Soziale Ausgrenzung: Lehrkräfte würden eher einem betroffenen Mädchen helfen

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KONSTANZ. Eine aktuelle Studie hat untersucht, welche Rolle das Geschlecht für die Reaktionen von Lehrkräften auf soziale Ausgrenzung unter ihren Schüler*innen spielt. 101 Lehrer*innen wurden nach einer fiktiven Situation befragt. Demnach würden sie einem ausgegrenzten Mädchen eher beispringen als einem Jungen. Ein weiteres Ergebnis: Die weiblichen Lehrkräfte lehnen soziale Ausgrenzung noch stärker ab als ihre männlichen Kollegen, würden aber dennoch nicht häufiger eingreifen. Die Studie wurde vom DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation sowie der Universität Konstanz und der Universität Mannheim durchgeführt.

Einem Mädchen wird offenbar weniger zugetraut, Probleme in der sozialen Gruppe eigenständig zu lösen (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Schüler*innen erleben immer wieder soziale Ausgrenzung. Das kann von Auslachen über fehlenden Gruppenanschluss bis zu gezieltem Mobbing reichen. Dadurch leidet ein psychologisches Grundbedürfnis der Kinder und Jugendlichen: das Zugehörigkeitsgefühl. Dies kann sich wiederum negativ auf ihre gesamte Entwicklung auswirken. Lehrkräfte können durch ihr Eingreifen in Situationen sozialer Ausgrenzung helfen und vermitteln, mischen sich dennoch nicht immer ein.

Aber unter welchen Voraussetzungen entscheiden sich Lehrer*innen für ein Eingreifen? Dieser Frage sind bereits einige wissenschaftliche Studien nachgegangen. Um diese bestehenden Befunde zu vertiefen, hat sich die neue Studie des DIPF sowie der Universitäten in Konstanz und Mannheim darauf konzentriert, welche Rolle das Geschlecht bei der Intervention spielt. Dabei ging es sowohl um das Geschlecht der Lehrkräfte als auch das der jeweils betroffenen Schüler*innen. „Da die Geschlechter unterschiedlich sozialisiert werden und an Jungen und Mädchen auch verschiedene soziale Erwartungen gerichtet werden, wollten wir in einem ersten Schritt herausfinden, ob sich je nach Geschlecht von Lehrkraft oder Schüler*in unterschiedliche Reaktionen der Lehrer*innen zeigen“, erläutert Dr. Hanna Beißert vom DIPF. Sie ist die Erstautorin eines aktuellen Beitrags in der Fachzeitschrift „Frontiers in Education“, in dem die neue Studie vorgestellt wird.

Folge-Untersuchungen und Implikationen für die Praxis

Die genauen Gründe für das geschlechtsspezifisch unterschiedliche Verhalten der Lehrkräfte und dabei die Rolle von Sozialisation und sozialen Zuschreibungen muss in weiteren wissenschaftlichen Arbeiten erforscht werden. Auch ist die Aussagekraft der aktuellen Studie eingeschränkt, da die Ergebnisse auf einem fiktiven Szenario und auf Aussagen der Lehrer*innen über ihre möglichen Reaktionen beruhen. Die Befunde könnten beispielsweise durch Erhebungen im echten Schulalltag erhärtet werden. Dennoch sieht die Forscherin des DIPF in den aktuellen Befunden bereits wertvolle Fingerzeige für die Schulpraxis: „Die unterschiedlichen Reaktionen der Lehrkräfte bei Mädchen und Jungen erfolgen ja oft nicht mit Absicht, sondern unbewusst. Daher kann es hilfreich sein, dafür zu sensibilisieren, dass auch Jungen unter sozialer Ausgrenzung leiden und es sich lohnen könnte, bei ihnen eher einzugreifen, als man das gewohnt ist.“ News4teachers

Der Fachartikel, in dem das verantwortliche wissenschaftliche Team die Studie beschreibt: Beißert, B., Staat, M. & Bonefeld, M. (2022). The role of gender for teachers‘ reactions to social exclusion among students. Frontiers in Education, 7:819922. doi: 10.3389/feduc.2022.819922

Studie: Geschlechter-Klischees rund ums Lesen entmutigen vor allem Jungs

 

 

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8 Kommentare
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Georg
1 Jahr zuvor

Da kommt die Biologie durch. Frauen sind für den Arterhalt wichtiger als Männer. Man könnte rein auf der Reproduktionsebene reduziert recht problemlos auf 90% aller Männer, aber auf keinen Fall auf 90% aller Frauen verzichten.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Ich bin verwirrt, weil ein offensichtlich Frauen bevorzugender und hervorhebender Kommentar, also das Gegenteil von Sexismus im heutigen Sinne, so viel Ablehnung bekommt.

Sabine
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Zählen sie sich denn zu den 10 Prozent Männern, die unverzichtbar sind Georg?

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sabine

Wären die das 25 Lebensjahr überlebenden Männer zum Erhalt der Gleichverteilung der Geschlechter verzichtbar, würden in der Lebensphase davor ja noch mehr Jungens versterben. Und das obwohl die Wehrpflicht abgeschafft wurde und kriegsbedingte Ausfälle trotz Putin derzeit nicht zu erwarten sind.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sabine

Das mögen andere entscheiden. Ob sich die 10% Männer für Sie entscheiden würden, mögen die 10% wiederum auch selbst entscheiden.

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Die Geschmäcker sind verschieden – nur die Anzahl der potentiellen Retter, die ja prozentual noch bei max. 2 Promille liegen mag, ist dann in der Realität und in absoluten Zahlen ggf. für eine aufwändige Rettung zu gering.
Interessant auch die Frage, wie die Männer als Firstresponder dann bei einer größeren Anzahl weiblicher Notleidender eine Priorisierung der zu Rettenden vornehmen Ich könnte mir vorstellen, dass dann wieder uralte Rollenmuster anstelle von hypothetischen Erwägungen und Genderfragen zum Vorschein kämen.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Evolutionstechnisch bedingt kann man annehmen, dass die 10 % Männer sich für ALLE Frauen entscheiden würden. Während es umgekehrt genau umgekehrt ist….

Wofür ist diese Diskussion nochmal gut?

Trollbuster
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Die Frauen suchen sich die Männer aus, nicht umgekehrt Georg. Sie hätten da bestimmt keine großen Chancen.

Last edited 1 Jahr zuvor by Trollbuster