Wissenschaftler: Übernahme schulischer Unterstützung durch Jugendzentren darf kein Dauerzustand werden

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HAMBURG. In einer aktuellen Studie haben Hamburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die offene Kinder- und Jugendarbeit in der Hansestadt untersucht. Einrichtungen wie Jugendzentren und Jugendclubs hätten viele Aufgaben übernommen, die gewöhnlich von Schulen geleistet würden. Das dürfe kein Dauerzustand werden.

Jugendzentren und ähnliche Einrichtungen der offenen Jugendarbeit bilden ein wichtiges institutionelles Gefüge des Aufwachsens von jungen Menschen. Für viele Jugendliche sind sie wichtige Rückzugsorte und Schutzraum zugleich, an denen Fachkräfte für eine positive Atmosphäre sorgen, die sie wesentlich bei der Bewältigung der an sie gestellten Aufgaben unterstützt. Insbesondere während der Corona-Pandemie suchten viele Jugendliche dort Hilfe für die Bewältigung ihrer Schulaufgaben. Das unterstreichen die Ergebnisse einer qualitativen Befragung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) unter 87 Jugendlichen zwischen 13 und 25 Jahren zur Bedeutung von Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit.

Zwei junge Frauen an einem runden Tisch mit Büchern und multiple choice test darauf.
Einrichtungen der offenen Kinder. Und Jugendarbeit haben in der Pandemie viele Lücken in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen gestopft. Foto: Sarah Noltner / Unsplash.com (U. L.)

In der Studie werteten die Forscherinnen und Forscher 69 qualitative Interviews mit Fachkräften, Expertinnen und Experten, 87 quantitative Online-Fragebögen sowie 28 Gruppendiskussionen mit 87 Jugendlichen in Hamburg aus. Mehr als 250 Beteiligte aus Praxis, Behörden und Verbänden diskutierten in Online-Fachdiskuren die Ergebnisse.

Auch beim Übergang von der Schule in den Beruf nähmen die Einrichtungen für die jungen Menschen eine wichtige Rolle ein, so die Studie. „Dank eines Mitarbeiters dort habe ich meinen ersten Schulabschluss“, hätte etwas ein junger Erwachsener die Bedeutung der Einrichtung Offener Kinder- und Jugendarbeit in Hamburg beschrieben, die er regelmäßig besucht. Eine andere Jugendliche äußerte: „Für mich ist es ein Rückzugsort, wo man halt gleichzeitig auch was erleben kann.“

Die Einrichtungen seien außerdem wichtige Treffpunkt mit Freunden. Die Jugendlichen fühlten sich dort von den Fachkräften akzeptiert, verstanden und unterstützt. Die Angebote seien vielfältig und vor allem kostenlos. „Das macht die Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit für viele junge Menschen gerade in einer Großstadt wie Hamburg unersetzlich. Sie sind Orte, an denen sie selbst gestalten können und Unterstützung in Alltagsfragen und Krisenzeiten erhalten“, betont Gunda Voigts, Leiterin der Befragung, die im Rahmen des Forschungsprojekts „Kinder- und Jugendarbeit in Corona-Zeiten“ der HAW stattfand.

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Insbesondere während der Pandemie hätten viele der Jugendlichen die Einrichtungen für die Bewältigung der schulischen Anforderungen genutzt. So nahmen sie etwa gemeinsam am Homeschooling teil und hätten sich gegenseitig beim Lernen geholfen.

Beim Übergang von der Schule in den Beruf erhielten die jungen Berufseinsteigerinnen und -einsteiger Unterstützung beim Schreiben von Bewerbungen, bei der Suche nach Ausbildungs- oder Studienplätzen und profitierten nach eigenen Worten von den Vernetzungen und dem Wissen der Fachkräfte in den Einrichtungen.

„Mitarbeitende in den Einrichtungen sind wichtige Vertrauenspersonen und verlässliche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in schulischen, familiären oder psychischen Krisen. Die Jugendlichen fühlen sich bei ihnen gut beraten“, resümiert in diesem Sinne Voigts Kollegin Thurid Blohm, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt.

Die Studie bildet die Basis von 15 Handlungsempfehlungen für die zukünftige Ausrichtung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Hamburg. Beispielsweise sei es unumgänglich, die Übernahme schulischer Unterstützungsleistungen durch die Einrichtungen nicht als Dauerzustand zu akzeptieren. Politisch Verantwortliche müssten vielmehr dafür sorgen, dass Schulen gerade auch in Pandemiezeiten in die Lage versetzt würden, alle jungen Menschen zu erreichen und ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden. (zab, pm)

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