Streit um das Fach Sozialkunde: Wie wird Demokratiebildung vermittelt?

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ERFURT. Die CDU-Landtagsfraktion von Thüringen fürchtet, dass das Bildungsministerium im Freistaat bald den Sozialkunde-Unterricht reduzieren will – und damit auch die politische Bildung von Jugendlichen. Der zuständige Minister hält das für eine unzulässige Verkürzung.

Braucht es ein Fach Sozialkunde, um die Funktionsweise der Demokratie zu vermitteln (und wenn ja: Wie viel davon?) Foto: Shutterstock

In der Debatte um die Zukunft der Sozialkunde an Thüringer Schulen hat Bildungsminister Helmut Holter (Linke) betont, dass politische Bildung für Schüler aus seiner Sicht nicht nur in diesem Fach stattfindet. Über die Wurzeln des Rechtsextremismus beispielsweise würden Schüler im Geschichtsunterricht viel lernen, sagte Holter am Mittwoch in Erfurt während einer Landtagsdebatte. Über Rassismus würden sie vor allem in Biologie wichtige Dinge lernen, über den Klimawandel in Physik. Das Fach Sozialkunde sei für die politische Bildung von Jugendlichen deshalb zwar zweifellos wichtig. «Aber es ist eben nicht das alleinige Fach.»

Tatsächlich sei es sein Ziel, die politische Bildung an den Schulen insgesamt zu stärken, sagte Holter. Dies sei eine Querschnittsaufgabe, bei der man nicht nur auf ein einzelnes Fach schauen dürfe. Wie diese Aufgabe am besten zu erledigen sei, dazu werde aktuell in seinem Haus ein umfassender Vorschlag erarbeitet. Es sei zu früh, einzelne Arbeitstände dieses Vorschlags mit Blick auf ein einzelnes Fach zu bewerten.

Die CDU-Landtagsfraktion hatte zuvor kritisiert, das Bildungsministerium plane, die politische Bildung an den Schulen im Freistaat deutlich zu reduzieren. Es gebe dort Pläne, über die Stundentafel bald weniger Zeit für den Sozialkunde-Unterricht zur Verfügung zu stellen. Damit klafften bei Rot-Rot-Grün Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander, sagte der bildungspolitische Sprecher der Union, Christian Tischner. Immerhin beteuerten Vertreter von Linke, SPD und Grünen regelmäßig, wie wichtig politische Bildung sei.

Wie Holter betonten auch mehrere Vertreter der rot-rot-grünen Landtagsfraktionen, die Überlegungen zur zukünftigen Gestaltung der Stundentafel seien noch im Entwurfsstadium. Erst wenn es ein konkretes Konzept gebe, lasse sich fundiert darüber beraten. «Wir werden uns im Bildungsausschuss wieder sprechen», sagte der Linken-Bildungspolitiker Torsten Wolf.

Die FDP-Abgeordnete Franziska Baum mahnte, es greife ohnehin zu kurz, regelmäßig darüber zu streiten, welche Fächer mit wie vielen Stunden in welcher Klassenstufe unterrichtet werden solle. Die entscheidenden Fragen seien andere, zum Beispiel: «Hast Du in zehn Jahren Schulbildung verstanden, wie das politische System der Bundesrepublik Deutschland funktioniert?» News4teachers / mit Material der dpa

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8 Kommentare
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GriasDi
10 Monate zuvor

Wie wird Demokratie vermittelt? In der Familie, durch Vorleben.

Bayer
10 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Die Frage ist trotzdem:
Kann die Schule gegensteuern, wenn in der Familie – immer öfter – Tendenzen und Gewohnheiten vorgelebt werden, die dem widersprechen?
Es braucht schon ganz viel demokratisch positiv erfahrene Schulsituazionen, um dagegen anzuleben.
Trotzdem, es ist wichtig, also nicht nachlassen.

Was denn nun? Und tschüss.
10 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Da aber schulische Demokratiebildung gescheitert ist, wird das nichts, obgleich „Schule […] die einzige gesellschaftliche Institution [ist], die alle jungen Menschen erreicht – und die einen Bildungsauftrag hat, der sich wiederum aus der Schulpflicht ergibt. Wer also sollte sonst für Demokratiebildung sorgen?“

https://www.news4teachers.de/2023/05/warum-ist-erdogan-auch-unter-jungen-tuerkischstaemmigen-so-beliebt-oezdemir-sieht-die-schulen-in-der-pflicht/#comments

Georg
10 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Wie kann Schule die Demokratie als attraktiveres Modell präsentieren? Mitsprachemöglichkeiten gibt es kaum, In vielen Fällen gibt es vom deutschen Staat nichts positives (Hartz IV mit allen Konsequenzen zum Beispiel).

Bayer
10 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Da sind wir absolut d’accord.

Julia
10 Monate zuvor

Demokratiebildung kann man nicht „vermitteln“, man kann anbahnen, Kompetenz oder Urteilsbildung ermöglichen etc.
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