Die Aufnahme von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine in deutschen Schulen ist nach Einschätzung der Kultusministerkonferenz (KMK) vielerorts «relativ geräuschlos» gelungen. Das deutsche Schulsystem habe eine «großartige Integrationsleistung» gestemmt, sagte die KMK-Vorsitzende, Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), am Dienstag. Es gebe aber auch Probleme und große Herausforderungen angesichts von Lehrkräftemangel, Belastungen durch die Pandemie und Zuwanderung von Schülerinnen und Schülern aus auch anderen Ländern.
Laut einer Umfrage des Mediendienstes Integration gehen die Bundesländer teils unterschiedliche Wege, um die rund 201.000 aus der Ukraine geflüchteten Schüler zu unterrichten. Mancherorts lernen die Kinder und Jugendlichen in diesem Schuljahr in Regelklassen – das gelte für Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und das Saarland. In einigen Ländern – Baden-Württemberg, Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein – würden sie zunächst überwiegend getrennt unterrichtet, in Willkommens- oder Vorbereitungsklassen. Gemeinsames Lernen sei dann aber etwa in Musik, Sport oder Englisch oft möglich.
“Studien zeigen, dass ein separater Unterricht zu vielen Risiken und Nachteilen führen kann”
In Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt gebe es verschiedene Modelle, schilderte der Mediendienst nach Abfrage unter den Ministerin aller Länder. Die Soziologin und Integrationsforscherin Julianne Karakayali sagte, es gebe «einen bunten Flickenteppich zur Beschulung» in Deutschland. Studien zeigten, dass ein separater Unterricht zu vielen Risiken und Nachteilen führen könne. In dieser «Art Parallelsystem» fehlten oft feste Vorhaben zum Unterrichtsinhalt sowie ausgebildete Fachkräfte. Erfahrungen aus den Vorjahren zeigten, dass die Lernergebnisse in Willkommens- oder Vorbereitungsklassen oft schwächer seien, unterstricht die Wissenschaftlerin der Evangelischen Hochschule Berlin. Eine aktuelle Studie unterstreicht den Befund (News4teachers berichtete).
Ukrainische Lehrkräfte seien zwar in hoher Zahl in Deutschland angekommen. Sie würden aber überwiegend als «irgendwie geartetes pädagogisches Personal» eingesetzt, monierte Karakayali. Große Sorge bereite, dass viele geflüchtete Schüler aus der Ukraine auf einen Schulplatz warten müssten.
Ein Hilferuf des Bayerischen Philologenverbands sorgte vor zwei Wochen für große Resonanzen. «Wir sind Experten in unseren Fächern. Im Regelfall sind wir aber keine Dolmetscher für Ukrainisch oder Russisch, wir sind auch keine Traumaexperten, und unser Zeitkontingent gewährt es auch nicht, psychosoziale Unterstützung im Einzelfall zu leisten», sagte der Vorsitzende Michael Schwägerl. «Wir brauchen zusätzliches Personal zum Organisieren, Verwalten, Auffangen, Betreuen, Begleiten.» (News4teachers berichtete auch darüber.)
Die KMK habe keinen Überblick, um wie viele unversorgte Schüler es sich in den einzelnen Bundesländern handele, sagte Prien. Nach ihrer Beobachtung hat das Problem aber seit dem Sommer nachgelassen. Da Schulpflicht bestehe, müssten notfalls zum Beispiel Container aufgestellt werden. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs haben Schulen hierzulande nach KMK-Zahlen 201.000 Schüler aus der Ukraine aufgenommen. Die meisten (38.145) lernen in NRW, gefolgt von Bayern (29.374) und Baden-Württemberg (28.301).
Inzwischen will ein großer Teil der Flüchtlinge bleiben und ist daher an einer Integration der Kinder ins Bildungssystem interessiert
Gemäß Beschluss der Kultusministerkonferenz bieten staatliche Schulen keinen Unterricht nach ukrainischem Lehrplan an. Viele Schüler aus der Ukraine nehmen laut Mediendienst nachmittags aber an zusätzlichen Online-Angeboten aus der Ukraine teil – und seien damit doppelt belastet.
Die Zahl dieser Schüler nimmt nach Angaben des Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen allmählich aber ab. Unmittelbar nach Kriegsbeginn saßen die meisten geflüchteten Frauen mit ihren Kindern noch auf gepackten Koffern, um schnell in die Ukraine zurückzukehren, berichtete Netzwerk-Sprecherin Natalie Roesler. Inzwischen wolle ein großer Teil bleiben und sei daher an einer Integration ihrer Kinder ins Bildungssystem interessiert. Auch nach Worten von Roesler warten viele aber noch auf einen Schulplatz.
Laut Mediendienst müssen Lehrkräfte aus der Ukraine den normalen Anerkennungsprozess durchlaufen, um hierzulande als Lehrer arbeiten zu können – die Hürden seien hoch. Prien stellte klar, dass bestimmte Mindeststandards und Qualifikationen erforderlich seien. Die meisten Lehrer aus der Ukraine verfügten nur über einen Bachelor-Abschluss, die deutschen Kollegen hingegen zwingend über ein zusätzliches Referendariat und einen Master. Hinsichtlich bürokratischer Fragen rund um eine Anerkennung schraube man die Anforderungen aber auf ein Minimum herunter.
Auch die KMK-Vorsitzende mahnte: «Es darf kein paralleles Schulsystem entstehen». Willkommens- und Vorbereitungsklassen könnten aber durchaus sinnvoll sein, besonders für die etwas älteren Schüler. Die Einschätzung in den Bundesländern dazu falle allerdings unterschiedlich aus. News4teachers / mit Material der dpa
Nun ja, die KMK hat halt keine Ahnung vom echten Leben vor Ort. Von den Problemen erst recht nicht.
Vor allem die jugendlichen Ukrainerinnen möchten lieber ihren ukrainischen Onlineuntericht machen. Viele linken sich sofort nach Schulschluss dort ein und machen sogar für ihre Heimatlehrkräfte Aufgaben.
Was für eine Zerreißprobe für diese jungen Menschen. Schämen sollten wir uns. Einfach sture Integration zu erwarten. Echte Hilfe schaut anders aus. Gefühlt steht das Jobcenter an den Klinken unserer Schultüren, für zukünftige Pflegekräfte usw.
Freilich ist Hilfe nie uneigennützig, aber da läuft nicht für alle, aber für manche ukrainischen Schüler*innen etwas schief.
Für was genau sollten wir uns schämen? Dafür, dass wir ukrainischen Schülern frecherweise auch deutschen Unterricht anbieten? Leute!
Wir sollten uns schämen, dass wir keine Kompromisse schließen. Die Jugendlichen, ich spreche nicht von Kindern, müssen an eine Schule in vollständiger Präsenz, sonst macht das Jobcenter ihren Müttern Probleme.
Bei uns sitzt seit Juni eine 15-Jährige in der 8. bzw. nun 9. Klasse. Sie bekommt zwei Stunden Deutschunterricht. Ansonsten lassen wir ihr die Ohrenstöpsel, wann immer sie mag. Denn sie ist dann bei ihrem heimischen Onlineunterricht dabei. Sie möchte den Kontakt nicht verlieren und am liebsten zu ihrem Vater heim.
Aber Hauptsache, sie sitzt in einer Klasse.
Wer ist denn bitte „wir“? Ich habe diese Entscheidung des pflichtigen Vollzeit-Schulbesuchs nicht zu verantworten, und sowohl ich als auch meine Kollegen stehen dem jetzigen Modell äußerst kritisch gegenüber. Richten Sie Ihre Kritik bitte an die Kultusministerien, welche diesen Beschluss gefasst haben!
Das ist selbstverständlich. Doch ich bin schon auch Teil des Systems, ob ich es gut finde oder nicht.
Wieder einmal wird sichtbar, wie weit die KMK und auch die übrige Schulverwaltung von der Realität an den Schulen entfernt sind.
Folgende Realität erlebe ich als Lehrerin: Die ukrainischen SchülerInnen werden in bereits zu volle Klassen gestopft, wo sie nicht so betreut werden können, wie sie es bräuchten. In Vorbereitungsklassen werden die am wenigsten pädagogisch ausgebildeten Kräfte eingesetzt. Oft sind es 6-8 verschiedene Lehrpersonen, die diese Klasse betreuen,- in der Regel ohne Konzept und langfristige Perspektive, oft auch ohne Material. Für die Lehrkräfte ist es ein immense Zusatzbelastung, es gibt kaum Unterstützung durch die Schulämter.
Dass die KMK dies als “geräuschlose Integration” bezeichnet, wirft einen interessanten Blick auf ihre Sichtweise: “Geräuschlos” als oberstes Ziel eines pädagogischen Systems. Sollte nicht lieber “erfolgreich” das oberste Ziel sein?
“Geräuschlos” vermutlich auch, weil wir nicht laut genug sind…(:
Und wieder wird deutlich und transparent, dass “die KMK-Vorsitzende, Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU)” keine Ahnung hat.
Tja, fast geräuschlos ist es tatsächlich. Macht ja auch nicht viel Krach, einfach noch ein paar Stühle mehr in eine Klasse zu stellen.