Mutige Lehrkräfte, die sich gegen rechtsextreme Schüler und Eltern wehren: „Müssen mit Morddrohungen rechnen“

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Im Netz kursiert dieses Foto, das Schüler der Schule zeigen soll. Der Staatsschutz ermittelt deshalb. Foto: Screenshot

Nachdem sie rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule im brandenburgischen Burg öffentlich gemacht haben, rechnen die beiden Lehrkräfte mit Attacken gegen ihre Person. «Wir müssen damit rechnen, dass wir Übergriffe erleben, auch mit Morddrohungen müssen wir rechnen, mit körperlichen Übergriffen und mit Sachbeschädigungen», sagt Lehrer Max Teske in einem Interview mit den «Potsdamer Neuesten Nachrichten». Er wisse das aus eigener Erfahrung und von Geschichten Betroffener, die wegen ihres politischen Engagements auf der Straße angegriffen worden seien. Deswegen sei man auch in engem Austausch mit dem Staatsschutz.

Einschüchtern lassen sich die beiden aber nicht: Mittlerweile geben sie Interviews unter ihrem Namen und mit Fotos. Teske beschreibt im aktuellen Gespräch, dass er bereits in seiner Schulzeit in Spremberg (Spree-Neiße) «sehr stark» von rechter Gewalt betroffen war. Es habe tagtäglich Konftrontationen gegeben, auch körperliche Übergriffe, sagt der 31-Jährige. Deshalb sei er sensibilisiert.

Er und seine Burger Kollegin Laura Nickel hatten in einem anonymen Brief geschildert, sie seien an der Schule im Spreewald täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert. Es gebe Hakenkreuze auf Möbeln, rechtsextreme Musik im Unterricht und demokratiefeindliche Parolen in den Schulfluren. Zudem erlebten sie eine «Mauer des Schweigens», hieß es. «Ich bin hier immer gerne zur Arbeit gegangen, das tue ich nach wie vor. Jetzt habe ich manchmal ein mulmiges Gefühl», sagte Nickel.

«Ich hätte niemals gedacht, dass wir hier derart mit rechten Strukturen kämpfen müssen – so naiv, wie ich war»

Mittlerweile gebe es ein Umdenken, allerdings hätten Teile des Kollegiums nach wie vor kein Verständnis für die Öffentlichmachung des Problems, sagte Nickel, die bereits an Schulen in anderen Regionen gearbeitet hat. Da sei alles anders gewesen als in Burg. «Ich hätte niemals gedacht, dass wir hier derart mit rechten Strukturen kämpfen müssen – so naiv, wie ich war.» Vor Kurzem wurde an der Schule eine Landtagswahl simuliert. Ergebnis: eine Regierungskoalition aus NPD und AfD.

Die Leiterin der Schule in Burg will das Problem trotz allem nicht so hoch hängen. Die Jugendlichen, die auf einem Foto ihre Arme zum Hitlergruß nach oben streckten, seien nichts weiter als wichtigtuerische Draufgänger. Gegenüber der «Zeit» sagte sie: «Diese Jungs sind Teenager, sie sind in der neunten Klasse und suchen ihren Platz. Sie wollen sich ausprobieren.»

Zwei 15-jährige Schülerinnen sehen das nicht so locker.  Auch sie haben einen Brief geschrieben, der auf einer Kundgebung gegen die rechtsradikalen Umtriebe vergangene Woche vor dem Schulamt in Cottbus öffentlich verlesen wurde. «In den Pausen kommen uns Schüler:innen mit gehobener Hand, dem sogenannten Hitlergruß entgegen …», so heißt es darin, «doch die meisten Lehrer:innen schauen nur weg und unternehmen nichts. Auch im Unterricht macht man sich über Schüler: innen, die die rechtsradikale Einstellung nicht vertreten, lustig und man bekommt Sätze wie zum Beispiel ‚Ihr scheiß linken Zecken, geht ’nen N*gga ficken und frisst seine Scheiße‘ zu hören.» Rechts zu sein, sei zur Norm geworden, sagen die beiden. Wer nicht mitmache, dem drohe die Ausgrenzung. «Mittlerweile ist dieses Verhalten schon so weit, dass Schülerinnen Angst haben, denn sie wissen nicht, wozu diese Leute an ihrer Schule noch fähig sind.»

«Wir werden nicht aufhören, da den Finger in die Wunde zu legen und wir werden so lange weiter stochern, bis hier alle aufgewacht sind»

Die beiden Lehrkräfte Teske und Nickel betonten, dass sie sich weiter für Vielfalt und gegen Diskriminierung an ihrer Schule einsetzen werden. Die Demonstration in Cottbus sei erst der Auftakt gewesen. «Wir werden nicht aufhören, da den Finger in die Wunde zu legen und wir werden so lange weiter stochern, bis hier alle aufgewacht sind», versprach Teske. Ziel sei es, in Südbrandenburg, vielleicht in ganz Brandenburg, ein Netzwerk zu schaffen, in dem sich Lehrkräfte, Eltern und Schüler dazu austauschen könnten. Mit Schulen in Spremberg, Cottbus und Forts sei man bereits in Kontakt. Gefragt, ob der Brief eine Wirkung wie erhofft erzielt habe, antwortete Teske: «Wir haben eine viel größere Öffentlichkeit erreicht, als wir uns vorstellen konnten.»

Mittlerweile hat sich auch der Bundespräsident eingeschaltet. Wie könne es sein, dass Neonazi-Propaganda von größeren Schülergruppen offen zur Schau gestellt werde und das so lange kaum Konsequenzen habe, fragte Frank-Walter Steinmeier gegenüber dem «Stern». Mit noch größerer Besorgnis sehe er die rassistischen Anfeindungen gegen eine Berliner Schulklasse in einem Feriencamp am Frauensee. (News4teachers berichtete). Die Menschenwürde sei Kern unserer Demokratie. Die Verherrlichung der Nazi-Verbrechen, rassistischer Hass, Mobbing und Gewalt – all das dürfe niemals Normalität sein. Der Staat müsse auch mit dem Mitteln der Strafverfolgung dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder vorkomme. News4teachers / mit Material der dpa

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Lukas
11 Monate zuvor

Ganz schwach von der Schulleiterin, dass sie diese mit „jugendlichem Leichtsinn“ zu relativieren versucht. Diese Jugendlichen wissen, was sie da tun. Wenn man bei Hitlergruß und Verherrlichung der NS-Zeit nicht durchgreift, wann denn dann?

Anne S.
11 Monate zuvor
Antwortet  Lukas

In Deutschland wird nicht mehr „durchgegriffen“ (was auch immer das bedeuten soll). Wenn du dich an solchen Lappalien störst, ist dein Fell nur einfach nicht dick genug.

Bitte nicht rumjammern, mehr Yoga machen!

(Zur Sicherheit: Bitterer Sarkasmus könnte vorhanden sein)

Last edited 11 Monate zuvor by Anne S.
DerechteNorden
11 Monate zuvor

Was für eine Schulleitung ist das denn, bitte?!

Fresh L
11 Monate zuvor

Erschreckend. Schulen wie diese werden wohl die neuen Brennpunkt-Schulen in Deutschland.

Fakten sind Hate
11 Monate zuvor
Antwortet  Fresh L

Das oben beschriebene Geschehen ist noch harmlos gegen das, was ich so an meiner Schule beobachte. Nur eigenen sich diese Dinge nicht so, um in Medien eine Story der Empörung zu erzählen.

Der „Aluha Akbar VS LGBTQ“ – Auflauf wurde in den Medien eher weniger beachtet. Genauso die „Demonstrationen“ gegen die Kurden, bei denen dann unbeteiligte Kurden in den Cafes angegriffen werden.

Lukas
11 Monate zuvor
Antwortet  Fresh L

Sie scheinen nicht in Schulen zu arbeiten oder gearbeitet zu haben. Ansonsten wüßten sie, dass es in der Regel Brennpunktschulen gibt, die sich zwar auch durch Diskriminierung auszeichnen, diese aber durch ein anderes Klientel verursacht wird. Ich muss aufpassen, wie ich mich hier ausdrücke, da ich hier schon oft als „rechts“ bezeichnet wurde.

Fresh L
11 Monate zuvor
Antwortet  Lukas

Sie scheinen Kommentare nicht aufmerksam genug zu lesen.
Ansonsten wüßten Sie, dass ich von „NEUEN“ Brennpunkt-Schulen schrieb.

da ich hier schon oft als „rechts“ bezeichnet wurde.“

Wie können einige Personen bloß solch hanebüchenen Schlüsse ziehen?

Indra Rupp
11 Monate zuvor

Und wenn sich die linken Schüler*innen nicht mehr zur Schule trauen, gibt’s ein Bußgeld und Straße fegen. Und wenn sie dann wieder hingehen und ihnen passiert etwas, dann spricht die Schulleitung und die Politik vor versammelter Gesellschaft, von einem unfassbarem Ereignis und einem ganz traurigen Tag, „meine Gedanken sind bei den Angehörigen..“ blabla.

Ich muss da mal was loswerden
11 Monate zuvor

Wenn die Schulleiterin inaktiv bleibt, macht sie sich zur Mittäterin. Von wegen, die Jugendlichen probieren sich aus. Das ist knallharter Rechtsextremismus, und der untergräbt ihre eigene Authorität an der Schule. Sie wird bald sehr merken, dass ihr alles aus dem Ruder laufen wird und sie die Kontrolle über den Schulalltag verliert.

Ich muss da mal was loswerden
11 Monate zuvor

Aber hier muss auch der Staatsschutz ran. Da rotten sich gemeingefährliche Charaktere zusammen, die in ihrem Leben noch nicht einen einzigen Beitrag zu dem Land und der Nationalität geleistet haben, auf die sie sich in ihrer Ideologie berufen und worauf sie stolz sind. Nur weil sie hier geboren sind, haben sie kein Anrecht darauf, sich als was besonderes darzustellen.

Konfutse
11 Monate zuvor

Entweder ich habe es beim Querlesen überlesen, den Text nicht sinnerfassend verstanden oderoderoder:
Ich suchte nach den Begriffen “die sich schützend vor die Lehrkräfte stellende Schulaufsichtsbehörde“, ein „vom Kultusministerium entschiedenes Handeln gegen die Bedrohung der LK und gegen die rechtsradikale Gesten und Handlungen“.
Kann mir jemand helfen, die Textstellen zu finden?

J.kroeck
11 Monate zuvor

Vom staatsschutz abgeführt??? …da hat man ja mal richtig durchgegriffen….?!!!! Der staatsschutz scheint ja wohl unterbeschäftigt zu sein?!