„Zu vage“: Verfehlen die Abitur-Standards ihr Ziel?

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BERLIN. Mit den vergangene Woche beschlossenen Standards für vier Hauptfächer wollen die Kultusminister das Abitur in Deutschland auf ein einheitliches Niveau bringen. Mathematiker haben sich die Vorgaben für ihr Fach angeschaut und kommen zu dem Schluss: Das Ziel wird verfehlt.

Ab 2017 soll für das Abitur in Deutschland ein einheitlicher Maßstab angelegt werden. Foto: wilhei55 / Flickr (CC BY 2.0)
Ab 2017 soll für das Abitur in Deutschland ein einheitlicher Maßstab angelegt werden. Foto: wilhei55 / Flickr (CC BY 2.0)

«Das ist ein großer Schritt für das deutsche Schulwesen», so kommentierte der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), der Hamburger Bildungssenator Ties Rabe (SPD), den Beschluss, bis  2017 bundesweit geltende Standards für das Abitur in Mathematik, Deutsch, Englisch und Französisch einzuführen. Ein deutsches Zentralabitur werde es zwar nicht geben, künftig sollten die Abituraufgaben in den 16 Bundesländern aber gleich schwer sein, hieß es.

Verwirrend waren allerdings die Auskünfte der Länderminister darüber, wie hoch denn der vereinbarte Standard, der von Bremerhaven bis Dresden, von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen gelten soll, nun ist. Er sei recht anspruchsvoll, sagte Rabe mit Blick auf Befürchtungen, das Niveau werde dadurch sinken. Der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) erklärte hingegen: «Wichtig ist die Botschaft an die Eltern und Schüler, es wird dadurch nicht schwerer.» Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) wiederum präsentierte eine eigene Interpretation des Beschlusses: «Wir haben Standards beschlossen. Und Standard heißt Mindestanforderungen. Und Mindestanforderungen erfüllt Bayern immer», sagte er. Bayern werde sein bewährtes Abiturniveau beibehalten. Was denn nun, gilt das Niveau von Niedersachsen oder das von Bayern?

Tatsächlich sieht es so aus, als ob beides möglich wäre – und damit die Standards womöglich ihre Funktion nicht erfüllen. Für das Fach Mathematik jedenfalls haben die drei Fachverbände Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV), die Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM) und der Deutsche Verein zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts (MNU) jetzt massive Kritik geäußert. „Die Mathematik-Kommission der drei Fachverbände hat die Bildungsstandards einer ersten Prüfung unterzogen und zweifelt daran, dass die Beschlüsse der KMK das gesteckte Ziel erreichen“, so heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

„Viele Erwartungen unerfüllt“

Die Standards seien nicht konkret genug, und sie seien nicht konsequent genug. „Die geforderten Kompetenzen bleiben oft vage und lassen zu viele Deutungen zu“, heißt es. Darüber hinaus seien zwar die drei Sachgebiete Analysis, Lineare Algebra/Analytische Geometrie und Stochastik bestätigt worden, es sei jedoch weiterhin möglich, dass Abiturienten in einem der zwei Sachgebiete Lineare Algebra/Analytische Geometrie und Stochastik im Abitur nicht geprüft würden. Fazit: „Die Hochschulen können sich also leider auch in Zukunft nicht darauf verlassen, dass alle Abiturienten die den Standards entsprechenden Kompetenzen in allen Sachgebieten erworben haben.“

„Mit den jetzt beschlossenen Bildungsstandards bleiben viele Erwartungen unerfüllt, Expertenwissen wurde nicht ausreichend genutzt“, sagt Wolfram Koepf, Professor für Mathematik an der Universität Kassel und Sprecher der „Mathematik-Kommission Übergang Schule-Hochschule“. Die drei Fachverbände fordern Nachbesserungen: „Es ist nun Aufgabe der Länder, die relativ vagen Standards auszugestalten und eine Verbindlichkeit für alle drei Sachgebiete in den Prüfungen festzulegen. Dafür ist Spielraum gegeben“, so meinen sie. Damit nicht in Bayern andere Standards gelten als in Niedersachsen. Bibo

(23.10.2012)

Zum Bericht: „Das Deutschland-Abitur kommt: KMK beschließt Standards“

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