Gehaltsaussichten beinflussen die Studienwahl von Abiturientinnen – teilweise jedenfalls

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WIESBADEN/ESSEN. Wissen Abiturientinnen um die langfristigen Gehaltsaussichten bestimmter Studiengänge, entscheiden sie sich seltener für die geringer bezahlten „sozialen Studienfächer“. Darauf verweist eine Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung und des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Allerdings wenden sie sich anschließend nicht zwangsläufig den oftmals besserbezahlten Berufen in den Bereichen Ingenieurwesen und Naturwissenschaften zu. Eine mögliche Erklärung dafür liefert eine Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Demnach verfolgen Mädchen tendenziell nur dann eine MINT-Karriere, wenn ihre digitalen Kompetenzen überdurchschnittlich stark ausgeprägt sind.

Die Einkommensaussichten spielen eine entscheidende Rolle bei der Wahl des Studienfachs. Foto: Shutterstock/Krakenimages.com

Frauen verdienen in Deutschland nach wie vor weniger als Männer. Der Gender Pay Gap hängt dabei auch von der Studienfachwahl ab. In Berufen, in denen höhere Löhne erzielt werden, zum Beispiel in den Bereichen Ingenieurwesen und Naturwissenschaften, arbeiten immer noch weniger Frauen und es studieren auch weniger Frauen diese Fächer. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) und das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) wollten wissen, ob Informationen über Kosten und langfristige Gehaltsaussichten bestimmter Studienfächer Abiturientinnen und Abiturienten in ihrer Studienfachwahl beeinflussen. Die Basis der vor kurzem in der Fachzeitschrift „European Sociological Review“ veröffentlichten Studie bildet das Berliner Studienberechtigtenpanel mit Daten von über 1.000 Berliner Schülerinnen und Schülern mit einem hohen Anteil an bildungsfernen Haushalten.

Weniger Interesse für die geringer bezahlten „sozialen Studienfächer“

Ein Ergebnis der Auswertung: Schon eine zwanzigminütige Information zu den Kosten eines Studiums, den erzielbaren Gehältern nach Studienrichtungen sowie zu Finanzierungsmöglichkeiten eines Studiums führten dazu, dass junge Frauen sich seltener für die meist geringer bezahlten „sozialen Studienfächer“ entschieden. Stattdessen wählten sie häufiger andere nichttechnische Studienfächer. Bei den Männern stieg der Anteil derjenigen, die sich für ein technisches Fach mit überdurchschnittlichen Einkommensaussichten einschrieben.

Die Studie zeigt, dass das Wissen über spätere Gehaltsaussichten die Studienfachwahl von jungen Frauen beeinflussen und somit den Gender Pay Gap reduzieren kann, heißt es von Seiten des BiB. Ein weiteres gesellschaftliches Problem löst die bloße Information zu Verdienstmöglichkeiten aber nicht: den Fachkräftemangel in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT). Eine Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung auf Grundlage der Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) bietet eine mögliche Erklärung.

MINT-Karriere abhängig von digitalen Kompetenzen

Der RWI-Auswertung zufolge entscheiden sich Jugendliche mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine MINT-Karriere, wenn sie über hohe digitale Kompetenzen verfügen oder männlich sind. Obwohl zwischen Mädchen und Jungen in der 9. Klasse keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich ihrer digitalen Kompetenzen bestehen, verfolgen Mädchen nur dann eine Karriere im MINT-Bereich, wenn sie überdurchschnittliche digitale Kompetenzen in der 9. Klasse aufweisen. Für Jungen gilt dieser Zusammenhang nicht.

So steigt im Durchschnitt die Wahrscheinlichkeit für eine Karriere im MINT-Bereich um ungefähr 1,5 Prozentpunkte (etwa 4,6 Prozent), wenn die digitalen Kompetenzen um zehn Prozentpunkte zunehmen. Eine Erhöhung der digitalen Kompetenzen von Mädchen um zehn Prozentpunkte, lässt allerding deren Wahrscheinlichkeit, einen MINT-Beruf zu wählen, um 2,95 Prozentpunkte wachsen. Aufgrund der allgemein sehr geringen Wahrscheinlichkeit, dass Mädchen einen MINT-Beruf wählen, wäre dies eine Steigerung um etwa 25 Prozent. Die Studienautorinnen erklären dieses Verhalten mit Erkenntnissen aus der Psychologie: Jugendliche wählen vor allem Berufsfelder, in denen sie eigene Stärken vermuten. Mädchen neigen jedoch dazu, ihr wahres Potenzial bei den digitalen Kompetenzen zu unterschätzen.

„Weibliche Jugendliche brauchen daher verstärkt Vorbilder“

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass Jugendliche, bei denen mindestens ein Elternteil in einem MINT-Beruf arbeitet, sich tendenziell eher selbst für eine Karriere im MINT-Bereich entscheiden. „Weibliche Jugendliche brauchen daher verstärkt Vorbilder aus dem MINT-Bereich und eine Rückmeldung zu ihren Kompetenzen“, schlussfolgert RWI-Wissenschaftlerin Friederike Hertweck. „Zudem sollte der Aufbau digitaler Kompetenzen früh gefördert werden. Denn: Gerade in MINT-Berufen fehlen uns viele Fachkräfte.“ News4teachers (ach)

Das Nationale Bildungspanel
Im Rahmen des Nationalen Bildungspanels wurden die digitalen Kompetenzen von Jugendlichen in den Jahren 2010 und 2013 während der 9. und 12. Klasse getestet. Diese Jugendlichen wurden auch nach Beendigung der Schullaufbahn weiter zu ihren Bildungs- und Arbeitsmarktverläufen befragt, sodass Ausbildungs- und Karrierewege im MINT-Bereich ermittelt werden konnten.

Schon Abiturientinnen rechnen damit, im Beruf weniger zu verdienen als Männer

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