Der Ernst Klett Sprachen Verlag im Gespräch mit zwei engagierten Lehrkräften, die ihre Perspektiven und Ansichten zu einer nachhaltig gestalteten Welt und zur Bedeutung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Schule teilen.
Wo fängt nachhaltige Bildung eigentlich an und wie kann man Nachhaltigkeit und Verantwortung ins Klassenzimmer bringen? BNE zielt darauf ab, Lernende in die Lage zu versetzen, die Herausforderungen und Chancen einer nachhaltigen Zukunft zu verstehen und aktiv an der Gestaltung dieser mitzuwirken. Die Einblicke und Erfahrungen aus der Bildungsarbeit der beiden Lehrkräfte geben neue Impulse und Perspektiven für den praktischen Einsatz von BNE im Unterricht. Letztlich geht es darum, Lernende darin zu bestärken, dass ihr Handeln zählt – und dass sie mit jedem Schritt in Richtung Nachhaltigkeit dazu beitragen können, echte Veränderungen anzustoßen. Hier finden Sie die Audio-Version des Interviews mit Claudia Schulte und Klemens Büsch in voller Länge.
Claudia Schulte ist Lehrerin für Biologie, Deutsch und Deutsch als Zweitsprache. Sie hat als Autorin die Lesereihe „Bibliothek für Nachhaltige Entwicklung” von Ernst Klett Sprachen mit initiiert, wirkt darin als Autorin mit und ist überzeugt, dass Nachhaltigkeit ein fester Bestandteil des Lehrplans sein sollte. Neben ihrer Arbeit als Lehrerin und Autorin ist sie in verschiedenen Gremien politisch aktiv.
Klemens Büsch ist Lehrer für Deutsch, Russisch und Praktische Philosophie. Darüber hinaus ist er in der Lehrkräftefortbildung tätig und arbeitet seit etwa zehn Jahren als Autor für verschiedene Verlage. Er ist ebenso als Autor an der neuen Lesereihe „Bibliothek für Nachhaltige Entwicklung” beteiligt und engagiert sich stark für die Implementierung von BNE in der Lehrkräfteausbildung.
Wie definieren Sie eine nachhaltig gestaltete Welt und welche Rolle spielt Bildung dabei?
Claudia Schulte: Ich lege Wert auf die Multiperspektivität von Nachhaltigkeit. Wenn überall ein Bienenhotel steht, dann leben wir noch lange nicht in einer nachhaltigen Welt. Das ist zu eindimensional gedacht. Bildungsgerechtigkeit ist zum Beispiel an meiner Schule ein wichtiges Thema. Denn der Bildungserfolg sollte keinesfalls vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Hier muss berücksichtigt werden, dass Klimaschutz eben auch sehr viel mit Bildung und sozialer Gerechtigkeit zu tun hat. Außerdem sollte Mehrsprachigkeit als Reichtum verstanden werden und nicht immer nur auf die Defizite von mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern geschaut werden.
Klemens Büsch: Antidiskriminierungsarbeit in der Schule ist für mich ein wichtiges Anliegen, insbesondere die Geschlechtergerechtigkeit ist ein Thema, worauf noch intensiv hingearbeitet werden muss, also Lernen in Bezug auf das Nachhaltigkeitsziel (SDG) 5. Eine nachhaltig gestaltete Welt wäre für mich in jedem Fall eine, in der Frauen die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben wie Männer.
Welche Maßnahmen können Schulen Ihrer Meinung nach ergreifen, um BNE zu vermitteln?
Claudia Schulte: In Schulen fehlt es derzeit noch an Räumen, sowohl physischen als auch nichtphysischen, zum Beispiel wo muslimische Schülerinnen und Schüler ihre Gebete abhalten können oder queere Schülerinnen und Schüler vielleicht einen Safe-Space für sich haben und mit einer Selbstverständlichkeit ganz offen ihre sexuelle Identität leben können. Räume, wo diese Dinge auch diskutiert werden und auch andere ihre Fragen und Unsicherheiten loswerden können. Man muss auch klar darüber debattieren, wie es bei der aktuellen Stundentafel möglich ist, sich diese Räume zu erobern. Und es reicht nicht, nur die Themen zu platzieren, sondern man muss auch genügend Raum für Aktivität ermöglichen.
Klemens Büsch: Sofern die Schulen es nicht leisten können, dass projektorientierter Unterricht strukturell ermöglicht wird, stellt sich die Frage, wie sich BNE in den Unterricht integrieren lässt. Wir sind beide ja schon seit Jahren dabei, dies zu erproben. Die „Bibliothek Nachhaltige Entwicklung” ist ein Instrument, welches es ermöglicht, dies im Deutschunterricht umzusetzen. So kann man lernen, bei der Unterrichtsgestaltung grundsätzlich mit einer BNE-Brille zu planen: Welche Themen, welche Methoden, welche Unterrichtsszenarien folgen den pädagogischen und didaktischen Prinzipien einer BNE.
Claudia Schulte: Wir können definitiv auch mit den bestehenden Bildungsplänen arbeiten und trotzdem unseren Fokus auf die Themen legen, die beispielsweise in Bezug zu den SDGs stehen. „Jugend debattiert” ist bei uns an der Schule ein festes Format in der 9. Klasse. Es schult die Schülerinnen und Schüler, sich gegenseitig zuzuhören und Kontroversen auszuhalten. Außerdem sind die Themen nicht vorgegeben, so könnte über Diversity, Klimaschutz, Tempolimit oder über verpackungsfreie Produkte am Schulkiosk diskutiert werden. Es bietet viele Möglichkeiten, die Klasse dazu zu bringen, sich mit der Thematik intensiv auseinanderzusetzen.
Wie kann sichergestellt werden, dass man aus der Theorie in die Praxis kommt?
Klemens Büsch: Ein sehr wichtiger Punkt. Das Handeln, in das die Schülerinnen und Schüler durch die Unterrichtseinheit kommen, sollte nicht auf den Lernweg zurückweisen, sondern darüber hinausgehen und im besten Fall den Klassenraum verlassen.
Claudia Schulte: Ausgehend vom Biologieunterricht waren wir mit der Klasse zuletzt als Plastikpiraten unterwegs und haben die Schule verlassen, nachdem wir eine Reportage zur Verschmutzung der Ozeane geguckt haben. Es war großartig, weil die Klasse außerhalb der Schule authentische Erfahrungen gemacht hat. Damit handlungsorientierter Unterricht zu einem echten Handeln wird, ist es entscheidend, dass Schülerinnen und Schüler aktiv mitgestalten und ihre Erkenntnisse und Erfahrungen in die Welt tragen. Nur wenn sie die Möglichkeit bekommen, ihre eigene Stimme zu nutzen, wächst das Bewusstsein, dass sie selbst Teil der Lösung sein können. Ob durch eine Ausstellung, eine Präsentation vor Mitschülerinnen und Mitschülern oder durch Beiträge in einer kleinen Schulöffentlichkeit – das Weitergeben der Erkenntnisse und die aktive Auseinandersetzung mit den Folgen ihres Tuns stärken ihre Entscheidungskompetenz und verankern das Gelernte nachhaltig. So lernen sie, nicht nur Wissen aufzunehmen, sondern auch Verantwortung zu übernehmen und ihre Handlungsspielräume bewusst zu nutzen.
Weiterführende Informationen:
Das vollständige Gespräch mit Claudia Schulte und Klemens Büsch finden Sie im Audioformat.
Alle Informationen zu „Bibliothek für Nachhaltige Entwicklung“.
Eine Meldung der Ernst Klett Sprachen GmbH.