Im Klassenzimmer gilt die Abstandsregel nicht, auf dem Schulhof schon

1

MAINZ. Wenn das neue Schuljahr beginnt, können Kinder und Jugendliche wie gewohnt im Klassenraum nebeneinander sitzen. Mediziner halten es für gerechtfertigt, dort auf die 1,50-Meter-Abstandsregel zu verzichten – trotz der Warnungen von Virologen. Grundsätzlich aber soll das Abstandsgebot bestehen bleiben, sagt die rheinland-pfälzische Bildungsmininisterin und KMK-Präsidentin Hubig. 

Welcher Abstand gilt wo? Das dürfte Schülern nicht so leicht zu vermitteln sein. Foto: Shutterstock

Nach den Sommerferien können Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz zum ersten Mal seit fünf Monaten wieder in ihren vertrauten Klassenverband. Um nach den Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie diese Normalität zu ermöglichen, wird für den Unterricht im Klassenraum die sonst weiter geltende Abstandsregel aufgehoben. «Das Abstandsgebot fällt in den Schulklassen, soll aber grundsätzlich bleiben», sagte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) am Mittwoch bei der Vorstellung eines neuen Hygieneplans, der zusammen mit Medizinern und Fachleuten des Gesundheitsministeriums erstellt wurde.

Kinder mit Erkältungssymptomen müssen zu Hause bleiben

«Aus kindermedizinischer Sicht finde ich diesen Plan sehr gut», sagte der Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin an der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Fred Zepp. Wenn Kinder über längere Zeit aus ihrer vertrauten Lebenswelt gerissen, in ihrer Bewegungsfreude unterdrückt und zu Stubenhockern gemacht würden, könne dies zu langfristigen negativen Veränderungen führen. Mit Blick auf eine mögliche Erkältungswelle in der kalten Jahreszeit sagte Zepp, Kinder mit Symptomen von Atemwegserkrankungen sollten nicht in die Schule geschickt werden. Dies sollte erst von einem Hausarzt abgeklärt werden.

Der Mainzer Virologe Prof. Bodo Plachter betonte, es gebe keinerlei Erkenntnisse, dass Schulen Hotspots der Ausbreitung wären – «anders als bei Tönnies oder in anderen Bereichen», fügte er mit Blick auf Betriebe der Fleischindustrie hinzu. Andersherum gibt es allerdings auch keine Erkenntnisse darüber, dass Schulen keine Corona-Brennpunkte  werden können. Plachter selbst hatte am 18. Juni im SWR-Fernsehen gewarnt: «Wir haben im Augenblick noch wirklich keinen Überblick, wie gefährlich die Schule ist. Das Problem ist, dass natürlich nach Auftreten dieser Pandemie fast in allen Ländern weltweit die Schulen eben geschlossen wurden, so dass wir nicht wirklich gute Daten haben, was in den Schulen wirklich passieren kann.»

Der Chef-Virologe der Berliner Charité, Prof. Christian Drosten, hatte noch vor wenigen Tagen (in seinem NDR-Podcast, Folge 50) gemahnt: «Wir müssen unbedingt damit aufhören, zu sagen, die Kinder sind ja gar nicht betroffen – das ist eine Fehlinformation. Die kann uns auf die Füße fallen.» Drosten forscht selbst zu dem Thema (News4teachers berichtet ausführlich über den wissenschaftlichen Streit – hier geht es zu einem aktuellen Überblick).

Neuerliche Schulschließungen sind jederzeit möglich

Die für Mitte August geplante Aufnahme des Regelbetriebs an den Schulen des Landes steht unter dem Vorbehalt, dass die Infektionen mit dem Coronavirus weiter auf niedrigem Niveau bleiben. Wegen der schnellen Ausbreitung der Pandemie Anfang März waren alle Schulen und Kitas am 16. März geschlossen worden. «Wir werden auf Sicht fahren», sagte die Bildungsministerin wenige Tage vor Beginn der Schulferien. «Wir werden das Infektionsgeschehen über die Sommerferien sehr genau beobachten und uns weiter mit Experten abstimmen.»

Neben dem Regelbetrieb ab Mitte August hat das Ministerium daher auch zwei weitere Möglichkeiten im Blick: Szenario 2 entspricht im Wesentlichen der bisherigen Situation der Schulen seit Beginn der stufenweisen Öffnung ab dem 27. April. Dazu hatte das Bildungsministerium am 22. April einen ersten Hygieneplan vorgelegt, der zum Vorbild für weitere Bundesländer wurde und den Wechsel von Präsenz- und Fernunterricht vorsieht. Kleinere Lerngruppen im Klassenraum ermöglichen dann die Einhaltung der Abstandsregel. Szenario 3 bedeutet die neuerliche Schulschließung aufgrund eines akuten massiven Infektionsgeschehens.

Ein regulärer Schulbetrieb müsse in Corona-Zeiten anders aussehen als vorher, sagte Hubig. «Deshalb muss das neue Schuljahr gut vorbereitet sein.» Aber «Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf Bildung, ein Recht auf den Sozialraum Schule.»

Von der Einhaltung der Abstandsregel könne «insbesondere zwischen Schülerinnen und Schülern in allen Schularten und Jahrgangsstufen abgewichen werden», heißt es in dem Hygieneplan, der am Dienstagabend allen Schulen in Rheinland-Pfalz zugeschickt wurde. «Wo dennoch möglich, soll ein Mindestabstand von 1,50 m eingehalten werden.»

Der Hygieneplan macht der Schulgemeinschaft weiterhin Vorgaben zu persönlicher Hygiene, zur Raumhygiene und zur Hygiene im Sanitärbereich. Neu ist die Bestimmung, dass in jeder Schule ein Hygiene-Beauftragter oder ein Hygiene-Team benannt wird. (News4teachers berichtet umfassend über den Hygieneplan – hier geht es zum Bericht.) News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Corona-Infektionen an mehreren Schulen – Lehrer fragen: Wie kann das sein? Ministerium sagt doch, Kinder sind nicht so infektiös

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

1 Kommentar
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Peter Baier
3 Jahre zuvor

Zitat: „Mama, was ein Blödsinn…“ – Der Junge hat die Intelligenz, welche die sog. „Bildungspolitiker“ offenkundig nicht haben. Diesen ganzen regierungsamtlichen Blödsinn versteht sowieso keiner mehr. Es wird nämlich täglich absurder. Ab dem 01.08. besteht hier in RLP Maskenpflicht auch auf den Gängen und Fluren des Schulgebäudes. Im Unterricht allerdings nicht. Dort sitzt dann die gesamte Klasse eine Schulstunde zusammen und darf sich fröhlich gegenseitig „infizieren“ während für eine Sekundenbegegnung auf dem Gang die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen wird.

Das Problem ist, dass jene, welche solche Verordnungen schreiben (oder schreiben lassen) offenkundig nicht die Intelligenz besitzen und hinterfragen können, was sie da eigentlich verzapfen. Man darf gespannt sein, was passiert, wenn dieser Dummfug auf dem Rechtswege angegriffen werden wird.