MUTARE/INGELFINGEN. Mit seinem Modell-Kindergarten, einer Schule und verschiedenen Projekten leistet „Bongai Shamwari e. V.“ nicht nur wertvolle Hilfe für Kinder in Simbabwe, er bringt den Menschen auch das Lernkonzept von Maria Montessori nahe. Christa Zeller, Gründerin und Vorsitzende des Vereins, ist überzeugt, dass dies langfristig einen positiven Einfluss auf das gesamte Land haben kann. Nun sollen weitere Patenschaften und Kooperationen mit Kindergärten, Hochschulen und Unternehmen den lebendigen Austausch fördern und die Zukunft der Bildungseinrichtungen sichern.
„Bongai Shamwari“ bedeutet in der Nationalsprache Shona: „Danke, Freund“. Für Christa Zeller umschreibt es die tiefe Freundschaft zwischen den Menschen in Simbabwe und Deutschland, die seit 1985 besteht. Zu jener Zeit zog es sie und ihre Familie für fünf Jahre in das nordöstlic in Mutareh von Südafrika gelegene Land. Die erste Station war eine Missionsstation an der Grenze zu Mosambik. Dort eröffnete die damals 27-jährige Erzieherin mit der Hilfe von Einheimischen einen Kindergarten. Das Beispiel machte Eindruck: In der Folgezeit wurde sie immer wieder um Hilfe beim Bau und Unterhalt weiterer Kindergärten gebeten. Spenden wurden gesammelt. 14 Kindergärten hat Christa Zeller zunächst mit Hilfe von den Kirchengemeinden in Heidelberg und Ingelfingen in 25 Jahren mit aufgebaut und finanziell unterstützt, bis der Staat 2011 die Vorschulerziehung im Zuge einer Bildungsreform ins öffentliche Schulsystem eingliederte. „Bis dahin gab es in Simbabwe keinerlei Vorschulbildung“, erläutert sie. „In jenem Jahr wurden all unsere Kindergärten von der Regierung einfach annektiert und zu staatlichen Einrichtungen erklärt. Dagegen konnten wir nichts machen.“
Montessori-Modell-Kindergarten und Schule entstehen
Um die Zukunft zu sichern wurde 2017 eine Stiftung in Simbabwe gegründet und 2018 ein Verein – Bongai Shamwari e. V. in Ingelfingen, Baden-Württemberg. So standen die nächsten Jahre im Zeichen des Aufbaus eines Kindergartens in einem Township von Mutare. Ein geeignetes Haus musste gefunden und umgebaut werden. Nachdem auch die letzte Genehmigung vorlag, konnte der Montessori-Modell-Kindergarten 2018 seine Türen für 16 Kinder öffnen. 14 weitere Kinder besuchen die erste und zweite Klasse der projekteigenen Schule. „Ab der dritten Klasse müssen die Kinder in staatliche Grundschulen wechseln“, bedauert Christa Zeller diese Zäsur: „Uns fehlt noch die Genehmigung für den Unterricht in den höheren Grundschulklassen. Bis dahin dürfen wir auch keine weiteren Kinder aufnehmen.“
Teufelskreis aus Bildungsmangel und Armut durchbrechen
Lehrermangel, ein Gehalt, das nicht zum Leben reicht, und Frontalunterricht in Klassen mit über 70 Schüler*innen – das ist Alltag an Simbabwes Staatsschulen. Folge: Viele Lehrer*innen kürzen die Unterrichtszeit und bessern ihr karges Salär mit Nebenjobs auf oder steigen gleich ganz aus dem Schuldienst aus. Im Schnitt verdienen Lehrerinnen und Lehrer umgerechnet gerade einmal 70 bis 100 US-Dollar – ein Einkommen, das mit den täglich steigenden Preisen für Lebensmittel nicht mithalten kann. „Ein Brot kostet inzwischen 1,50 US-Dollar, eine Flasche Speiseöl schon vier Dollar“, so Christa Zeller.
Den Teufelskreis aus mangelnder Bildung und Armut möchte Bongai Shamwari e. V. mit seinen Projekten durchbrechen. Faire Gehälter, Autarkie und Nachhaltigkeit bilden die Grundlagen für ein Konzept, das für mehr steht, als nur den gewohnten Mangel abzuwenden. Christa Zeller: „Bei uns verdienen Lehrer*innen 210 US-Dollar und Erzieherinnen je nach Ausbildung 190 bis 200 US-Dollar. Unsere Angestellten sollen nichts hinzuverdienen müssen, sondern ganz für die Kinder da sein.“
Zwei einheimische Lehrerinnen und eine Erzieherin kümmern sich um die Kinder. Einmal im Monat reist ein Kunst- und Musikpädagoge an – dann werden eine ganze Woche lang kulturelle Tänze eingeübt, Collagen gestaltet, Bilder gemalt und Musik gemacht. So lernen die Schützlinge zum Beispiel auch das Spielen traditioneller Instrumente wie die Mbira, das Fingerklavier, und die Marimba, eine Art Xylophon. „Das wirkt fast wie eine Therapie für die Kinder, von denen viele unter sehr schwierigen Verhältnissen aufwachsen“, so Christa Zeller. Regelmäßig gewinnen die Kinder Preise in staatlichen Kunstwettbewerben. Vielfalt wird gefeiert und gefördert, wie zum Beispiel bei einem kulturellen Festival, und nicht zuletzt auch durch die Unterstützung von Künstlern und Musikern.
Hilfe zur Selbsthilfe nach dem Montessori-Lernkonzept
Die Bildung bleibt das Hauptanliegen von Bongai Shamwari e. V. Sie soll aber mehr vermitteln als Rechnen, Lesen und Schreiben. Deshalb setzen die Pädagogen auf das Lernkonzept von Maria Montessori und machen gute Erfahrungen damit. Der Antrieb zum Lernen sind Begeisterung und die Freude daran, selbst etwas herauszufinden. Haptische Montessori-Lernmaterialien, von denen das Team viele in Eigenregie herstellt, wecken die kindliche Neugier. Der Leitsatz Montessoris „Hilf mir, es selbst zu tun“ fasziniert Christa Zeller besonders. Denn er steht nicht nur für selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Lernen, er zeigt auch Wege aus der Abhängigkeit auf: „Den Menschen muss nicht gesagt werden, was richtig und was falsch ist. Sie müssen ihre eigenen Schlüsse ziehen können und etwas selbstständig weiterentwickeln. Und genau das lernen die Kinder bei uns.“
“Den Menschen muss nicht gesagt werden, was richtig und was falsch ist. Sie müssen ihre eigenen Schlüsse ziehen können und etwas selbstständig weiterentwickeln.”
Inzwischen wurden Elemente der Montessori-Pädagogik ins pädagogische Curriculum von Simbabwe aufgenommen. Im Schulalltag bleiben sie meistens Theorie, aber an Projekttagen haben ältere Schüler*innen Gelegenheit, eigenständig komplexen Fragestellungen nachzugehen und selbst Lösungen zu entwickeln. Das Montessori-Konzept kann seit einigen Jahren auch in Simbabwe von Grund auf erlernt werden. „Es gibt hier eine sehr gute Ausbildungsstätte. Aufgebaut hat sie eine einheimische pensionierte Lehrerin, die lange Jahre eine Montessori-Schule in London geleitet hat. Seither bildet sie Pädagogen online aus“, erzählt Christa Zeller. „Wir hatten Glück und bekamen eine Erzieherin, die schon vor zehn Jahren ihr Montessori-Diplom in Simbabwe gemacht hatte. Im Dezember wird eine unserer Lehrerinnen ihr Diplom abschließen. Und sobald es die Finanzlage zulässt, soll auch die dritte pädagogische Kraft folgen.“
Kennen Sie Albert Nienhuis? Der niederländische Zimmermann stellte in enger Zusammenarbeit mit Maria Montessori Lernmittel her, die ihrer pädagogischen Vision entsprachen. 1929 gründete er Nienhuis Montessori, den weltweit führenden Anbieter von Montessori-Materialien.
Seit über 85 Jahren vereint das Unternehmen Handwerkskunst mit technischer Finesse. Die Produktwelt von Nienhuis Montessori ermöglicht es Kindern heute so gut wie zu Albert Nienhuis Zeiten, ihre Welt eigenständig zu erkunden. Wir nutzen nur beste Materialien, verarbeitet mit Sorgfalt, Hingabe, dem Blick fürs Detail – und einer tiefen Verbundenheit mit der Pädagogik Maria Montessoris. Seit Jahrzehnten bereits ist Nienhuis Montessori offiziell von der Association Montessori Internationale anerkannt.
Hier bekommen Sie weitere Informationen über Nienhuis Montessori.
Die Hilfe zur Selbsthilfe und das Streben nach Eigenständigkeit spiegeln sich auch im Frauenprojekt des Vereins wider, welches Frauen beim Aufbau eines Kleingewerbes unterstützt. Ganz praktisch umgesetzt wird selbstbestimmtes Handeln im großen Selbstversorgergarten gleich neben dem Kindergarten. Hier wachsen Obstbäume, ein bunter Mix aus Gemüsepflanzen und viele Kräuter. Die Kinder fassen mit an und erlernen beim Säen, Gießen, Jäten und Ernten auch den nachhaltigen, umweltbewussten Umgang mit der Natur. Denn Nachhaltigkeit ist ein ebenso wichtiges Ziel des Vereins. So wird Regenwasser im 40.000 Liter fassenden Wassertank aufgefangen, und eine Solaranlage versorgt Kindergarten und Schule mit Strom.
Mit neuen Patenschaften und Kooperationen fit für die Zukunft
Autarkie macht ein Stück unabhängiger von den weltweiten Krisen, deren Folgen auch Simbabwe hart treffen. Das Land gilt inzwischen als das ärmste in Afrika und leidet unter politischen Spannungen, einer galoppierenden Inflation und sinkenden Wechselkursen für den US-Dollar. Die offizielle Währung, der Simbabwe-Dollar verliert täglich an Wert und wird auf dem Schwarzmarkt mit einem Kurs von 850 zu 1 US-Dollar gehandelt. Auch Bongai Shamwari e. V. stellt diese Entwicklung vor große Herausforderungen. So fehlt derzeit das Kapital für größere Investitionen und den weiteren Ausbau des Projekts. „Innerhalb von sechs Monaten ist der Kurs des US-Dollars um 25 Prozent eingebrochen. Das bedeutet faktisch auch ein Viertel weniger Spendengelder“, beschreibt Christa Zeller die aktuelle Lage. Auch der Krieg in der Ukraine schmälert die finanziellen Mittel des Vereins. Viele Menschen würden angesichts der akuten Not jetzt eher zugunsten von Geflüchteten und Kriegsopfern aus der Ukraine spenden. Nicht zuletzt deshalb gewinnt das Fundraising für die Vereinsvorsitzende einen noch größeren Stellenwert. Die Mutter zweier Kinder und inzwischen auch Großmutter einer Enkelin pendelt oft zwischen Afrika und Deutschland hin und her, um die Arbeit vor Ort, das Einwerben von Geldern und auch ihr Privatleben unter einen Hut zu bringen.
Auch die Unterstützung durch Unternehmen ist dem unermüdlichem Einsatz des Vereins zu verdanken. So hat der niederländische Hersteller von Montessori-Spielzeug Nienhuis auf das Schreiben reagiert und gleich drei große Pakete mit der Montessori-Grundausstattung auf die Reise geschickt, die begeistert in Empfang genommen wurden. Nach und nach können die Kinder die neuen Lernmittel erkunden und schrittweise selbstständig nutzen. Helle Freude bei den Erzieherinnen lösten auch die englischsprachigen Bücher über Montessori aus, die Katrin Worrmann der Sendung beigelegt hatte. Sie ist seit mehr als zehn Jahren für Vertrieb und Beratung bei Nienhuis zuständig und hat in dieser Zeit einige Gründungen von Montessori-Schulen in Deutschland begleitet.
Jetzt gilt es, weitere Paten für den Kindergarten und die Schule zu gewinnen. Patenschaften sind die wichtigste Einnahmequelle von Bongai Shamwari e. V. (siehe Infokasten). Zwei Drittel der Kinder des Modell-Kindergartens und der Schule stammen aus Familien, die das Geld für den Besuch dieser Bildungsstätten nicht aufbringen können. Sie werden von Patinnen und Paten aus Deutschland unterstützt. Von den Spenden in den sogenannten Bildungstopf zahlt der Verein die Gehälter für die Lehrkräfte und die Erzieherin sowie zusätzlich eingekaufte Lebensmittel. Der Verein sucht nun auch verstärkt Kontakt zu Montessori-Kindergärten in Deutschland. Student:innen helfen beim Aufbau von Kooperationen. Dabei steht nicht die finanzielle Hilfe im Vordergrund. „Uns ist besonders der Austausch über pädagogische Fragen und das Lernkonzept wichtig“, so Christa Zeller.
Langfristig geht es für den Modell-Kindergarten und die Schule darum, sich selbst tragen und ohne Hilfe des Vereins bestehen zu können. Dafür ist das Team auch dank der Montessori-Pädagogik gut gerüstet, weil es das eigenverantwortliche Handeln und Entscheiden verinnerlicht hat.
Kitas und Schulen, die am Austausch über die Montessori-Pädagogik interessiert sind, oder den Verein Bongai Shamwari e. V. in Form einer Patenschaft oder Spenden unterstützen möchten, sind herzlich willkommen Kontakt aufzunehmen. Wer vor Ort helfen möchte, kann sich für die Freiwilligenarbeit bewerben. Mögliche Einsatzgebiete sind der Kindergarten und die Grundschule, das Frauenprojekt sowie Landwirtschafts- und Bauprojekte. Weitere Informationen und Kontaktadressen unter: www.bongai-shamwari.org.
Dies ist eine Pressemitteilung von Nienhuis/Heutink International B.V.
Hochachtung für die engagierte Arbeit. Geht es aber in der Außendarstellung nicht eine Nummer kleiner (“einen positiven Einfluss auf das ganze Land”)? Reformpädagogisches Bemühen für “das große Ganze” kann auch schnell in unangenehme Richtungen abdriften. Frau Montessori hat sich einem faschistischem Diktator angedient und vor lauter Streben für eine Idee ihren eigenen konkreten Sohn verleugnet. Warum brauchen es in pädagogischen Kreisen häufig einen Personenkult?