„Bürokratie überbordend“: Lehrer stellen neuer Schulverwaltung schlechtes Zeugnis aus

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STUTTGART. Mit Wissenschaft wollte das Land Baden-Württemberg vor drei Jahren gegen Wildwuchs vorgehen und baute die ganze Schulverwaltung um. Eine Mammutaufgabe, an deren Ende die Schüler profitieren sollten. Ist das bis jetzt gelungen? Die Mängelliste der Lehrerverbände ist lang.

Wie viel Bürokratie braucht eine Schulverwaltung? (Symbolbild) Foto: Shutterstock

Mit einer umgebauten Schulverwaltung wollte das Land Probleme in den Schulen frühzeitig erkennen und bekämpfen. Zwei neue Bildungsinstitute sollten Impulse setzen und den Schulen helfen, ihre Arbeit besser zu machen. «Ziel verfehlt», kritisieren nun die mehrere Lehrerverbände und stellen dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) drei Jahre nach dem Start ein mieses Zeugnis aus. «Vieles läuft auch nach drei Jahren noch nicht rund», sagte Thomas Speck vom Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg am Freitag in Stuttgart. «Das Kultusministerium muss nachsitzen und die Probleme aufarbeiten.»

Das ZSL und auch das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) waren im Frühjahr 2019 an den Start gegangen. Erklärte Ziele: die Qualität in den Schulen und die Leistungen der Schüler sollten besser werden. In deutschlandweiten Vergleichstests waren die Schüler damals im Südwesten abgesackt. Die frühere Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte die Reform unter anderem mit einem «Wildwuchs» bei der Lehrerfortbildung erklärt.

Mit dem ZSL seien funktionierende Strukturen zerschlagen und noch nicht ausreichend durch neue funktionierende Strukturen ersetzt worden, kritisierten nun die Verbände der Berufsschullehrer, der Realschullehrer (RLV) und der Philologen. «Der Zugewinn an Qualität steht aber bis heute aus», sagte die RLV-Vorsitzende Karin Broszat. «Das ZSL ist aber genau für diese Qualität zuständig.»

«Offensichtlich war dem Ministerium nicht klar, wie komplex es ist, eine neue Behörde in ein bestehendes System zu integrieren»

Gründe seien unter anderem Doppelstrukturen bei Regierungspräsidien und ZSL sowie die Herabstufung der Landesakademien, die zuvor für die Schulentwicklung zuständig waren. Die Budgets an den Seminaren für Schulpädagogik seien gekürzt und Zuständigkeiten nicht eindeutig geklärt worden, die Versorgung mit Dienstrechner sei schlecht und die Bürokratie überbordend. Auch die Außenwirkung des ZSL sei mangelhaft, hieß es. «Viele Lehrkräfte wissen immer noch nicht, dass das ZSL überhaupt existiert und welche Aufgaben es erfüllt.» Weil Schulleitungen aber nicht für Fortbildungsveranstaltungen werben dürften, fielen etliche davon mangels Anmeldungen aus.

«Offensichtlich war dem Ministerium nicht klar, wie komplex es ist, eine neue Behörde in ein bestehendes System zu integrieren», bilanzierten die Verbände. Eine unabhängige Stelle müsse das Institut auf den Prüfstand stellen. «Wenn die Behörde dieser Evaluation nicht standhält, dann muss es auch denkbar sein, Fehler einzugestehen und das ZSL weiterzuentwickeln oder gar abzuwickeln.»

Eisenmanns Nachfolgerin, Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne), hält das Qualitätskonzept dagegen «grundsätzlich für richtig». Es habe Parallelstrukturen und unverbundene Zuständigkeiten gegeben. «Die wollten wir abbauen, wir wollten Maßnahmen und Programme besser verzahnen und Bildungspolitik stärker an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichten», sagte sie. Die Lehreraus- und -fortbildung habe zuvor auch nicht reibungslos funktioniert. Außerdem habe die ZSL-Zentrale mehrere Male umziehen müssen. Die Pandemie habe das ZSL zudem gezwungen, die Lehrkräftefortbildung kurzfristig auf digitale Formate umzustellen und zu erweitern. Schopper räumte aber auch ein, es gebe noch Optimierungsbedarf.

Auch die baden-württembergischen Unternehmer sehen die Probleme, sie drücken sich aber zurückhaltender aus: «Die Rangeleien um Zuständigkeiten müssen aufhören», sagte Stefan Küpper vom Verband UBW (Unternehmer Baden-Württemberg). Das ZSL müsse sich «als leistungsstarkes Strukturelement im Qualitätsdesign der baden-württembergischen Schulpolitik profilieren» können. Trotz denkbar schlechter Startbedingungen sei es aber in der Schullandschaft angekommen. News4teachers / mit Material der dpa

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Carsten60
2 Jahre zuvor

Die Evaluierer in den Landesinstituten müssten endlich mal selbst evaluiert werden, haha !! Da würde man vielleicht eine lange Mängelliste aufzustellen haben. Alle reden von Qualität (Schulqualität, Unterrichtsqualität, Weiterbildungsqualität), nur von der Qualität der Landesinstitute und der anderen beteiligten Behörden (Schulministerium) redet niemand. Wodurch ist eigentlich die dort tätige Mannschaft qualifiziert? Was zeichnet die dortigen Leiter aus? Nach welchen Kriterien werden die Stellen besetzt, auch auf der unteren Ebene? Wieviele davon sind Psychologen oder Dipl.-Pädagogen, die gar nicht selbst unterrichten dürften? Und was hat sich eigentlich insgesamt gebessert, seitdem es die ersten Landesinstitute für Schulentwicklung oder so ähnlich gab?
In ganz Deutschland gibt es bestimmt mindestens 6000 Bürokraten in der Schulverwaltung im weiteren Sinne (inkl. Ministerien und Landesinstitute). Und wie sieht der „Output“ aus?

Kathrin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Da gebe ich Ihnen völlig recht, @Carsten60. Das, was Sie sagen, gilt auch für NRW. Da wären auch mal „flächendeckende“ Evaluationen nötig — und schön wäre, wenn vor der Landtagswahl im Mai mal ein bedarfsorientiertes Anforderungsprofil für den Schulministerin/die Schulministerin samt Staatssekretär/in aufgestellt würde. Parteizugehörigkeit und fachfremde Tätigkeiten reichen einfach nicht, wie SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen leidvoll erfahren müssen. Das Schlimme daran: Man hätte uns diese unselige Gebauer-Ära ersparen können, wenn man der Schulpolitik nur mehr Bedeutung beigemessen hätte. Wäre die Stelle des Schulministers/der Schulministerin öffentlich ausgeschrieben gewesen, hätte Frau Gebauer mangels Qualifikationen keinerlei Chancen gehabt. Sie wäre nicht mal zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden.

Mein Name ist Hase
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Rein quantitativ dürfte der Output in einem proportionalen Verhältnis zum Input stehen. Qualitativ würde ich eher ein antiproportionales Verhältnis vermuten. Das aber könnte durch eine ‚Behörde zur Entbürokratisierung‘ sicher geändert werden!

KARIN
2 Jahre zuvor

Schlamperladen, ohne richtige Kenntnis wie es tatsächlich in Schulen aussieht.
Bürokratiemonster, wo für jeden noch ein Pöstchen geschaffen wird, dem man einen Gefallen tun möchte oder muss!
Wo oft absurde Theorien/ oder Wunschvorstellungen entworfen werden, welche dann die Schulen hopplahop umzusetzen haben. Wenn es dann nicht so läuft wie erhofft, wird dies von jetzt auf gleich wieder abgeschaft und der nächste Wunschtraum versucht umzusetzen und wieder dürfen die Lehrer ran und hopplahop dies auf den Weg bringen!!

Rosa
2 Jahre zuvor

Frau Schopper oh Schreck! Klassenfahrten…….https://www.rnf.de/baden-wuerttemberg-kultusministerin-schopper-moechte-klassenfahrten-wieder-moeglich-machen-283617/ Die Infektionen sind an Schulen und Kindergärten noch massiv hoch und Todesfälle in Mannheim täglich. Klassenfahrten nicht angebracht, die Lehrer sind am Limit und haben in den letzten zwei Jahren viel geleistet und viele Überstunden geleistet. Aufholprogramm nicht angekommen und die Bildungschere ist im Klassenverband sehr unterscheidlich und für die Lehrer eine schwere Herausforderung, Lehrplan wurde der Pandemie nicht angepasst und Förermöglichkeiten zur Aufarbeitung der Lernrückstände werden nicht angeboten. Wir haben Krieg und Klassenfahrten sind in dieser angespannten Zeit nicht angebracht und Pandemie herscht immer noch.

Rosa
2 Jahre zuvor

Frau Schopper lobt Ehrenamt …….Kirche und Sport und es ist nur noch peinlich diese Frau……..https://www.ebfr.de/detail/nachricht/id/156979-ministerin-theresa-schopper-wuerdigt-gesellschaftliches-engagement-von-kirche-und-sport/?cb-id=12103291 Die Kirche hat sich in der Pandemie nicht um die Kinder und Jugendlichen gekümmert und Nächstenliebe nicht gepflegt. Sport war lange unterbunden und viele Vereine haben um das Überleben gekämpft…..
Ehrenamt war ausgebremst. Die Kirche hat bei der jungen Generation sehr verloren und liefert ein Skandal nach dem anderen. Bildung waren auch nur leere Worte und das Aufholprogramm ist als Mogelpackung verteilt worden.

Rosa
2 Jahre zuvor

Frau Schopper bitte kein Märchen mehr und Mogelpackungen mehr anbieten….es fleigt auf. Die bittere Bilanz ist Sichtbar. https://www.phv-bw.de/drei-jahre-zsl-fachverbaende-des-beamtenbundes-ziehen-bittere-bilanz/

Teacher Andi
2 Jahre zuvor

„Mit einer umgebauten Schulverwaltung wollte das Land Probleme in den Schulen frühzeitig erkennen und bekämpfen.“ Nun, um Probleme in den Schulen zu erkennen und zu bekämpfen bedarf es in erster Linie der Bereitschaft, den Lehrern und Schülern zuzuhören und ihre Argumente ernst zu nehmen… Ist nicht erfolgt, statt dessen wieder neue Posten geschaffen, die die Realität gar nicht auf dem Schirm haben.
„Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung“ … Wer bildet denn dieses Zentrum? Wurden da nicht wieder Posten geschaffen nur um der Posten willen? Und Frau Schopper findet natürlich, wie immer, alles gut, möchte die Bildungspolitik stärker an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichten … Merkt eigentlich mal einer der hohen Damen und Herren, dass man Bildungspolitik primär an Erfahrungswerten und individuellen Möglichkeiten der Umsetzung ausrichten sollte?
Wenn ich schon „Qualitätssicherung an Schulen“ und „Evaluation“ höre! Man bekommt irgendwie den Eindruck, dass die Lehrer es wohl nicht können. In meiner fast 25-jährigen Lehrerlaufbahn habe ich 3 externe Evaluationen mitgemacht. Aufwand ohne Ende um die Aktivitäten der Schule hervorzuheben, das Ganze hinterließ keinen Eindruck. Unterrichtsbesuche ohne Feedback, und um die Daseinsberechtigung des Evaluationsteams zu unterstreichen wurden sebstverständlich Defizite gefunden, die zur Zielvereinbarung führten und dokumentarisch aufgearbeitet werden mussten. Der Ergebnisvortrag der zweiwöchigen Evaluation war unterirdisch, eine Powerpoint Präsentation, vorgefertigt und abgelesen, bei der ich meinen Schülern höchstens eine 4 gegeben hätte. Gespräche und Diskussionen mit dem Team waren nicht möglich, nur auserwählte Lehrkräfte bekamen diesen Zuschlag (oh, oh!).
Lehrerfortbildung? Wieviele Fortbildungen habe ich mitgemacht, die nichts brachten, die aber gemacht werden mussten, da ein gewisses Kontingent erforderlich ist und nichts Passendes im Angebot war. Auch die Fortbildungen strotzen nur so von theoretischen Idealvorstellungen, praxisbezogenene Inhalte sind Seltenheit, werden aber, wenn sie denn angeboten werden, begierig angenommen.
Der Effekt von Qualitätssicherung und Fortbildung: gegen Null. Eher in die Richtung Verwunderung, Verärgerung, Zweifel an diesem Vorgehen. Wissenschaft ist selbstverständlich eine Grundlage für Maßnahmen, aber sicher keine allgemeingültige und unantastbare Richtlinie. Theorie und Praxis sind oft sehr weit voneinander entfernt, und das besonders in der Bildungspolitik. Ohne diese Erkenntnis wird da nie etwas Positives bewegt werden.

Georg
2 Jahre zuvor

Die Lösung ist doch ganz einfach. Man schaut sich das Schulsystem aus der Zeit, in der Baden-Württemberg ganz oben mit dabei war, an und vergleicht es mit dem heutigen. Dann fragt wan sich, wann was warum durch wen geändert wurde. Dann macht man alles leistungsschädigende wieder rückgängig. Ende.

Wenn man nicht so viel Zeit hat, geht auch die Kurzversion: Schule von 2010 oder früher, auch wenn das eine mindestens Halbierung der Abiturquote, leere Gymnasien und übervolle Hauptschule bedeutet.

D. Orie
2 Jahre zuvor

Das Verhältnis von Bürokratie und Lehrenden/Unterrichtenden stimmt einfach nicht. Geld muss in den Unterricht und in die Lehrer fließen. Es gibt in Deutschland nur noch etwa 10 bis max. 15 Professorinnen und Professoren für den Bereich Rechtschreibunterricht! Für ganz Deutschland! Wenn man hier die Stellen verdoppeln würde (der Tipp ist kostenlos und ohne neue Kommissions- oder neues Institutsbildung entstanden ;), dann hätte man schon von viel erreicht (bessere Ausbildung und weniger Studienabbrecher). Und es wäre sogar billiger!

Realist
2 Jahre zuvor
Antwortet  D. Orie

„Das Verhältnis von Bürokratie und Lehrenden/Unterrichtenden stimmt einfach nicht.“

Naja, wir sind noch weit von amerikanischen Verhältnissen entfernt, wo auf eine Lehrkraft fast eine Person mit „administrativen / unterstützenden“ Tätigkeiten (Verwaltung, „school board“, Evaluation, …) kommt, die dann auch noch bedeutend mehr als die Lehrer verdienen. Aber wir sind sicherlich auf dem besten Weg zu solchen Verhältnissen, schließlich müssen die ganzen an den Unis ausgebildeten Juristen, Psychologen, Sozialarbeiter, BWLer, … auch in Lohn und Brot gebracht werden.

Schattenläufer
2 Jahre zuvor

Ist auch mein Eindruck. Unterricht wird mehr und mehr zur Nebensache.
Andere Sachen sind vieeeeeeel wichtiger!

Pressewirksame Aktionen, die zwar unterrichtlich nichts bringen aber sich gut in der Presse machen.

Die Dokumentation sämtlicher Körperwinde, inclusive Lautstärke, Geruch, Windrichtung und Anzahl der Stoffschichten die durchdrungen wurden. Bitte in dreifacher Ausfertigung.
Nicht zu vergessen die Konferenzen.

Konferenzen sind wichtig. Mittlerweile besteht da aber eine wahre Inflation. Man muss über alles sprechen und zwar so lange bis sich sicher ist, dass das Thema endgültig tot ist.

Pädagogik ist zwar schön, wirkliche Bedeutung hat sie nur als Fassade.
Zentral sind Erfüllung von Lehrplänen, Einhaltung von Klassenarbeitserlässen und Verwahrung.

Carsten60
1 Jahr zuvor

Hier steht was Launiges zur Regelungswut in der Schweiz:
https://condorcet.ch/2022/05/wer-will-sich-das-schullager-noch-antun/
Sukzessive wird das verboten, was vorher noch erlaubt war, sogar ein Geburtstagskuchen.