Forschungsbericht: Lehrkräfte in Integrationskursen trotz großer Herausforderungen zufrieden

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NÜRNBERG. Das Kernstück der staatlichen Angebote für neu in Deutschland ankommende Migrantinnen und Migranten sind die in der Regel 430 bis 1.000 Unterrichtseinheiten umfassenden Integrationskurse. Nun ist der dritte Zwischenbericht zum Projekt „Evaluation der Integrationskurse“ erschienen.

Die Mehrzahl der Lehrkräfte in Integrationskursen ist weiblich – und über 50. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Seit 2018 untersucht das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) die Wirkungsweise der Integrationskurse. Der dritte Zwischenbericht aus dem Projekt „Evaluation der Integrationskurse (EvIk)“ des Forschungszentrums des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) zeigt nun: Die Lehrkräfte sind aufgrund der heterogenen Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Ramona Kay fokussierten sich bei ihrere Untersuchung auf die beiden Kurstypen mit den höchsten Teilnehmerzahlen: den Allgemeinen Integrationskurs und den Alphabetisierungskurs. Von September 2021 bis April 2022 befragten sie rund 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, 350 Lehrkräfte und 200 Integrationskursträger jeweils zu Kursbeginn.

Deutsche Sprache als Bindeglied

„Eine heterogene Zusammensetzung in den Integrationskursen kann helfen, das Verständnis für Vielfalt und andere Kulturen zwischen den Teilnehmenden zu fördern. Die deutsche Sprache fungiert als verbindendes Element zwischen Menschen, die sich hinsichtlich des Geschlechts, der Herkunft, des Bildungsniveaus, des Alters und der Aufenthaltsdauer in Deutschland unterscheiden. Andererseits kann eine heterogene Teilnehmendenstruktur auch ein höheres Konfliktpotenzial hervorrufen und kann die Lehrkräfte vor besondere Herausforderungen stellen“, erklärt Dr. Pia Homrighausen, Co-Autorin des Zwischenberichts.

Bei den Alphabetisierungskursen zeigte sich die Lage etwas anders: Der Anteil an Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Fluchthintergrund war hier doppelt so groß wie bei denjenigen, die am Allgemeinen Integrationskurs teilnahmen. Die Kurszusammensetzung war hinsichtlich der Herkunft und Migrationserfahrungen damit deutlich homogener. Dennoch wirke sich dies nicht zwingend positiv auf die Erfolgsaussichten beim Spracherwerb aus, so die Wissenschaftler, da Personen mit Fluchthintergrund häufiger unter multiplen Problemlagen litten, die eine Fokussierung auf das Erlernen der deutschen Sprache zusätzlich erschwerten.

Im Vergleich zur Teilnehmerinnen- und Teilnehmerstruktur bei den Allgemeinen Integrationskursen waren die Alphabetisierungskurs-Teilnehmenden im Durchschnitt älter, der Anteil an Männern über 60 Jahre war höher und fast die Hälfte hatte nie eine Schule besucht. „Gerade in Alphabetisierungskursen ist es wichtig, dass gut qualifizierte Lehrkräfte unterrichten. Die Hälfte der Teilnehmenden dieser Kursart hat nie zuvor eine Schule besucht, der Anteil an primären Analphabetinnen und Analphabeten ist hoch und die Erfahrung mit gesteuertem Sprachenlernen im Unterricht dementsprechend niedriger“, erläutert BAMF-FZ-Soziologe Christian Babka von Gostomski die besonderen Herausforderungen, denen Lehrkräfte von Alphabetisierungskursen gegenüberstehen.

In beiden Kursarten, insbesondere aber in Alphabetisierungskursen, waren Frauen mit Kindern unter drei Jahren seltener vertreten als Männer – häufig war diesen Frauen der Besuch eines Integrationskurses erst mit Sicherstellung der Kinderbetreuung möglich. Die erhobenen Daten zeigten, dass bei männlichen Teilnehmenden die Kinder unter drei Jahren am häufigsten ausschließlich zuhause betreut wurden, wohingegen Teilnehmerinnen am häufigsten angaben, ihr Kind würde eine Kindertageseinrichtung besuchen.

„Diese Unterschiede deuten darauf hin, dass die Betreuung der Kinder in der Regel von den Frauen übernommen wird und diese einen Integrationskurs erst dann besuchen können, wenn eine Kinderbetreuungsmöglichkeit vorliegt. Vor Ort verfügbare Kinderbetreuungsangebote oder niederschwelligere Kinderbeaufsichtigungsangebote spielen daher eine wichtige Rolle beim Zugang von Müttern in den Integrationskurs“, resümiert Babka von Gostomskis Kollege Salwan Saif. Die im Rahmen der Studie befragten Kursträger gaben mehrheitlich an, zwar mindestens ein Zusatzangebot wie beispielsweise eine (Sozial-)Beratung für Migrantinnen und Migranten oder Räume zum Selbststudium bereitzustellen, jedoch bieten nur wenige eine kursbegleitende Kinderbetreuung oder -beaufsichtigung an. Als Gründe wurden fehlende Räumlichkeiten, hohe bürokratische Hürden sowie ein Mangel an geeignetem Personal genannt.

Hoher Altersdurchschnitt der zumeist weiblichen Lehrkräfte

Nicht zuletzt nahmen die Forscherinnen und Forscher auch die Unterrichtenden in den Integrationskursen in den Blick: Drei Viertel der Lehrkräfte von Integrationskursen sind weiblich, jede zweite Lehrkraft ist 50 Jahre oder älter. Insgesamt gaben sich die Lehrerinnen und Lehrer zufrieden mit ihrem Beruf. Obwohl Lehrkräfte von Integrations- und Alphabetisierungskursen Herausforderungen gegenüberstehen, war ihre Arbeitszufriedenheit hoch. 89 Prozent im Alphabetisierungskurs und 97 Prozent der Lehrkräfte allgemeiner Integrationskurse äußerten sich entsprechend.

Auch die Digitalisierung ist ein Thema unter den Kolleginnen und Kollegen. „Inzwischen verfügen viele Lehrkräfte über Erfahrung mit virtuellem Unterricht und dem Einsatz von digitalen Medien und integrieren diese in die Unterrichtsgestaltung. Eine Vermittlung von Sprachkenntnissen allein mit digitalen Unterrichtsformen wird jedoch mehrheitlich kritisch gesehen“, berichtet Christian Babka von Gostomski. Im Bereich der Unterrichtsgestaltung mit digitalen Medien, aber auch bezüglicher anderer Angebote sei das Interesse an Fort- und Weiterbildungen seitens der Lehrkräfte hoch. Viele von ihnen wünschten sich hierfür jedoch eine Kostenübernahme.

Gut qualifiziert und ethnisch vielfältig

Im Unterschied zu den allgemeinen Integrationskursen zeigte sich die Herkunft der Lehrkräfte bei den Alphabetisierungskursen vielfältiger: Hier gab weniger als die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer Deutschland als Geburtsland an. Grundvoraussetzung für das Unterrichten im Integrationskurs ist eine Qualifikation im Bereich Deutsch als Fremdsprache beziehungsweise Zweitsprache, die Lehrkräfte entweder über ein Studium oder eine spätere Zusatzqualifikation erzielt haben. Viele Lehrkräfte hatten Erfahrungen als Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer im Bereich der Erwachsenenbildung, bevor sie zumeist über eine Direktzulassung in das Integrationskurssystem eintraten.

Doch trotz hoher Arbeitszufriedenheit der befragten Lehrkräfte und einem stetig ansteigenden Bedarf haben fast zwei Drittel der Kursträger Schwierigkeiten, Lehrpersonal für die Kurse zu finden. Einmal gefunden halten sie aber offenbar an ihren Beschäftigungen fest. Im Jahr 2021 beschäftigte dabei jeder Träger durchschnittlich 5,1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unbefristeten Verträgen und damit deutlich mehr als es im Jahr 2020 waren (durchschnittlich 3,3 Mitarbeitende). Die durchschnittliche Anzahl an Honorarkräften, bezogen auf den Landkreis bzw. die kreisfreie Stadt, in der der Kurs befragt wurde, war dagegen von durchschnittlich 14 Honorarkräften in 2020 auf 11,2 in 2021 gesunken. (zab, pm)

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Lisa
11 Monate zuvor

Ich habe selbst solche Kurse gegeben. Die Arbeitszufriedenheit kommt daher, weil a. einem keiner reinredet und b. die Erwachsenen gerade aus den Fluchtländern doch so sozialisiert sind, dass eine Lehrerin eine Respektperson ist. In der muslimischen Welt kann sich die Frau jenseits der Fruchtbarkeit viel freier bewegen. Also höheres Alter war eher vertrauenserweckemd für die Schüler, ich empfand es für mich als Vorteil.