GEW erteilt Kretschmanns Schulpolitik eine Ohrfeige – „bitter und mutlos“

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Nach ihrer Entscheidung über zwei Projekte zur Bildungsgerechtigkeit an Grundschulen wird Baden-Württembergs Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) von der zuständigen Gewerkschaft mächtig abgewatscht. «Das ist bitter und mutlos», sagte Monika Stein, Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), dem «Badischen Tagblatt». «Ich kann doch nicht von Bildungsgerechtigkeit reden und dieses Ziel nicht mit Leben füllen.»

„Nicht mit Leben gefüllt“: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

Stets werde derzeit auf den Aufstieg der Hansestadt Hamburg hingewiesen, die noch vor zehn Jahren zu den letztplatzierten drei Ländern gehörte und nun zur Spitzengruppe im Bildungsranking zählt. Doch während die grün-schwarze Koalition für einen Modellversuch in drei Schulamtsbezirken jeweils knapp 200.000 Euro im Jahr und pro Region investiere, gebe Hamburg diesen Betrag pro Schule aus. «Und wenn ich als reiches Baden-Württemberg sage, wir gucken dahin, dann müssen wir aber auch richtig hingucken und kupfern das, was gut läuft, auch tatsächlich ab», sagte Stein.

Es passiere zu wenig, kritisierte die GEW-Landesvorsitzende. Dabei seien die Schlüsselressorts und -positionen der Regierung in grüner Hand. «Die Grünen könnten jetzt beweisen, dass und wie grüne Bildungspolitik geht», sagte Stein. «Mehr Möglichkeiten haben sie in keinem anderen Bundesland, grüne Politik auch tatsächlich umzusetzen.»

Anlass für Projekte und Kritik ist unter anderem eine Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), nach der Jungen und Mädchen der vierten Klasse im Südwesten zunehmende Probleme beim Lesen und Zuhören haben. Der Anteil der starken Schülerinnen und Schüler, die den Regelstandard in Deutsch und Mathematik schaffen oder übertreffen, ist gesunken. Fast jedes fünfte Kind schafft die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht. Beim Leistungstest schnitten insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Familien oder mit einem Zuwanderungshintergrund schlechter ab. News4teachers / mit Material der dpa

Nach dem IQB-Schock: Land will Grundschulen personell aufstocken (aber nur ein paar Dutzend von 2.300)

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Realist
1 Jahr zuvor

„200.000 Euro im Jahr und pro Region investiere“

Ich könnte mir schon vorstellen, wie Kretschmann das sieht:

„Als ich noch Lehrer war, waren 200.000 Euro viel Geld! Ich kann deshalb diese dauernde Jammerei der GEW und der Lehkräfte nicht verstehen!“

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

„Fast jedes fünfte Kind schafft die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht.“ – Was ist VERAntwortlich?

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Wir bestellen fur a l l e Schülys (Klasse 6 und 8, Deutsch und Mathe) nur noch die Grundlagenhefte – auch für die MSAlerys. Sonst käme es zu r i c h t i g schlechten Rückmeldungen.

Und so gehen sehr, sehr viele doch dem MSA entgegen.

Die Umrechnung der Noten ist nämlich so – aus ESA 3 wird MSA 4.

Dass das inhaltlich nicht passt, wissen wir alle.

Nur die KuMis verbleiben seit Jahren unschuldig und nicht-wissen-wollend in ihrer „Ahnungslos-Bubble“.

Carsten60
1 Jahr zuvor

Die GEW argumentiert doppelzüngig: Einerseits will sie ja diese offiziellen Leistungstests gar nicht haben und die Ländervergleiche auch nicht, andererseits bemisst sie dann rhetorisch die Bildungsgerechtigkeit an solchen Zahlen. Ich fürchte, diese Art Bildungsgerechtigkeit ist eine Fata Morgana. Das heißt nicht, dass man diese Zahlen nicht verbessern könnte, aber das ginge nur, wenn das Prinzip hinter diesen Tests auch positiv gesehen wird. Und genau das macht die GEW nicht, sondern benutzt diese Zahlen zum Meckern.

Ohne finanziellen Aufwand könnte man anordnen, dass die Grundschulen alle Kräfte auf Lesen, Schreiben, Rechnen richten, aber genau das will ja die Landesregierung nicht. Es soll noch 1000 andere Postulate geben, schon in den Klassen 1 und 2:
Demokratie und Gesellschaft, Natur und Leben, Naturphänomene und Technik, Raum und Mobilität, Zeit und Wandel, Experimente. Das sind übergeordnete Zwischenüberschriften aus dem Bildungsplan 2016 für Baden-Württemberg , und hierarchisch darunter gibt es weitere Zwischenüberschriften, z.B. „Arbeit und Konsum“ sowie „Kultur und Vielfalt“. Der Bildungsplan ist halt von Ideologen geschrieben und überfrachtet worden, nicht von Pragmatikern.

Konfutse
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Sehe ich auch so. Aber das ist anstrengend, sich auf die Basics zu konzentrieren. Meine jüngste Tochter hat in den ersten zwei Jahren in der Grundschule mehr Obst geschnibbelt und Waffeln gebacken als das Lesen, Schreiben, Rechnen zu lernen. Die Schule hatte sich der „gesunden Ernährung“ verschrieben. Ist ja löblich, aber das muss/sollte auch zuhause vermittelt werden. Auch wurde in der 3. Klasse für Projekte mit einem Kunstmuseum wochenlang ein fester Schultag in der Woche, an dem die Kernfächer Mathe und Deutsch auf dem Stundenplan standen, geopfert. Auch das Besuchen von Kunstmmuseen ist mitunter die Aufgabe des Elternhauses. Eine solche schulische Aktion ist zwar sehr schön und löblich, aber die Stunden in der Schule wurden eben ersatzlos gestrichen, logisch!
Die Grundschule, mit der wir (RS) die Mauern teilen, hat in einem vor 6 Jahren ertstellten Neubau auf dem Gelände in den Klassenzimmern Bau- und Spielecken eingerichtet. Klassenzimmer, nicht Schülerhort!
Aber „alle“ haben LRS oder Dyskalkulie, folglich Grund genug, nicht MEHR üben zu müssen……
Tja, da sieht man einfach, worauf der Fokus gelegt wird.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Konfutse

Gesunde Ernährung – ich träume davon, dass sich Eltern dafür interessieren.

Kunstmuseum – ich träume davon, dass Eltern sich dafür interessieren.

Das setzt u.a. Kommunikation mit den Kids voraus, Zeit, Interesse und weitere „Absonderlichkeiten“, die mal als „normal“ galten.

Meine derzeitigen Sechstklässler haben in der GS nicht eine Seite schreiben müssen. Wo soll ich da ansetzen? Sie sind meilenweit von irgendwelchen Standards entfernt.

Auch haben sie nicht gelesen. Das holpert und stolpert – der Inhalt eines Textes kann gar nicht erfasst werden.

Der Buchstabe Q – vielen unbekannt.

Warum? Es wurden Lapbooks gebastelt. Sieht toll für die Eltern aus, ist lermäßig leider sinnentleert, da das richtige Anwenden nicht geübt wurde – Zeitmangel wegen 10! Stunden nutzlosen Bastelns.

Die Bau- und Spieleecken halte ich nach wie vor für sehr sinnvoll – hatte sie vor 20 Jahren auch, sowie Puzzleecke und – PC-Ecke.

(Wer nachrechnet… mir ist auch klar, dass ein Raum vier Ecken hat 😉 )

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

Tja.

Ich frage mich, wie lange es noch dauert, bis die Mindestandards derartig gesenkt werden, bis wieder alles passt.

Diesen „Trick“ wenden wir bei den plötzlich vielen MSA-Schülys auch an.

So kann (fast) jede(r) den Realschulabschluss „schaffen“ und mit etwas mehr dann Abi machen und studieren.

Nur auf dem Papier win-win. 🙁

KARIN
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Und brechen nach dem 1.Semester ihr 1.Studium ab um zu wechseln und dieses dann nach spätestens dem 2. Semester, dann haben sie evtl. verstanden, dass sie nicht studiumsfähig sind!

Carsten60
1 Jahr zuvor

„Stets werde derzeit auf den Aufstieg der Hansestadt Hamburg hingewiesen, die noch vor zehn Jahren zu den letztplatzierten drei Ländern gehörte und nun zur Spitzengruppe im Bildungsranking zählt.“
Moment mal: Wo gehört Hamburg zur Spitzengruppe? Beim letzten IQB-Bildungstrend 2018 stand Hamburg in Mathematik auf Platz 8 mit einem Durchschnittswert von 462 Punkten, der genau gleich dem Bundesdurchschnitt war. Beim Lesen war es in der Tat besser, aber man hatte 2021 denselben Wert nach Punkten wie 2011. Ein Grund zum Jubel kann das wohl nicht sein.
Auch Herr Wiarda wies schon darauf hin, dass der Aufstieg von Hamburg eher so zustande kam, dass die anderen NOCH mehr abgesackt sind:
https://www.jmwiarda.de/2022/10/16/abgerutscht/

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Gemeint war der Test 2021, nicht 2018.

Maja
1 Jahr zuvor

In Hamburg haben sich die Leistungen auch verschlechtert, nur nicht so markant wie in anderen Bundesländern. Allerdings scheint das Ansinnen von Gewerkschaften und Vertretungen in die andere Richtung zu tendieren: bloß keine Verschärfung der Bildungspläne. So kann man sich die Misere auch passend machen… Erinnert mich an die Rückwärts zum G9.

https://elternkammer-hamburg.de/2022/11/21/buendnis-fuer-zukunftsfaehige-schulen-in-hamburg-fordern-andere-der-zeit-und-der-zukunft-angemessene-bildungsplae

Hirschlgruber
1 Jahr zuvor

Ich kann das Wort „Modellversuch“ nicht mehr hören! Seit fast 2 Jahrzehnten bin ich im Dienst und bereits bei meiner Vereidigung gab es Lehrermangel und „Modellversuche“. Dann kamen neue Bildungspläne, mit jeder Neuerscheinung wurden diese unnötig verkompliziert und neue Aufgabenfelder für die Lehrkräfte erschlossen, Stichwort „Kern-Curriculum“ und „Schul-Curriculum“. Statt -wie es auch Carsten60 treffend formuliert- Geld in die Hand zu nehmen oder der Realität ins Auge zu schauen und sich auf die das Wesentliche zu konzentrieren, erscheint mir die Unterrichtsvorbereitung heute zur Nebensache verkommen zu sein.
Dabei wäre es doch so einfach, nur ein paar arbeitserleichternde Vorgaben „von oben“ zu machen. Muss beispielsweise jede Schule selbst entscheiden, wie mündlich zu schriftlich im jeweiligen Fach gewichtet wird? Meine Erfahrung zeigt mir, dass Kollegien damit oft schon überfordert sind, weil die Mehrheit nicht versteht, was für mathematische Auswirkungen gewisse Veränderungen haben. Stattdessen wird emotional und nach aktueller Laune heraus entschieden und abgestimmt. Danach hatte ich mehrere Jahre Mehrarbeit, weil es nicht richtig funktionierte und dann auch irgendwann meine Kolleginnen zu dem Schluss kamen, dass es wohl nicht das gelbe vom Ei war.
Dann Zwangsfortbildungen, bei denen Versuchsschulen gesucht werden, für Ideen, die eine Mitarbeiterin am Seminar zusammen mit einer engagierten Kollegin erstellt hatte. Erfahrene Kolleginnen lehnten lauthals ab. Als Bonus durften die Schulen dann für dieses Programm auch noch bezahlen. Ein Vorteil für diese Kaffeefahrten war für die Veranstalter (Schulamt) noch, dass wir selbst anreisen mussten.
Wie viele Diagnosearbeiten sind mittlerweile Pflicht? Ich habe leider den Überblick verloren. Was passiert, wenn Förderbedarf festgestellt wird? (Ups, Lehrermangel, deshalb keine Stunden verfügbar.) Brauchen wir dann die Diagnosen, wenn sich sowieso nicht tut?
Wie passen eigentlich die Studien zu den beliebig verteilbaren Unterrichtsthemen? Genaugenommen müssten diese Studien ganz individuell zu verschiedenen Zeitpunkten an den Schulen geschrieben werden?! Bekommen wir schwäbischen Ureingeborenen eigentlich einen Nachteilsausgleich bei den Studien, weil unser Dialekt doch weiter von der Schriftsprache entfernt ist, als in anderen Regionen? Vielleicht liegt darin ja der Hund begraben?
Danke fürs Lesen, musste einfach mal zetern, weil ich keine Besserung für die Zukunft sehe.