Lehrermangel: Ministerin greift nach pädagogischen Fachkräften (zum Nachteil der Kitas?)

0

SCHWERIN. Mecklenburg-Vorpommern ergreift neue Maßnahmen, um dem anhaltenden Fachkräftemangel im Bildungsbereich zu begegnen. Im kommenden Jahr sollen multiprofessionelle Fachkräfte die Schulkollegien ergänzen. Allerdings: Ein zentraler Bestandteil dieser Strategie ist die gezielte Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften, auch Erzieherinnen und Erziehern. 

Um den Lehrkräftemangel abzumildern, greift die Bildungsministerin von Mecklenburg-Vorpommern nun nach den pädagogischen Fachkräften. Symbolfoto: Shutterstock/Masson

„Mit den multiprofessionellen Fachkräften stärken wir die pädagogische Arbeit an unseren Regionalen Schulen und Gesamtschulen“, erklärt Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke). Angesichts immer heterogenerer Klassen sei der Modellversuch eine Möglichkeit, die pädagogischen Ressourcen des Landes gezielt zu erweitern. Auch die Inklusionsstrategie des Landes profitiere vom Pilotprojekt.

Vielseitiges Aufgabenfeld

Der Aufgabenbereich der neuen Fachkräfte ist dem Bildungsministerium zufolge breit gefächert: Neben der Lehrtätigkeit sollen sie beim Unterrichten von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt unterstützen. In enger Abstimmung mit den zuständigen Lehrkräften sollen sie zudem Einzel- und Gruppenförderung von Schüler*innen übernehmen, in der Beratung von Erziehungsberechtigten tätig werden und an Berichten, Beurteilungen, Förderplänen sowie Zeugnissen mitwirken. Ebenfalls sollen sie sich bei der Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung unterrichtsbegleitender Maßnahmen und anderen schulischen Veranstaltungen sowie in die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen sozialen, schulischen und medizinischen Einrichtungen einbringen.

Den Modellversuch möglich macht das geänderte Lehrerbildungsgesetz. Dieses ebnet den Weg für Pilotprojekte mit Qualifizierungsangeboten für Lehrkräfte im Seiteneinstieg, die zu einer höheren Unterrichtsabsicherung führen. Die neue Ausbildung wird nach Angaben des Bildungsministeriums in die bereits bestehende Seiteneinstiegsqualifizierung integriert. Sie soll berufsbegleitend erfolgen und sich über einen Zeitraum von vier Jahren erstrecken. Geplant ist, dass die angehenden multiprofessionellen Fachkräfte (mpF) die „Grundlegende Pädagogische Qualifizierung“ (GPQ) und die „Modularisierte Qualifizierungsreihe“ (MQR) durchlaufen. Nach erfolgreichem Abschluss und dem Nachweis hauptberuflicher Lehrtätigkeit sollen die Fachkräfte schließlich eine Lehrbefähigung erhalten. Der Modellversuch sieht 50 Stellen vor, die das Land bis zum 1. Januar 2025 besetzen will.

Gesucht: pädagogische Fachkräfte – wie staatlich anerkannte Erzieherinnen und Erzieher

Die Voraussetzungen für eine Bewerbung auf die neuen Stellen lassen allerdings aufhorchen: Bewerben können sich laut Bildungsministerium unter anderem Personen, die gemäß Kindertagesförderungsgesetz eine Qualifikation als pädagogische Fachkraft vorweisen können. Dazu gehören staatlich anerkannte Erzieherinnen und Erzieher. Wildert die Bildungsministerin, die sich sowohl für den Schulbereich als auch die Kindertagesförderung in Mecklenburg-Vorpommern verantwortlich zeichnet, mit dem neuen Modellversuch also im eigenen Territorium – zum Nachteil der frühkindlichen Bildung? Die jüngste Analyse der Bertelsmann-Stiftung lässt dies vermuten, kam sie doch zu dem Schluss, „dass die Kitas in Mecklenburg-Vorpommern eine bessere Personalausstattung dringend benötigen“.

Im bundesweiten Vergleich belegte Mecklenburg-Vorpommern demnach den letzten Platz mit Blick auf den durchschnittlichen Kita-Personalschlüsse. Während im Nordosten eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft für 5,7 ganztagsbetreute Krippenkinder verantwortlich ist, kümmert sie sich in den West-Bundesländern im Schnitt nur um 3,4 Kinder. Damit verfehlt das Land auch deutlich das von der Bertelsmann-Stiftung empfohlene Verhältnis von eins zu drei. In den Kindergartengruppen ist der Personalschlüssel mit eins zu 12,5 sogar bundesweit am ungünstigsten. Hier liegt der Westwert bei eins zu 7,7 und der empfohlene Wert bei eins zu 7,5. Es sei daher davon auszugehen, „dass die Kitas in Mecklenburg-Vorpommern ihren Bildungsauftrag für die Mehrheit der Kinder nicht erfüllen können“, kritisierte die Bertelsmann-Stiftung im Rahmen der Veröffentlichung der Ergebnisse. Das neue Modellprojekt könnte die Lage noch verschlimmern. News4teachers

Kita-Krise! Wissenschaftler schlagen Alarm: Kinder sind erschöpft und unglücklich – wegen Personalmangel und großer Gruppen

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments