BERLIN. Viele Eltern fassen den Begriff des Vorlesens zu eng und denken, dass dazu immer ein gedrucktes Buch mit viel Text gehört. Schauen Eltern gemeinsam mit ihren Kindern Wimmelbücher an oder lesen Texte vom E-Reader vor, verstehen dies 23 Prozent nicht als Vorlesen. Mit Babys einfache Bilderbücher zu betrachten gehört für jeden fünften Befragten nicht dazu – obwohl gerade diese Impulse von Anfang an für die Entwicklung von Kindern wichtig sind. Dies zeigt die Vorlesestudie 2019, die jetzt in Berlin vorgestellt wurde.
Rund 32 Prozent aller Eltern in Deutschland lesen ihren Kindern im Vorlesealter von zwei bis acht Jahren zu selten oder nie vor. Dieser Wert hat sich seit 2013 nicht verändert. Vor allem Eltern mit formal niedriger Bildung lesen zu selten oder nie vor (51%) und haben darüber hinaus einen besonders konservativen Vorlesebegriff. „Viele Eltern verstehen den Begriff des Vorlesens zu eingeschränkt. Vor allem jene, die selten vorlesen, denken nur an das klassische Lesen von Buch mit Text. Auch Comics und Bilderbücher anschauen oder das Erzählen von Geschichten hilft den Kindern, Sprache zu entwickeln und lesen zu lernen“, erklärt Jürgen Kornmann, Beauftragter Leseförderung der Deutsche Bahn Stiftung. Die Studie ist wie der Bundesweite Vorlesetag am 15. November ein gemeinsames Projekt von Stiftung Lesen, der „Zeit“ und der Deutsche Bahn Stiftung.
Die Studie hat zudem herausgefunden, dass berufstätige Mütter mehr vorlesen als nicht berufstätige. Im Vergleich lesen 27 Prozent berufstätiger Mütter zu selten vor, bei den nicht berufstätigen sind es 39 Prozent. Väter sind weiterhin Vorlesemuffel, 58 Prozent von ihnen lesen selten oder nie vor. „Noch immer liest ein Drittel aller Eltern ihren Kindern zu selten vor, obwohl es Kinder auf vielfältige Weise fördert“, sagt Rainer Esser, Geschäftsführer der „Zeit“-Verlagsgruppe. „Wir raten daher allen Müttern und Vätern, jeden Tag 15 Minuten vorzulesen.“
“Eltern können im Alltag auf vielfältige Weise sprachliche Anreize geben”
„Unsere Aufgabe bleibt es weiterhin, Eltern zu motivieren und ihnen zu zeigen, dass Vorlesen wichtig für die Entwicklung von Kindern ist“, fasst Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, zusammen. „Sie können im Alltag auf vielfältige Weise sprachliche Anreize geben. Viele, gerade bildungsferne Eltern, tun dies bereits. Dann ist es vom Märchenerzählen über das gemeinsame Betrachten des Fotobuchs zum klassischen Vorlesen nicht weit. Darauf wollen wir nicht nur am Bundesweiten Vorlesetag am 15. November aufmerksam machen.“
Die Vorlesestudie wird seit 2007 jährlich durchgeführt. 2019 hat KMF Krämer Marktforschung GmbH im Juni und Juli 700 Eltern von Kindern im Alter von 2 – 8 Jahren (490 Mütter, 210 Väter) telefonisch befragt. Die Ergebnisse sind damit repräsentativ für diese Zielgruppen.
Alle Ergebnisse sowie Vorleseempfehlungen für Kinder zwischen zwei und acht Jahren finden Sie unter: www.stiftunglesen.de/vorlesestudie
Zentrale Ergebnisse aus den zurückliegenden Vorlesestudien lauten:
- Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, sind allgemein erfolgreicher in der Schule. Sie haben in Deutsch, Mathe und Fremdsprachen bessere Noten als Kinder, denen nicht vorgelesen wird. (2011)
- Vorlesen hat darüber hinaus eine längerfristige soziale Bedeutung. Wurde Kindern regelmäßig vorgelesen, sind diese häufiger darum bemüht, andere in die Gemeinschaft zu integrieren. Auch ist der allgemeine Gerechtigkeitssinn dieser Kinder besonders ausgeprägt. (2015)
- Vier von fünf Kindern, denen regelmäßig vorgelesen wurde, fällt das Lesenlernen in der Grundschule leicht. Bei den anderen ist das laut ihren Eltern deutlich seltener der Fall (50 Prozent). Fragt man die Kinder selbst, ist sogar mehr als die Hälfte der Grundschüler mit wenig Vorleseerfahrung frustriert, weil das Lesenlernen ihnen zu lange dauert. (2018)
Beim Bundesweiten Vorlesetag setzen jedes Jahr Hundertausende Menschen ein Zeichen für das Vorlesen. 2019 findet er am 15. November statt. Weitere Informationen und Anmeldung: www.vorlesetag.de
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