CDU will verpflichtende Sprachförderung in Kitas (das hat allerdings einen Haken)

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BERLIN. Die CDU will mit verpflichtenden Deutschkursen für Vorschulkinder mit Sprachdefiziten und einer engeren Verzahnung von Kitas und Schulen die Bildungschancen von Kindern verbessern. Dies geht aus einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Entwurf für einen Leitantrag des CDU-Bundesvorstands hervor, der auf dem Kleinen Parteitag an diesem Freitag in Berlin beschlossen werden soll. Die Initiative klingt gut – hat aber einen Haken.

Will mit Bildungspolitik punkten: CDU-Chef Friedrich Merz. Foto: Shutterstock / photocosmos1

Carsten Linnemann, seinerzeit Vize-Chef der Unionsfraktion im Bundestag, sorgte 2019 für Wirbel. Er forderte, dass Kinder ausrechend Deutsch sprechen müssen, bevor sie an der Grundschule aufgenommen werden. «Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen», sagte er. Der CDU-Politiker schlug für betroffene Kinder eine Vorschulpflicht vor. Notfalls müsse eine Einschulung auch zurückgestellt werden, sagte er.

Damals erntete er harschen Widerspruch – auch aus der eigenen Partei. Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) nannte Linnemanns Idee «populistischen Unfug». Kinder bei der Einschulung außen vor zu lassen, sei der «völlig falsche Weg». «Im Jahr 100 nach Einführung der Schulpflicht», so erklärte sie mit Blick auf die Weimarer Verfassung von 1919, sollten gerade Christdemokraten «auf die soziale und gesellschaftliche Errungenschaft einer allgemeinen Schulpflicht hinweisen“, sagte Prien (News4teachers berichtete).

Mittlerweile gehören Prien und Linnemann beide dem Vorstand der Bundes-CDU unter dem Vorsitzenden Friedrich Merz an. Und zumindest die Idee, Kinder vor der Einschulung bei Bedarf verpflichtend zu fördern, nimmt wieder an Fahrt auf. In einem elfseitigen Papier, das am Donnerstagabend vom gesamten CDU-Vorstand verabschiedet und am Freitag den 158 Delegierten des sogenannten CDU-Bundesausschusses vorgelegt werden soll, verlangt die CDU «einheitliche Standards zur Einführung einer frühen, flächendeckenden Diagnostik zur Abbildung des Entwicklungsstands von Kindern im Kita-Alter» von drei bis vier Jahren.

Neben Sprachstand und Wortschatz, mengen- und zahlbezogenem Wissen sollten auch Motorik und Selbstregulation berücksichtigt werden, heißt es in dem Papier unter dem Titel «Kinderzukunftspaket für Deutschland. Chancen eröffnen.» Auch Kinder, die keine Kita besuchen, und Kinder in der Tagespflege sollten insbesondere mit Blick auf die Sprachförderung auf einen zusätzlichen Förderbedarf getestet werden. Für alle Kinder, bei denen ein Förderbedarf festgestellt werde, solle es dann eine «verpflichtende, qualitativ wirksame und durchgehende vorschulische Förderung» geben, heißt es in dem Entwurf. Davon, Kinder einfach bei der Einschulung außen vor zu lassen, ist keine Rede mehr.

Weitere Punkte: Die CDU will das Kindergeld nach dem Entwurf bedarfsgerecht anpassen und mit dem Kinderzuschlag und dem Bildungs- und Teilhabepaket zu einem «Kinderzukunftsgeld» ausbauen. Alle staatlichen Familienleistungen sollten künftig in einem digitalen Portal abrufbar sein. Die von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) geplante Kindergrundsicherung, die auf eine deutlich höhere finanzielle Förderung hinauslaufen soll, lehnt die CDU ab. Die Zuständigkeit für die frühkindliche Bildung und die Kitas soll in den Ländern bei den Bildungsministerien angesiedelt werden.

Der Haken: Woher soll denn das Personal kommen, das dann für eine bessere Frühförderung sorgt? In Kitas herrscht akute Personalnot. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung fehlen in Deutschland rund 380.000 Kita-Plätze, um den Betreuungsbedarf zu decken (News4teachers berichtete auch darüber). Um der Nachfrage gerecht zu werden, müssten dafür knapp 100.000 Fachkräfte eingestellt werden, hieß es – doch selbst wenn das Geld dafür vorhanden wäre: Es gibt die Menschen nicht. Der Arbeitsmarkt für Pädagoginnen und Pädagogen ist leergefegt.

Das gilt auch für die Schulen, insbesondere die Grundschulen. Die Kultusministerkonferenz spricht aktuell von 12.000 unbesetzten Lehrerstellen in Deutschland (vorwiegend eben an Grundschulen); der Lehrerverband VBE geht nach einer Umfrage unter Schulleitungen sogar von 50.000 vakanten Stellen aus. Tendenz: steigend, wie unlängst ein Gutachten im Auftrag der Kultusministerkonferenz ergab (News4teachers berichtete ebenfalls).

Dazu heißt es im CDU-Papier lediglich:  Für Kitas und Schulen in «sozial herausfordernden Lagen» solle es höhere finanzielle Zuwendungen und eine bessere Personalausstattung geben. News4teachers / mit Material der dpa

Kita-Fachkräftemangel – „Es muss offen darüber gesprochen werden, was die Einrichtungen überhaupt noch leisten können“

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Chapeau Claque
10 Monate zuvor

Über 16 Jahre das deutsche Ruder fest in der Hand gehabt und nun ohne Personalperspektive zur Saure-Gurken-Zeit eine Kehrtwende initieren wollen. Wo bleibt eine Nessie-Meldung?

OttoderKleine
10 Monate zuvor

Ja, das hat einen Haken — aber dieser Haken ist offenbar derselbe, den die Forderungen nach kleineren Klassen auch haben: Mangel an Personal.

Rainer Zufall
10 Monate zuvor

Hoffentlich erinnert sich die Union wieder an ihre Vorschläge, wenn sie in Regierungsverantwortung ist….

Johannes
10 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Hoffentlich wird letzteres nie passieren….

Marc
10 Monate zuvor

Ich weiß nicht ob das was bringt. Das Sprachbad fehlt einfach. Wenn zuhause kein Deutsch gesprochen wird und in Kitas auch kaum einer Deutsch kann, was soll das eine Jahr bringen? Selbst nach 6 Jahren Kita würde ich keine signifikante Verbesserung erwarten. Dazu fehlen einfach die Sprachvorbilder. Ein deutscher Erzieher mit guten Sprachkenntnissen alleine wird es wohl nicht richten können, wenn alle anderen Kinder ebenfalls nur schlecht deutsch sprechen.

Pit2020
10 Monate zuvor

„Dazu heißt es im CDU-Papier lediglich: Für Kitas und Schulen in «sozial herausfordernden Lagen» solle es höhere finanzielle Zuwendungen und eine bessere Personalausstattung geben.“

https://www.youtube.com/shorts/YpJwYWQMuhY

447
10 Monate zuvor

Typische CDU-Idee mal wieder:
Weder Fisch noch Fleisch, weder konservativ (Leistung hoch, Verwöhnkurs runter) noch links-progressiv (Schwache stützen und Einbinden, mehr Hilfspersonal für Strauchelnde) orientiert.

Kann weg.
Frage mich ernsthaft, wer die noch wählt. Und warum, beim lieben Herrgott, warum nur?

Maggi
10 Monate zuvor

Wieder mal ein versuch dem Original ein Thema zu entwenden. Es wäre toll, wenn die CDU weniger populistische Politik machen würde und zur konstruktiven und realistischen Politik zurückkehren würde.

Erdfelder
4 Monate zuvor

Ermelinde
Habe zwei angeheiratete Enkelkinder aus Brasilien.
Die jüngere kam mit elf Jahren nach Deutschland.
Nach vier Jahre spricht sie kaum Deutsch, geschweige denn, dass sie eine Email schreiben kann.
Die Ältere ist seit 3 Jahren hier, hat die Schule abgebrochen und macht ab und zu einen Putzjob. Sie ist jetzt 20.
Sie leben total isoliert, treffen sich nur mit Brasilianern.
Ich hab 20 Jahre, bis zur Pensionerung,
Deutsch in der Sek 1 unterrichtet und kann ihnen gut helfen.
Aber sie fragen nur nach Hilfe wenn sie
massiven Druck von der Schule bekommen.
Die Jüngere wird wahrscheinlich auch keinen Hauptschulabschluss bekommen.
Ich finde das unglaublich, aber das ist kein Einzelfall.

Katrin
4 Monate zuvor
Antwortet  Erdfelder

Aber das liegt doch nicht an der Schule?