MÜNCHEN. Es klingt paradox: Väter engagieren sich heute viel stärker in der Erziehung als früher und trotzdem folgt daraus kein Zeitgewinn für die Mütter. In einer Studie untersuchten Wissenschaftlerinnen des Deutschen Jugendinstituts den Trend zur Intensivierung von Elternschaft. Statt mehr Betreuungsangeboten bräuchten Eltern mehr Zeit für die Familie, so ein Fazit der Untersuchung.
Die Wissenschaftlerinnen Sabine Walper und Shih-cheng Lien werteten Tagebuchprotokolle von 665 Paarhaushalten mit mindestens einem Kind unter 10 Jahren aus. Als Grundlage dienten Daten der Zeitverwendungserhebung des Statistischen Bundesamts aus den Jahren 2012 und 2013. „Die empirischen Analysen zeigen, dass in Familien mit aktiven Vätern die Partnerinnen nicht weniger, sondern ebenfalls mehr Zeit für die Kinderbetreuung aufbringen“, sagt DJI-Forschungsdirektorin Walper. Die Betreuungszeiten der Männer würden vor allem als gemeinsame Zeit genutzt.
Die Studienergebnisse verdeutlichten einen Trend zur Intensivierung von Elternschaft: Väter wie Mütter verwendeten heute durchschnittlich mehr Zeit für die Kinderbetreuung, obwohl die Kinderzahl in den Familien im vergangenen Jahrzehnt gesunken ist und die Dauer zugenommen hat, die Kinder in Kita oder Schule verbringen.
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Diesen Trend spiegelten ebenfalls internationale Zeitbudgetstudien. Demnach verändern sich in den meisten hoch entwickelten Industrieländern, auch den nordeuropäischen mit guter Infrastruktur für Kinder, Zeitbedarf und Zeitaufwand für Mütter weder durch zusätzliche Kinderbetreuungsangebote noch durch ein verstärktes Engagement der Väter. Vielmehr offenbare sich ein veränderter Anspruch an Familienleben und Partnerschaft: Während im traditionellen Familienmodell die Aufgaben von Mutter und Vater funktional aufgeteilt waren, wollen Frauen und Männer heute den Familienalltag gemeinsam gestalten. Partnerschaft bedeutet für sie auch, sich gemeinschaftlich um die Kinder zu kümmern.
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Die Ergebnisse der Studie machen nach Meinung der DJI-Verantwortlichen deutlich, dass familienpolitische Maßnahmen, die sich alleine auf die Entlastung der Eltern von Betreuungsaufgaben konzentrieren, nicht ausreichen, um sie bei der Verwirklichung ihrer Vorstellung von Familie zu unterstützen. Denn mehr Betreuungsangebote ermöglichen ihnen nicht mehr Familienzeit. Wichtig seien auch bessere Möglichkeiten für Eltern, ihre Arbeitszeit zu reduzieren – ohne dass sie ökonomische Einschnitte und Karrierenachteile in Kauf nehmen müssen.
Die Studienergebnisse sind unter dem Titel “Routinebetreuung und interaktive „Quality Time“: Was beeinflusst, wie viel Zeit Väter wie mit ihren Kindern verbringen?” in der Zeitschrift für Familienforschung (Heft 1) erschienen.