Philologen verlangen Technik-Check vor den Abiturprüfungen – aus gutem Grund

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BERLIN. Der Deutsche Philologenverband (DPhV) verlangt eine bundeseinheitliche Vorabprüfung aller künftig in den zentralen Abiturprüfungen eingesetzten technischen Systeme – inklusive eines verpflichtenden Stresstests unter realistischen Prüfungsbedingungen. Hintergrund sind leidige Erfahrungen. 

Läuft. (Symbolbild.) Illustration: Shutterstock

Die Vorabprüfung müsse mit anschließender Freigabe durch die Kultusministerkonferenz (KMK), das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) oder durch die zuständigen Dienstherren der Länder erfolgen, so der Verband. Nur so könne sichergestellt werden, dass digitale Hilfsmittel wie Mathematik- oder Simulationsprogramme rechtssicher, technisch zuverlässig und datenschutzkonform eingesetzt werden.

Ab dem Jahr 2029 sollen etwa im Fach Mathematik Taschenrechner mit Computer-Algebra-System (CAS) durch ein modulares Mathematiksystem (MMS) ergänzt werden. DPhV-Bundesvorsitzende Prof. Susanne Lin-Klitzing betont: „Wenn technische Systeme wie digitale Mathematik- oder Simulationsprogramme künftig Teil der zentralen Abiturprüfungen werden, dann liegt die Verantwortung für deren Funktionsfähigkeit und Rechtskonformität eindeutig bei den Bildungsministerinnen und Bildungsministern und nicht bei den einzelnen Schulen.“

„Es ist rechtlich höchst fragwürdig, Schulen die Verantwortung für derart komplexe Prüfverfahren aufzubürden“

Sie fordert verbindliche Stresstests unter prüfungsähnlichen Bedingungen: „Es muss bildungspolitisch gewährleistet werden, dass alle einzusetzenden Systeme einem Stresstest unter realistischen Bedingungen standhalten, damit zum Zeitpunkt des Einsatzes in den jeweiligen Abiturprüfungen ein fehlerfreies Funktionieren der zentral freigegebenen Systeme garantiert ist.“

Hintergrund sind technische Probleme in vergangenen Prüfungsjahren – etwa beim Ausdruck der Abituraufgaben in Nordrhein-Westfalen 2023 (News4teachers berichtete) oder bei der Druckfunktion des Simulationsprogramms „Möbius“ im Physikabitur in Sachsen.

Der Verband kritisiert insbesondere die Regelung in Nordrhein-Westfalen, wonach einzelne Schulen selbst prüfen müssen, ob Datenschutz- und Technikstandards eingehalten werden. „Es ist rechtlich höchst fragwürdig, Schulen die Verantwortung für derart komplexe Prüfverfahren aufzubürden, wenn diese technischen Systeme doch zentral für das Bearbeiten der Abiturprüfungen vorgeschrieben werden“, warnt Lin-Klitzing. „Unklar bleibt auch, wer haftet, wenn durch eine Fehleinschätzung den Abiturientinnen und Abiturienten einer Schule ein Prüfungsnachteil entsteht – bis hin zum Nichtbestehen des Abiturs.“

Als positives Beispiel nennt der DPhV Niedersachsen: Dort schreibt ein Erlass vom 2. November 2020 vor, dass technische Systeme vor ihrem Einsatz vom Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) geprüft und freigegeben werden müssen. News4teachers / mit Material der dpa

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Realist
1 Monat zuvor

dann liegt die Verantwortung für deren Funktionsfähigkeit und Rechtskonformität eindeutig bei den Bildungsministerinnen und Bildungsministern und nicht bei den einzelnen Schulen”

Die Kultusminister sollen Verantwortung für das übernehmen, was sie sich am runden Tisch fern von der Praxis ausdenken?

Ha! Ha! Ha!

Das wäre ja mal ganz was Neues, nein, es wird weiterhin heißen:

“Schulen die Verantwortung für derart komplexe Prüfverfahren aufzubürden”

Was denn sonst? Wenn’s irgendwo schief geht, hat man doch gleich den richtigen Sündebock! Verantwortungsdelegation im Schulsystem geht immer schon “von oben nach unten”. Wo kämen wir denn hin, wenn diesmal es anders wäre???

Noe
1 Monat zuvor

Allgemein ist es doch ein Unding, dass bei der Abiturprüfung Technik vorausgesetzt wird, welche je nach Standort unterschiedlich gut vorhanden ist und funktioniert. Sehe da nur ich ein Problem mit der Chancengleichheit?

Unfassbar
1 Monat zuvor
Antwortet  Noe

Besonders in Mathe wäre das sehr einfach umgehbar. Diese digitalen Dinge sollen im Lehrplan stehen, müssen aber nicht unbedingt im Abitur abgefragt werden — an der Universität in egal welchem Studiengang mit Matheanteil braucht man das in den ersten Semestern ohnehin nicht. Man könnte sogar komplett auf den Taschenrechner verzichten. In Deutschklausuren brauchen die Texte auch nicht in Form von Präsentationen interpretiert zu werden.

Sepp
1 Monat zuvor
Antwortet  Noe

Dann müssen Schulen mit Oberstufe halt eine Liste der benötigten Ausstattung und die finanziellen Mittel dazu bekommen.

Bei uns gibt es bspw. das Chemie-Abitur mit Experiment. Lange konnte man wählen und auch das Chemie-Abitur ohne Experiment anbieten, inzwischen soll das der Ausnahmefall werden. Dazu haben wir offizielle Materiallisten, welche Chemikalien und Geräte vorhanden sein müssen.

Spannend wird, dass mittelfristig auch digitale Messwerterfassung (z.B. für Leitfähigkeit, pH und Temperaturverläufe) eingeführt werden soll. Die einzelnen Geräte sind jedoch recht teuer und werden vermutlich schnell veralten. Es wird interessant zu sehen, ob es dafür dann immer wieder neue Gelder geben wird…

Florian
1 Monat zuvor

Na mal sehen. Klingt so, als solle hier einfach ein weiteres bürokratisches Monster geschaffen werden.
Wichtiger als „für die Schulen zu prüfen“ (die kriegen das schon ganz gut selber hin) und dann lustige Bescheinigungen zu verteilen, wäre es, die Schulen erstmal bedarfsgerecht auszustatten.

Anders Leo Castor
1 Monat zuvor

Merkwürdig. Entweder verstehe ich nicht, was der DPhV konkret beanstandet, oder der DPhV versteht nicht, worüber er hier überhaupt schreibt.

Ein MMS ist meines Wissens nichts anderes als ein CAS mit standardisierten Funktionen. Da wird also nichts “ergänzt”. Es ist eher so, dass ein MMS weniger kann als bestimmte CAS, die gegenwärtig in einigen Ländern noch verwendet werden.

In Hinblick auf das Abitur ab 2030 prüft das IQB im Auftrag der Länder bzw. auf Antrag der Hersteller, welche MMS den zulässigen Funktionsumfang erfüllen (genauso wie bei den WTR). Eine entsprechende Liste wird auf der Homepage der KMK veröffentlicht.

Es passiert also genau das, was der DPhV jetzt plötzlich fordert. Hat man da die letzten Jahre friedlich vor sich hin geschlafen?

Voraussetzung für eine Zertifizierung ist auch, dass sich das MMS am Gerät in einen Prüfungsmodus versetzen lässt. Das muss dann natürlich in der Schule geschehen. Das MMS hängt ja überhaupt nicht an einem zentralen Server des Ministeriums. Dementsprechend braucht es für ein MMS auch keinen Stresstest.

PS:
Viel interessanter finde ich diesen Vorstoß des DPhV:
Minderleistungen im Abitur – Deutscher Philologenverband e. V.
Wenn ich nichts übersehen habe, wurde das bislang von der Redaktion noch nicht thematisiert.