STUTTGART. Kommt die praktische Ausbildung der Lehrer in Deutschland zu kurz? Nur noch in Bayern gibt es ein zweijähriges Referendariat. Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann will nun prüfen, ob der dort (wie in den meisten anderen Bundesländern) auf anderthalb Jahre verkürzte Vorbereitungsdienst wieder verlängert werden kann – sie würde damit einer Forderung von Lehrerausbildung entsprechen. Auch die GEW und der Philologenverband begrüßen die Initiative. Allerdings: Die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann sind zurückhaltend.
Bildungsverbände unterstüzen den Vorschlag von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), eine Verlängerung des Lehrer-Referendariats zu prüfen. Nachdem der bak Lehrerbildung, der bundesweite Berufsverband der Ausbilderinnen und Ausbilder im Vorbereitungsdienst, bereits darauf hingewiesen hatte, dass der Vorstoß einer langjährigen Forderung entspricht (News4teachers berichtete, siehe auch unten), kamen nun auch entsprechende Signale vom Philologenverband und der GEW.
Der grüne Regierungspartner zeigte sich hingegen skeptisch. Eine Fraktionssprecherin sagte: «Wie sie das inhaltlich-konzeptionell gestalten will, lässt Frau Eisenmann offen.» Eisenmann hatte erklärt, eine Verlängerung des Referendariats auf zwei Jahre prüfen zu wollen. Im Jahr 2004 war der Praxisteil der Ausbildung in Baden-Württemberg von 24 auf 18 Monate verkürzt worden.
Philologen: Lehrer-Handwerk solide lernen
Der Landesvorsitzende des Philologenverbands, Ralf Scholl, sagte, eine Verlängerung des Referendariats würde den Referendaren endlich genug Zeit geben, das praktische Lehrer-Handwerk – erfolgreiche Klassenführung und motivierende Themenvermittlung – solide zu lernen.
Auch von den Philologen aus dem benachbarten Rheinland-Pfalz kam Unterstüztung. Landesvorsitzende Cornelia Schwartz wandte sich an die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD), Präsidentin der KMK: „Ergreifen Sie mutig die Chance, die sich durch den beherzten Vorstoß Ihrer Amtskollegin auftut. Unter den jetzigen günstigen Rahmenbedingungen ist die Rückkehr zum ungekürzten Gymnasialreferendariat finanziell problemlos zu bewältigen. Sie ist darüber hinaus pädagogisch geboten, da die Herausforderungen für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer in Zeiten von Heterogenität und Digitalisierung massiv gestiegen sind.“
GEW: Lehrerausbildung als Ganzes sehen
Die baden-württembergische Landeschefin Doro Moritz erinnerte daran, ihr Verband habe schon die Verkürzung im Jahr 2004 kritisiert. «Deshalb begrüßen wir den Vorschlag, das Referendariat wieder zu verlängern.» Allerdings sei Eisenmanns Vorstoß offenkundig spontan und mit niemandem abgestimmt, sagte Moritz. «Die Lehrerbildung muss als Ganzes gesehen werden.» Beim neuen Qualitätskonzept des Ministeriums sei das Lehramtsstudium bislang komplett unberücksichtigt. Die wissenschaftliche Qualifizierung der Lehrer an der Hochschule dürfe bei einer Verlängerung des Referendariats nicht verwässert werden.
Die Fraktionssprecherin der Grünen sagte, eine pauschale Verlängerung bringe keinen Mehrwert – man müsse dann auch weitere Stellschrauben der Lehrerausbildung in den Blick nehmen. Zudem stelle sich die Frage, welche Auswirkungen ein längeres Referendariat für die Lehrerversorgung bedeute. «Immerhin warten wir dann ein Jahr länger auf die voll ausgebildeten Lehrer», sagte sie. Eisenmann solle einmal erklären, ob sich da nicht eine neue Lücke auftue.
SPD: Angehenden Lehrern fehlt offenbar Praxis
Der schulpolitische Sprecher der SPD im Landtag, Gerhard Kleinböck, begrüßte Eisenmanns Vorschlag hingegen. «Ein solcher Vorstoß muss genutzt werden, um kritische Rückmeldungen zu fehlender Praxis der angehenden Lehrkräfte aufzugreifen», teilte er mit. Auch FDP-Bildungsexperte Timm Kern bezeichnete Eisenmanns Vorstoß als vielversprechend. Eisenmann hatte gesagt, Schulleitungen, Lehrer und Referendare berichteten, dass 18 Monate zu wenig seien, um für die vielfältigen Herausforderungen an den Schulen gewappnet zu sein. dpa
Der Bundesarbeitskreis (bak) Lehrerbildung hat in einer “Berliner Erklärung” 2015 grundsätzliche Positionen zum Vorbereitungsdienst formuliert. Darin heißt es unter anderem:
“Lehrerbildung an Universitäten und in der Zweiten Phase (Referendariat) muss den gesellschaftlichen Veränderungen und neuen schulischen Herausforderungen gerecht werden. Erweiterte Anforderungen an die Professionalität der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Ausbilderinnen und Ausbilder ergeben sich insbesondere aus Interkulturalität, Migration, Inklusion, Persönlichkeitsbildung, Ganztag, Arbeit in Teams, individueller Förderung u.a.m.”
“Eine qualitativ hochwertige Lehrerausbildung wird vor allem durch die Zweite Phase gesichert, da die kohärente Verschränkung von Theorie und Praxis ihr Alleinstellungsmerkmal ist. Nur durch die Zweite Phase der Lehrerausbildung sind zudem kontinuierliche personelle Begleitung und personenorientierte Beratung zur Stärkung einer selbstreflexiven Persönlichkeit gewährleistet, da dies von den Universitäten nicht geleistet werden kann”
“Der bak Lehrerbildung fordert: einen 24-monatigen Vorbereitungsdienst, in dem das notwendige Handlungskönnen für eine Schule der Vielfalt in den zentralen Lehrerfunktionen Unterrichten, Erziehen, Diagnostizieren und Fördern, Beraten, Arbeit im Team, Innovieren und Schulprogrammarbeit erworben werden kann.”
“Die Bemessung von bedarfsdeckendem bzw. eigenverantwortlichem Unterricht hat dem Ausbildungsinteresse zu folgen und muss hoher Qualität von Ausbildung verpflichtet sein.”
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.
+ mehr Planungssicherheit für Schulen + erstes Halbjahr könnte ohne unbegleiteten Unterricht gestaltet werden
+ sogar die Lehrerverbände sind sich einig.