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Von wegen Inklusion: Bundesland “erlaubt” Eltern, gleich die Förderschule zu wählen

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In Sachsen-Anhalt können Kinder mit Lern-Beeinträchtigungen «auf Elternwunsch» ab sofort gleich in eine Förderschule statt in eine reguläre Grundschule eingeschult werden – mit Inklusion hat das nichts mehr zu tun, wie der Grundschulverband feststellt.

Kann von einem “integrativen Schulsystem” die Rede sein, wenn Kinder systematisch vom Regelschulsystem ausgesschlossen werden? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

«Bisher konnten Schülerinnen und Schüler nur in Ausnahmefällen bereits in die erste Klasse einer Förderschule eingeschult werden», erklärte ein Sprecher des Bildungsministeriums am Dienstag in Magdeburg. Mit der Anpassung einer entsprechenden Verordnung werde nun geregelt, dass letztendlich die Sorgeberechtigten entscheiden, in welcher Schulform ein Kind seine Bildungslaufbahn beginnt. Dazu gebe es wie bisher auch intensive Beratung bei der Abwägung, was das Beste für das Kind ist. Beratung – oder Druck, gleich die Förderschule zu wählen?

«Diese Kinder brauchen nicht frühestmögliche Exklusion, sondern ein anregendes Umfeld in der Regelschule»

Der Grundschulverband Sachsen-Anhalt befürchtet letzteres. «Statt günstige Rahmenbedingungen für gelingende Inklusion zu schaffen, bewirkt diese Änderung das genaue Gegenteil», so die Vorsitzende Thekla Mayerhofer. Der sonderpädagogische Förderschwerpunkt «Lernen» sei vorrangig ein Effekt sozialer Ausgrenzung und ungleicher Ressourcenverteilung in der Gesellschaft. «Diese Kinder brauchen nicht frühestmögliche Exklusion, sondern ein anregendes Umfeld in der Regelschule.» Mayerhofer forderte, reguläre Grundschulen für alle Kinder zu stärken und entsprechend zu professionalisieren.

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An den Förderschulen des Landes haben im Schuljahr 2022/23 rund 12.200 Schülerinnen und Schüler gelernt, davon etwa 4.200 im Förderschwerpunkt Lernen. Sachsen-Anhalt gehört schon jetzt zu den Bundesländern mit dem höchsten Anteil von Kindern mit offiziell festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf. Im Schuljahr 2020/2021 war laut Aktion Mensch davon jedes zehnte Schulkind betroffen (9,9 Prozent) – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Auch bei der Exklusionsquote, dem Anteil der Schülerinnen und Schüler an Sonder- bzw. Förderschulen, lag Sachsen-Anhalt mit 6,5 Prozent im Bundesländer-Vergleich an der unrühmlichen Spitze.

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die der Bundestag 2009 ratifiziert und damit zum Gesetz in Deutschland gemacht hat, schreibt in Artikel 24 ein „integratives Schulsystem auf allen Ebenen“ vor. Die Exklusionsquote – die Zahl der Schülerinnen und Schüler an Sonder- bzw. Förderschulen also – stagniert in Deutschland jedoch seit Jahren. Erst im vergangenen Sommer wurde Deutschland zum zweiten Mal einer Staatenprüfung der Vereinten Nationen zur Umsetzung der UN-BRK unterzogen – und kritisiert.

Der zuständige Fachausschuss forderte die Regierungen in Bund und Ländern auf, Förderschulen abzubauen und die inklusive Entwicklung des Schulsystems zu beschleunigen. Deutschland, so hieß es, solle dafür sorgen, dass die Bundesländer endlich Aktionspläne aufstellen, die mit den Vorgaben übereinstimmen (News4teachers berichtete). News4teachers / mit Material der dpa

Mangelhafte Inklusion: „Vielen Eltern bleibt keine ernsthafte Wahl, als ihr Kind an einer Förderschule anzumelden“

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