Gestärkt durch Mentoring: Wie „Balu und Du“ junge Menschen wachsen lässt – ein Praxisbeispiel (zum Nachmachen!)

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Raus aus dem Klassenzimmer, rein ins echte Leben – diese Chance bietet das Mentorenprogramm „Balu und Du“. Schüler*innen ab 17 Jahren begleiten ein Jahr lang ein Grundschulkind als Mentor*innen, erleben echte Verantwortung und sammeln wertvolle Erfahrungen. „Es ist eine klassische Win-Win-Situation“, sagt Lehrerin Lea Solny. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Janina Fischer hat sie jüngst die Koordination des Projekts am St. Franziskus-Berufskolleg Hamm übernommen, denn beide sind von den positiven Effekten überzeugt, für die Moglis und die Balus – ein Interview.

„Eine klassische Win-Win-Situation“ – wie hier verbringen die Schüler*innen des St. Franziskus-Berufskollegs Hamm im Rahmen des Programms „Balu und Du“ regelmäßig einen Teil ihrer Freizeit mit ihrem Mogli. Foto: Balu und Du / Jan Voth

Seit fast 20 Jahren beteiligt sich das St. Franziskus-Berufskolleg Hamm am Mentorenprogramm „Balu und Du“. Was überzeugt an diesem Projekt?

Lea Solny: Mich überzeugen am meisten die positiven Wirkungen – insbesondere für die Moglis. Kinder mit Unterstützungsbedarf erhalten durch die Balus nicht nur gezielte Förderung, sondern vor allem Aufmerksamkeit. Unsere Studierenden sind dafür ideal geeignet, da sie angehende Erzieher*innen sind und bereits eine hohe soziale Kompetenz mitbringen. Gleichzeitig profitieren auch die Balus enorm. Durch die Tagebucheinträge sehen wir, wie sehr sie sich weiterentwickeln, Motivation schöpfen und für einen Moment ihren Alltagsstress hinter sich lassen können. Es ist eine klassische Win-Win-Situation.

Janina Fischer: Für mich liegt der besondere Mehrwert bei den Balus. Sie sammeln wertvolle Erfahrungen, die sie in ihrer Ausbildung weiterbringen. Beispielsweise haben wir Erzieher*innen in Ausbildung, die parallel ihr Abitur machen. Sie sind jünger als die Studierenden der Fachschule und stehen vor anderen Herausforderungen. Schon kleine Dinge wie ein Anruf bei einer fremden Person sind für sie eine Überwindung, die ihnen dann aber Selbstvertrauen gibt. Sie lernen lebenspraktische Fähigkeiten und wachsen an der Verantwortung. Besonders die Begeisterung, mit der die bisherigen Balus von ihren Erlebnissen und der entstehenden Freundschaft berichten, hat mich überzeugt.

Die Lehrerinnen Janina Fischer und Lea Solny (v.l.) betreuen das Mentoringprogramm „Balu und Du“ am St. Franziskus-Berufskolleg Hamm. Foto: Privat

Wie lässt sich das Projekt in den Schulalltag integrieren?

Solny: Wir sind aktuell dabei, die Struktur etwas zu überarbeiten. Das Projekt ist an zwei Bildungsgänge angeschlossen: Ich betreue die klassische Fachschulausbildung, Janina kümmert sich um die angehenden Erzieher*innen, die gleichzeitig ihr Abitur ablegen. Für die Fachschüler*innen konnten wir „Balu und Du“ im Rahmen des Projektunterrichts integrieren, sodass der zusätzliche Aufwand reduziert wird. Sie haben somit eine gewisse Entlastung, da es Teil ihrer regulären Arbeit ist. Dennoch bedeutet es für sie natürlich eine zusätzliche Verantwortung, weil sie Zeit für die Treffen aufbringen müssen. Die Fachschüler*innen können sich zwischen dem klassischen Projektunterricht oder der Teilnahme an „Balu und Du“ entscheiden. Die Integration ins Projektunterrichtsformat ist ideal, da es ohnehin als Projekt konzipiert ist. In der Fachschule gibt es aktuell sieben aktive Studierende, die sich regelmäßig mit ihren Moglis treffen. Sie dokumentieren ihre Erfahrungen wöchentlich in Tagebucheinträgen.

Werden Sie als Lehrkraft Teil von Balu und Du!

So wie Frau Solny und Frau Fischer das Mentoringprogramm in NRW umsetzen, gibt es in jedem Bundesland eine ähnliche Möglichkeit!

Unterstützen Sie Kinder dabei, ihr Potenzial zu entfalten – als Lehrkraft einer weiterführenden oder berufsbildenden Schule, deren Schülerinnen und Schüler ab 17 Jahren zu „Balus“ werden, oder als Grundschullehrkraft, die „Moglis“ vorschlägt! Ermöglichen Sie jungen Menschen wertvolle Erfahrungen und schenken Sie Grundschulkindern eine starke, unterstützende Begleitung. Jetzt informieren und mitmachen!

Das Modell: Junge, engagierte Leute übernehmen ehrenamtlich mindestens ein Jahr lang eine Patenschaft für ein Kind. Sie nehmen sich einmal in der Woche ein paar Stunden Zeit, schenken dem Kind ihre Aufmerksamkeit und gestalten ihre gemeinsamen Aktivitäten. Davon profitieren auch die „Balus“: Sie erwerben pädagogische und soziale Kompetenzen.

Melden Sie sich bei uns – wir informieren Sie gerne über die Möglichkeiten: https://www.balu-und-du.de/mitmachen

Oder nehmen Sie an unseren Infoveranstaltungen online teil – aktuelle Termine gibt es hier: https://www.balu-und-du.de/events

Wie werden die Schüler*innen auf die Treffen vorbereitet?

Fischer: Wir orientieren uns an den Begleitmaterialien von „Balu und Du“. Unsere Studierenden haben bereits Erfahrung im pädagogischen Bereich, insbesondere diejenigen in der Jahrgangsstufe 12, die ein Praktikum im Kindergarten absolviert haben. Auch wenn sie Grundschulkinder noch nicht unbedingt aus der Praxis kennen, haben sie durch ihre Ausbildung bereits ein grundlegendes Verständnis von Pädagogik. Wir bereiten sie zunächst durch die erste Präventionsschulung auf die Treffen vor und besprechen niederschwellige Aktivitäten für das erste Kennenlernen. Dazu nutzen wir die Willkommensmappe und Fragebögen von „Balu und Du“.

Vor Kurzem haben wir die Präventionsschulungen zwei und drei durchgeführt, die extern angeboten werden. Sie waren für die Balus sehr hilfreich. Außerdem greifen wir regelmäßig verschiedene pädagogische Themen auf, zuletzt das informelle Lernen. In nächster Zeit möchte ich das Thema Resilienz einbringen, damit die Balus noch besser verstehen, welche positiven Effekte das Projekt für ihre Moglis hat. Dieses Wissen wird sie auch in ihrer weiteren Ausbildung begleiten.

Solny: Wir waren positiv überrascht, wie gut die Materialien aufbereitet sind. Sie unterstützen die Koordination und erleichtern die Begleitung der Tandems enorm.

Und was steht im Fokus während der Mentoringzeit?

Fischer: Die Treffen sind eher niederschwellig theoretisch. Es soll ja nicht wie Schule sein, sondern vielmehr auf praktischen Erfahrungen basieren. Es geht darum, zu erzählen, wie es war, wie man sich gefühlt hat und welche Emotionen dabei eine Rolle spielten. Besonders in Bezug auf Prävention: Wie erlebt man es, wenn es Kindern in ihren Familien nicht gut geht? Oder wenn man merkt, dass ihr Förderpotenzial nicht vollständig ausgeschöpft wird? Wenn eine Drittklässlerin beispielsweise zum ersten Mal ins Kino geht, ist das natürlich etwas Besonderes. Das regt zum Nachdenken an und führt oft dazu, dass die Balus sich mit ihren eigenen Erfahrungen auseinandersetzen. Wie war das für mich? Wie sehe ich das jetzt als Erwachsene*r? Es spielen also viele verschiedene Aspekte eine Rolle. Der theoretische Input soll helfen, einen neuen Blickwinkel zu bekommen.

Solny: Im Fokus stehen vor allem der Erfahrungsaustausch, das Verarbeiten von Eindrücken sowie die Vorbereitung auf besondere Situationen oder Informationen. Denn die Moglis bringen ihre eigenen Herausforderungen mit, sei es im emotionalen Bereich oder in Form besonderer Bedürfnisse. Ein Beispiel: Es gibt ein Kind, das regelmäßig einnässt. Darüber muss zunächst gesprochen werden. Wie kann ich damit umgehen? Wie kann ich das Kind unterstützen? Ein anderes Kind zum Beispiel hat kürzlich seinen Vater verloren. Das sind Schicksale, die die Balus ebenfalls verarbeiten müssen. Wir haben zwar auch Studierende unter den Balus, die vielleicht schon gewisse Erfahrungen mitbringen, aber viele von ihnen sind in behüteten Verhältnissen aufgewachsen. Da ist es wichtig, sie in solchen Situationen zu begleiten.

Wie kommen die Balus mit diesen herausfordernden Situationen zurecht?

Solny: Erstaunlich gut. Interessanterweise spielen die vorher vermittelten Informationen in den Treffen oft keine so große Rolle. Wenn zum Beispiel vorab vermerkt wurde, dass ein Kind sozial-emotional herausfordernd ist, etwa mit häufigen Wutausbrüchen, dann machen sich manche Balus zunächst Sorgen. Aber in der Praxis ist das oft gar kein Thema. Die Herausforderungen, die sich im Schulalltag oder zu Hause zeigen, treten in der Beziehung zwischen Balu und Mogli kaum auf.

Fischer: Das kann ich nur bestätigen. Zwischen den Balus und Moglis entwickelt sich eher eine kleine Freundschaft, in der man sich auf Augenhöhe begegnet. Der Balu übernimmt nicht ständig die Rolle des Erziehers, sondern kann auch mal Quatsch machen und mit seinem Mogli einfach gemeinsam Spaß haben.

Das Projekt ist ja schulisch angebunden: Erwartet die Schüler*innen am Ende auch eine Note?

Solny: Nein, derzeit nicht. Stattdessen erhalten die Teilnehmer*innen eine offizielle Anerkennung auf ihrem Zeugnis für ihr soziales Engagement sowie ein Zertifikat des Projektes, das die Schule ausstellt. Ob das in Zukunft so bleibt, kann ich nicht sagen. Mir persönlich ist es wichtig, dass der Grundgedanke des Projekts erhalten bleibt: Die Motivation soll aus eigenem Antrieb kommen und nicht durch eine Note bestimmt werden.

Fischer: Auch in meinem Bildungsgang gibt es keine Note. Die Teilnahme erfolgt auf freiwilliger Basis.

Wie kommt das Programm bei den Balus an? Erhalten Sie Feedback dazu?

Solny: Ja, durch die Tagebucheinträge. Aus diesen können wir regelmäßig entnehmen, was passiert ist und wie die Balus ihre Erlebnisse wahrnehmen. In erster Linie schreiben sie über ihre Moglis – was sie unternommen haben, von Kinobesuchen über Tierpark und Kletterhalle bis hin zu Weihnachtsmarktbesuchen. Aber es sind auch die kleinen, alltäglichen Dinge, die besonders wertvoll sind: ein Spielenachmittag, Basteln, Spazierengehen oder ein Besuch auf dem Spielplatz. Es ist schön zu lesen, wie sich die Moglis von Treffen zu Treffen immer mehr öffnen.

Beim ersten Treffen beschreiben viele Balus noch eine gewisse Unsicherheit oder Stille. Doch bereits beim zweiten Treffen merkt man oft eine Veränderung. Die Moglis werden offener. Ich glaube, das gibt den Balus viel. Außerdem dürfen sie sich hier ausprobieren, ohne dass jemand sie bewertet. Im Schulalltag stehen sie oft unter Beobachtung, aber hier können sie einfach mitmachen und das tun, worauf sie Lust haben. Natürlich stellen sie dabei automatisch die Bedürfnisse der Moglis in den Vordergrund – aber genau das motiviert sie zusätzlich, auch mit Blick auf ihr eigenes Leben.

Fischer: Das persönliche Einbringen der eigenen Fähigkeiten und Interessen ist für die Balus ein wichtiger Aspekt. Sie können ihre Hobbys teilen und vielleicht sogar den Moglis neue Interessen vermitteln. Natürlich ist das Projekt auch mit einem gewissen Aufwand verbunden. Zeitliche Ressourcen spielen eine Rolle, und manchmal kann das auch herausfordernd sein – je nachdem, in welcher Phase der Ausbildung die Balus gerade stecken. Aber sie setzen es trotzdem immer irgendwie um.

Und wie viel Arbeit bedeutet die Koordination des Programms für Sie?

Fischer: Das ist unterschiedlich. Wir sind ja neu in diese Aufgabe eingestiegen. Am Anfang gab es eine zweitägige Tagung in Köln als Auftakt, zudem hatten wir ein Onboarding und haben kürzlich einen Fragebogen ausgefüllt. Eine feste wöchentliche Arbeitszeit kann man dafür nicht genau beziffern. Es gibt verschiedene Aufgaben wie das Lesen der Tagebucheinträge, die Kommunikation mit den Grundschulen der Moglis, die Organisation der Tandems und vieles mehr. Allerdings befinden wir uns in der glücklichen Lage, dafür Unterrichtszeit zur Verfügung gestellt zu bekommen. Das bedeutet, dass ein großer Teil unserer Arbeit nicht ehrenamtlich erfolgt.

Solny: Trotzdem war es anfangs viel Arbeit. Da ist es gut, dass wir zu zweit sind. Es hilft sehr, sich gemeinsam zurechtzufinden. Wenn die Tandems erst einmal bestehen und alles ins Rollen gekommen ist, empfinde ich die laufende Begleitung nicht als große Belastung. Der größte Arbeitsaufwand entsteht vor allem durch die Organisation im Vorfeld: Die Suche nach geeigneten Tandems, das Anschreiben der Schulen – also der ganze bürokratische Teil.

Vor dem Hintergrund Ihrer ersten Erfahrungen: Würden Sie die Teilnahme am Projekt „Balu und Du“ anderen Lehrkräften empfehlen?

Solny: Definitiv. Besonders für jüngere Teilnehmende ab 17 Jahren ist das Programm wertvoll, etwa an Gesamtschulen oder Gymnasien. Viele haben dort wenig Kontakt zu Grundschulkindern, vielleicht keine jüngeren Geschwister oder bisher keine Verantwortung für andere übernommen. Hier bekommen sie die Gelegenheit, das zu tun – und vor allem dürfen sie es. Vielleicht hatten sie vorher gar nicht die Möglichkeit dazu. Ich würde es daher uneingeschränkt weiterempfehlen.

Dies ist eine Pressemeldung des Balu und Du e. V.

Gemeinsam für Kinder: Werden Sie als Lehrkraft Teil von Balu und Du!

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