haus des Waldes, wo Förster, Jäger, Erzieher und andere Interessierte zu Waldpädagogen fortgebildet werden. Seit 19. September läuft der aktuelle Zertifizierungskurs für 16 Teilnehmer, in etwa einem Jahr werden sie geprüft. In den zwölf Monaten dazwischen machen sie sich in Kursmodulen und einem 40-stündigen Praktikum mit dem Bildungsgut Wald vertraut.

“Sie spielen mit nichts und mit allem” – und sie werden seltener krank: die Kleinen der Waldkindergärten im Winter

Sachsen-Anhalt war vor zehn Jahren das erste Bundesland, das nach bundeseinheitlichen Standards Waldpädagogen geschult hat. «In 2007, 2013 und 2015 haben wir gut hundert Männer und Frauen zertifiziert», sagt Stefan Heinzel. Er ist Hausleiter und begleitet als Förster die Lernmodule mit den forstlichen und ökologischen Grundlagen und Kompetenzen. «Waldpädagoge ist ja kein geschützter Begriff», sagt der 50-Jährige. «Die Länder halten sich bei der Zertifizierung aber an Mindeststandards.» Um pädagogische und methodische Inhalte kümmert sich Heiner Giersch. Er ist Umweltpädagoge.

Der 22-tägige Zertifikats-Lehrgang und die eintägige Prüfung kosten jeden Teilnehmer 1500 Euro. Die Ausstattung im Haus des Waldes macht man sich zunutze, ebenso die des Forstlichen Bildungszentrums Magdeburgerforth, wo es auch Kurse gibt. Waldpädagogik ist Aufgabe des Landeszentrums Wald, das dem Umweltministerium unterstellt ist.

Auch Nathali Strauch will ihr Wissen um den Umgang mit der Natur an kleine Kinder und Schüler weitergeben. Die 22-jährige Forstwirtin ist die Jüngste des Kurses. «​Ich arbeite im Bundesforstamt Colbitz-Letzlinger-Heide und will mich da auch auf die Öffentlichkeitsarbeit konzentrieren»​, sagt die junge Frau mit den roten Haaren. In ihrer Definition bedeutet das: Werbung für den Bildungsraum Wald, den es zu schützen gilt.

Einen Tag vor der Erlebnisführung mit den Grundschülern haben sich die angehenden Waldpädagogen über das Wie Gedanken gemacht. Darum werden vor dem Eintreffen der Kinder Stricke, Kochlöffel und Eimer eingepackt. Namensschilder werden an Outdoor-Jacken geheftet und für die Kinder ebensolche vorbereitet. «Die beschriften die nachher draußen als erstes selbst», sagt Strauch.

Auch Sebastian Wesche-Bachmann kramt Utensilien zusammen. Der große Mann mit dem langen blonden Zopf, dem Nasenpiercing und den schwarzen Klamotten fällt auf. Auf seinen Teilnehmersteckbrief hat er geschrieben, Tau und Nebel seien sein schönstes Walderlebnis – dabei ist er eher der Heavy Metal-Typ. «Ich wäre gern Ranger im Nationalpark Harz», sagt der 28-Jährige, der Forstwirt ist und seit 2010 auch Heilerziehungspfleger. Aktuell betreut er Menschen mit Behinderungen. «Zertifizierter Waldpädagoge zu sein bedeutet für mich, meine beiden Ausbildungen endlich sinnvoll miteinander verknüpfen zu können.» Von Sabrina Gorges, dpa

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