Schavan zur Bologna-Reform: „Eine Erfolgsgeschichte“

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BERLIN. Zehn Jahre nach dem Start der Bologna-Reform in Deutschland sind Bachelor und Master an den Unis Alltag. Ministerin Schavan will nun weitere Reformen.

Zieht zehn Jahre nach der Bologna-Reform eine positive Bilanz: Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Foto: Andreas Schepers / Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)
Zieht zehn Jahre nach der Bologna-Reform eine positive Bilanz: Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Foto: Andreas Schepers / Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)

86 Prozent der Studiengänge in Deutschland sind heute auf Bachelor und Master umgestellt. Zehn Jahre nach der Einführung der Abschlüsse am 15. August 2002 kündigt Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) an, das klassische Bildungsideal wieder stärken zu wollen.

Zehn Jahre Bologna haben viel verändert. Vor allem der Bachelor-Studiengang wurde heftig kritisiert. Welche Bilanz ziehen Sie?

Schavan: «Nach zehn Jahren ist der Bologna-Prozess ein Beispiel für eine europäische Erfolgsgeschichte. Die Reform hat die Mobilität der Studierenden befördert und führt langfristig dazu, dass die Studienabbruchquote sinkt. Außerdem hat die Reform in Deutschland einen enormen Aufschwung bei den Studienanfängerzahlen gebracht. Vor zehn Jahren begannen noch 37 Prozent eines Jahrgangs ein Studium, 2010 rund 50 Prozent – bei überdurchschnittlichem Zuwachs an Fachhochschulzugängen. Die Lust aufs Studieren hat deutlich zugenommen.»

Wie wirkt sich die Reform auf die Berufschancen aus?

Schavan: «Deutschland hat mit 7,9 Prozent mit Abstand die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union. Die duale Ausbildung ist eine klare Stärke in Deutschland. Es ist damit klar: Gute Bildung führt auch zu mehr Beschäftigung. Das gilt auch für das Studium: Von den Bachelor-Absolventen der Universitäten sind nur zwei Prozent arbeitslos, bei den Fachhochschulen drei Prozent. Und die Reform war ein entscheidender Schritt zur Internationalisierung. Die Zahl der Studierenden aus dem Ausland hat sich verdoppelt, die der Deutschen mit Bafög im Ausland verfünffacht.»

Aber die Abbrecherquote beim Bachelor liegt immerhin bei 28 Prozent.

Schavan: «Wir sind noch nicht am Ende der Entwicklung. Die Abbrecherquote an den Fachhochschulen hat sich in den vergangenen Jahren von 39 auf 19 Prozent halbiert. Ein Schlüssel für weitere Verbesserungen ist die Reform der Lehrpläne. Damit verbunden ist die Verbesserung der Lehre. Der Bund unterstützt im Qualitätspakt Lehre in den kommenden Jahren die qualitative Verbesserung der Studienbedingungen mit zwei Milliarden Euro. Damit soll auch konsequent die Studieneingangsphase verbessert werden – zur besseren Orientierung der Studienanfänger.»

Nur zwei Prozent der Studierenden haben einen niedrigen Bildungshintergrund. Soll die soziale Durchlässigkeit besser werden?

Schavan: «Die Durchlässigkeit bleibt ein wichtiges Thema. Es muss zum Beispiel noch einfacher werden, nach einer Ausbildung zu studieren. Ansonsten ist es entscheidend, dass sowohl Studium als auch Ausbildung zu einer guten beruflichen Perspektive führen.»

Das Deutsche Studentenwerk warnt vor einem Abbröckeln der Mittel für soziale Beratung auch seitens der Länder – ist Abhilfe geplant?

Schavan: «In zehn Jahren Bologna sind die Investitionen in das Wissenschaftssystem deutlich gestiegen. Der Bund investiert allein in dieser Legislaturperiode zwölf Milliarden Euro zusätzlich in Bildung und Forschung. Das war auch nötig. Wichtig ist, dass auch die Länder mit Blick auf Grundfinanzierung, Beratung und Studienplatzvergabe dabeibleiben und ihren Pflichten nachkommen.»

Was raten Sie Studienabgängern, die ein Studium aufnehmen wollen? Wie spielerisch kann man ein Studium heute noch angehen?

Schavan: «Heute gilt wie zu allen Zeiten: Die Entscheidung für einen Studiengang ist eine sehr persönliche, sie muss zu einem passen. Ich rate: Wählt die Fächer, bei denen Ihr überzeugt seid, dass Ihr darin gut sein könnt!»

Aber Studium ist heute oft eher ein bisschen wie Schule – wo ist die Hochschule als Ort der Faszination für Wissenschaft?

Schavan: «Die ersten Jahre von Bologna waren geprägt von Strukturüberlegungen. Jetzt ist es wichtig, dass uns diese Vorstellung von Wissenschaft, die auch bildet, nicht verlorengeht. Darauf möchte ich in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt legen. In vielen Universitäten gibt es schon wieder verstärkt Angebote im Sinne des alten Studium generale, die nicht nur für Spezialisten interessant sind. Das schafft Orientierung, fördert die Urteilskraft und trägt zur Stärkung der Persönlichkeit bei.» Interview: BASIL WEGENER, dpa

(12.8.2012)

Zum Bericht: Zehn Jahre Bologna-Reform: Studentenwerk beklagt Defizite

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