Drei Viertel der Schulleitungen sehen Umbaubedarf, um neues Lernen zu ermöglichen

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BERLIN. Die Klos sind ramponiert, die Turnhallen marode, vielerorts bröckelt der Putz. Eine große Mehrheit der Schulleiterinnen und Schulleiter in Deutschland sieht dringenden Sanierungs- und Umbaubedarf an ihren Schulen, verfügt dafür aber nicht über die nötigen Mittel. Das zeigt eine neue forsa-Befragung im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). Der verlangt allerdings nicht nur Renovierungsarbeiten – sondern eine Qualitätsoffensive beim Schulbau, damit in den Räumen pädagogisch gut gearbeitet werden kann.

Schulbau-Offensive. (Symbolbild.) Illustration: Shutterstock

Nach der repräsentativen Erhebung halten 64 Prozent der Schulleitungen Sanierungsmaßnahmen an ihrer Schule für notwendig. 74 Prozent sehen einen Umbaubedarf, um neue Formen des Lernens – insbesondere mehr Kleingruppenarbeit – überhaupt räumlich umsetzen zu können. Doch nur 21 Prozent derjenigen, die Bedarf anmelden, geben an, überhaupt über Investitionsmittel zu verfügen. Befragt wurden rund 1.300 Schulleitungen im September und Oktober.

„Wir leisten uns eine marode Schulinfrastruktur“, sagt der VBE-Bundesvorsitzende Tomi Neckov. Seine Aufforderung an die Politik: „Mit dem Infrastruktursondervermögen entsteht jetzt ein Momentum, das es zu nutzen gilt. Wir sind auf einen zusätzlichen Investitionsschub angewiesen.“ Die Hoffnung richtet sich auf das geplante schuldenfinanzierte Investitionspaket von 500 Milliarden Euro, mit dem Bund, Länder und Kommunen Infrastruktur modernisieren wollen. Aus Sicht des VBE muss ein erheblicher Teil davon in Schulen fließen. Der Sanierungsstau bei den Schulgebäuden wird von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auf rund 68 Milliarden Euro geschätzt.

„Wer die Kinder von heute auf die Welt von morgen vorbereiten möchte, braucht dafür einen Schulbau, der das Lehren und Lernen unterstützt“

In seiner Stellungnahme betont Neckov, dass es allerdings nicht genüge, Geld in bestehende Strukturen zu geben, ohne gleichzeitig deren Qualität zu entwickeln. „Der Status ist: Es kommt nicht genug Geld an. Und wenn, dann wird nicht sichergestellt, dass Schulbauten qualitativ hochwertig umgebaut und modernisiert werden.“  Er betont: „Wer die Kinder von heute auf die Welt von morgen vorbereiten möchte, braucht dafür einen Schulbau, der das Lehren und Lernen unterstützt – qualitativ hochwertig, pädagogisch wertvoll und nachhaltig umgesetzt.“

Sich dafür das nötige Know-how zu holen, wird allerdings nicht immer berücksichtigt. Zwar laufen an 21 Prozent der Schulen aktuell Umbaumaßnahmen, bei weiteren 34 Prozent sind sie geplant. Doch ein Viertel der Planungen erfolgt laut Befragung ohne externe Expertise. Neckov warnt: „Hier müssen wir besser werden. Investitionen in den Schulbau müssen Raum lassen für eine Begleitung durch Profis von außen: Architektur und Beratungsfirmen unterstützen Qualität.“ Das Sondervermögen werde „dringlichst erwartet“, so Neckov weiter. Wichtig sei, „dass Baumaßnahmen nicht nur den Nutzen erfüllen, sondern echte Mehrwerte bringen. Dafür brauchen wir eine disziplinübergreifende Zusammenarbeit.“

Dass es um mehr geht als um marode Gebäude, macht auch das aktuelle Positionspapier „Qualität im Schulbau“ deutlich, das der VBE gemeinsam mit der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft sowie dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA erarbeitet hat. Darin wird der Anspruch formuliert: „Mit dem Infrastruktur-Booster müssen qualitativ hohe pädagogische Ansprüche bei Sanierung, Modernisierung und Neubau von Schulen verwirklicht werden.“ Jede Investition in Gebäude müsse „als Investition für eine zeitgemäße und zukunftsgerichtete Pädagogik“ verstanden werden. Die drei Partner identifizieren die Schnittstelle zwischen Architektur und Pädagogik als zentral, um Schulen endlich systematisch zu modernisieren.

Das Papier verweist auf eine alarmierende Ausgangslage: „Der Investitionsstau im Schulbau wächst seit Jahren.“ Zugleich wird ein klarer Zusammenhang zwischen räumlicher Qualität und Bildungserfolg hergestellt. Sanierung sei nicht Selbstzweck, sondern die Voraussetzung für gute Pädagogik. „Wesentliche Voraussetzung für qualitätsvollen Schulbau ist eine architektonische Gesamtkonzeption, die, ausgehend von einer zukunftsgerichteten pädagogischen Leitidee, optimale Lern- und Arbeitsbedingungen schafft.“ Es müsse „um mehr gehen als um die Sanierung von Toiletten und die Abdichtung von Dächern“. Schulbau werde erst dann zum Stützpfeiler guter pädagogischer Arbeit, wenn die pädagogische Idee die baulichen Entscheidungen leitet.

Für die Vergabe der Mittel aus dem Sondervermögen fordert das Positionspapier, diese an klare Qualitätskriterien zu binden. Zentral sei die „Phase Null“ als vorbereitender Entwicklungsprozess: „‚Phase Null‘ ist für eine ganzheitliche pädagogische und bauliche Schulentwicklung und als Voraussetzung für eine effiziente und nachhaltige Planung durchzuführen.“ Sanierung, Modernisierung und Neubau müssten konsequent als Schulentwicklungsprozesse verstanden werden, in denen räumliche und pädagogische Expertise zusammenkommen. Innovation solle „gefördert und gefordert“ werden.

Auch das Wohlbefinden der Schulgemeinschaft wird als Qualitätsmaßstab benannt. Ein Schulbau müsse Lernräume schaffen, „an dem sich Schülerinnen und Schüler sowie die Fachkräfte gerne aufhalten“. Gemeint sind transparente Raumkonzepte, vielfältige Lernmöglichkeiten, ästhetische Gestaltung und gesunde Arbeitsbedingungen – und zwar für alle.

„In der Grundschule lernt die heterogenste Gruppe zusammen. Die Bedingungen müssen stimmen“

Auch daran hapert es nicht selten. Ein weiteres alarmierendes Ergebnis der Umfrage betrifft die Barrierefreiheit. In der aktuellen Schulleitungsbefragung gaben 47 Prozent der Befragten an, ihre Schule sei überhaupt nicht barrierefrei. Besonders die Primarstufe ist betroffen. Neckov erklärt dazu: „In der Grundschule lernt die heterogenste Gruppe zusammen. Die Bedingungen müssen stimmen, damit niemand aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen ausgeschlossen wird.“ Das betreffe auch Eltern sowie Lehrkräfte, die auf barrierefreie Zugänge angewiesen seien.

Der neue VBE-Chef – Neckov wurde vergangenen Freitag ins Amt gewählt, News4teachers berichtete – sieht den Umgang mit der Schulinfrastruktur grundsätzlich als Generationenfrage. „Der verantwortungsvolle Einsatz der Mittel, die über das Infrastruktursondervermögen in den Kommunen ankommen, ist kein Selbstzweck. Es zeigt auch die Wertschätzung gegenüber den Jüngeren, die beste Bildung brauchen, um die Rückzahlung des Sondervermögens tragen zu können“, betont er. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zum Positionspapier. 

News4teachers hatte sich im Oktober einen Themenmonat lang intensiv mit “Schulbau & Schulausstattung” beschäftigt – hier geht es zum kompletten dabei entstandenen Magazin

 

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2 Kommentare
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Gelbe Tulpe
7 Minuten zuvor

Enorme Kosten für Methoden, die zu schlechteren Lernleistungen gerade bei schwächeren Schülern führen. So unökonomisch und undidaktisch.

Rüdiger Vehrenkamp
6 Minuten zuvor

Was ist denn “neues Lernen”? Sollte man nicht überhaupt mal wieder “Lernen” in Schulen ermöglichen, wo man seit Jahren eine Reform nach der anderen durchpeitschen wollte, von der keine die gewünschten Erfolge brachte? Man sollte wieder mehr anleiten, mehr üben, auch wieder mehr einfordern.

Ja, saniert Schulen und baut sie meinetwegen um. Aber nicht jedes Lernatelier in der Brennpunktschule führt automatisch zu besseren Ergebnissen – selbst wenn dies gerne kolportiert und mit Schulpreisen bedacht wird. In BW sind Gemeinschaftsschulen im Vergleich diejenigen mit den schlechtesten Ergebnissen in Vergleichsarbeiten. Von leistungsstark kann also keine Rede sein. Architektur ist wichtig, aber man sollte doch bitte nicht dem Ganzen die angeblich beste Schulform als Grund voranstellen, wenn sie das überhaupt nicht ist.