Es droht ein Debakel wie beim BER: Bundesländer machen sich beim Aufbau von digitalen Schulplattformen lächerlich

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STUTTGART. Die erste war die nordrhein-westfälische Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP), die die Notbremse zog: Kurz vor dem geplanten Start der landesweiten digitalen Schulplattform „Logineo“ im Oktober hatte die Ministerin gravierende Datenschutzmängel festgestellt. Fertigstellung: offen. Jetzt blamiert sich mit Baden-Württemberg das zweite Bundesland beim Aufbau einer geschützten Bildungscloud: Ein jetzt bekannt gewordenes Gutachten bescheinigt „ella“, das den „Stuttgarter Nachrichten“ zufolge „das digitale Leuchtturmprojekt für die Schulen“ im Ländle werden sollte, gravierende Mängel. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) zeigt sich nach eigenen Worten „schlichtweg entsetzt“.

Einen Flughafen zu bauen, ist schwierig - eine Bildungsplattform scheint ähnlich problembehaftet zu sein. Foto: Fridolin freudenfett (Peter Kuley) / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Einen Flughafen zu bauen, ist schwierig – eine Bildungsplattform zu entwickeln, scheint ähnlich problembehaftet zu sein. Foto: Fridolin freudenfett (Peter Kuley) / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Mehr als acht Millionen Euro hat das Land Baden-Württemberg bereits in den Aufbau von „ella“ (das Kürzel steht für „elektronische Lehr- und Lernassistenz“) investiert, die beispielsweise eine sichere Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern ermöglichen und Zugriff auf Unterrichtsmaterialien bieten soll. Das Projekt war von der grün-roten Vorgängerregierung in Auftrag gegeben worden.

Das vorläufige Ergebnis, wie ein nun bekannt gewordenes Gutachten ergab:  massive technische Schwierigkeiten, die einen Start auf absehbare Zeit unmöglich machen. Das hatte sich offenbar abgezeichnet: Eisenmann hatte bereits im Februar einen geplanten Testlauf des Projekts kurzfristig abgesagt. Beauftragt ist die Kommunale Informationsverarbeitung Baden-Franken (KIVBF), ein kommunaler Zweckverband. Sollte das Projekt mit der KIVBF fortgeführt werden, müsse erheblich nachgearbeitet werden. Eine Neuausschreibung hingegen dauere lange und „ein neuer Partner ist auch keine Garantie für die erfolgreiche Umsetzung“, so zitieren die „Stuttgarter Nachrichten“ aus dem Gutachten.

Inwieweit der Datenschutz bei den Problemen in Baden-Württemberg eine Rolle spielt, wurde nicht bekannt. In Nordrhein-Westfalen lagen offenbar hier die Schwierigkeiten, die Schulministerin Gebauer (FDP) das von ihrer Vorgängerin Sylvia Löhrmann (Grüne) geerbte Projekt vorerst stoppen ließ (New4teachers berichtete).

Der Verband „lehrer nrw“ hatte nach eigenen Angaben massive Bedenken über seine Rechtsabteilung und einen hinzugezogenen Fachanwalt für IT-Recht in einem persönlichen Gespräch mit Gebauer vorgetragen. Dies betraf vor allem die in der Dienstvereinbarung vorgesehene Verwendung von privaten Endgeräten durch die Lehrkräfte und Schulleitungen. Der Verband hatte  darauf hingewiesen, dass sensible personenbezogene Daten nicht ausreichend geschützt sein könnten. Lehrkräfte sollten zwar eine Verpflichtungserklärung unterschreiben, dass sie umfangreiche Datenschutz-Vorkehrungen einhalten. Auch bei einer unbeabsichtigten oder unwissentlichen Nichteinhaltung dieser Maßnahmen wären sie und die letztverantwortlichen Schulleitungen aber in die Haftung geraten.

Problematische Privatrechner

Das Gespräch hat in Nordrhein-Westfalen offenbar zu einer Neubewertung des Datenschutzes geführt. Es blieb nicht beim vorläufigen Stopp von „Logineo“ – das Schulministerium hat in einer Dienstanweisung nun grundsätzlich hohe Hürden gesetzt, wenn Lehrer für ihre Dienstangelegenheiten private Rechner benutzen (was praktisch alle tun). Volle elf Seiten umfasst das Formular mit Erläuterungen, das Lehrer unter schreiben sollen. „Diese Erklärung sorgt dafür, dass Sie rechtssicher mit den Daten Ihrer Schülerinnen und Schülern auf Ihren privaten Endgeräten arbeiten können. Sofern Sie die hier aufgeführten Maßnahmen zum Schutz der Daten einhalten, ist eine Haftung für Sie ausgeschlossen“, heißt es in dem Papier. Andersherum: Wer die Vielzahl der Vorgaben nicht erfüllt – der macht sich strafbar. Die Verbände fordern deshalb jetzt: Dienstrechner für alle Lehrkräfte.

Wann „Logineo“ endlich kommt, steht in den Sternen.

bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

 

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