Schüler suchen Hilfe: „Nummer gegen Kummer“ gefragt wie nie

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POTSDAM. Drückt der Schuh, greifen immer mehr Kinder und Jugendliche zum Telefon. Nicht, um Gleichaltrige anzurufen. Gefragt ist vielmehr Hilfe vom Profi.

Eltern haben oft keine Zeit für ihre Kinder - die Mitarbeiter der "Nummer gegen Kummer" bekommen das zu spüren. Foto: KendraMillerPhotography / flickr (CC BY-ND 2.0)
Eltern haben oft keine Zeit für ihre Kinder – die Mitarbeiter der „Nummer gegen Kummer“ bekommen das zu spüren. Foto: KendraMillerPhotography / flickr (CC BY-ND 2.0)

Immer mehr Kinder und Jugendliche greifen bei Kummer zum Telefon und suchen professionelle Hilfe: Das Potsdamer Kinder- und Jugendtelefon registrierte 2012 dreimal so viele Anrufe wie im Gründungsjahr 1999. Fast 13 000 Jugendliche aus ganz Deutschland nutzten den ehrenamtlichen Telefonservice der Diakonie Potsdam. «Der Bedarf ist unglaublich, das Telefon klingelt rund um die Uhr», sagt die Leiterin des Potsdamer Kinder- und Jugendtelefons Daniela Berg. Damit liegt Brandenburg nach Angaben des Dachverbandes «Nummer gegen Kummer» im bundesweiten Trend.

Rund 178.000 Gespräche haben die Mitarbeiter an den 87 Standorten des Kinder- und Jugendtelefons im gesamten Bundesgebiet 2012 entgegengenommen. «Besonders nach dem Schulunterricht sind die Leitungen oft überlastet», sagt Dachverbandssprecherin Beate Friese. Die steigende Anruferzahl erklärt sie sich unter anderem mit dem erweiterten Angebot der «Nummer gegen Kummer». Bis 2008 waren die Leitungen nur vier Stunden offen, jetzt sind sie montags bis samstags jeweils von 14 bis 20 Uhr geschaltet, so Friese.

Zudem setzt die «Nummer gegen Kummer» auf alternative Kommunikationswege. Damit jeder seine Fragen loswerden kann und die Mitarbeiter zudem ausführliche Ratschläge sowie Hilfskontakte übermitteln können, gibt es seit einigen Jahren einen E-Mail-Service. Dazu ist es laut Friese notwendig, dass die Jugendlichen über die Homepage des Verbandes ein anonymes Konto anlegen.

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Woher die meisten Anrufer kommen, lässt sich angesichts des verstärkten Gebrauchs von Mobiltelefonen schlecht sagen. Wer aber mit einer Potsdamer Nummer anrufe, werde zumeist auch nach Potsdam weitergeleitet, so Friese. Die «Nummer gegen Kummer» stelle jedoch ein bundesweites Netzwerk dar. «Anrufer aus Brandenburg können in Hamburg landen, wenn in Potsdam besetzt ist», sagt Berg. Umgekehrt nehmen die Potsdamer Anrufe aus dem gesamten Bundesgebiet entgegen.

Den größten Anteil der Anrufer zwischen zehn und 18 Jahren machten in Potsdam die 13- und 14-Jährigen aus. «Da beginnt die Hochzeit der Pubertät», sagt Berg. Themen wie Liebe, Sexualität und Partnerschaft bildeten nach wie vor die Schwerpunkte der Gespräche. «Das kann der 13-Jährige sein, der sich nicht traut, ein Mädchen anzusprechen.» Aber auch Probleme wie Cybermobbing, das vor zehn Jahren noch kaum eine Rolle gespielt habe, stünden auf der Tagesordnung. Die Fragen spiegelten die sozialen Verhältnisse wider.

Nach Auffassung der Oranienburger Schulpsychologin Heidrun Weinert lässt die rasche Entwicklung der Kommunikationsmöglichkeiten sowie der Medien ratsuchende Jugendliche verstärkt zum Telefon greifen. Die Probleme sind laut Weinert unterschiedlicher Natur und variierten je nach Wohnort. So sei ein Thema die Vereinsamung in ländlichen Regionen aufgrund langer Fahrtwege. Wichtige Gesprächspartner wie die Eltern fänden aufgrund wachsenden Leistungsdrucks im Beruf oft weniger Zeit für ihre Kinder. Da bliebe dann oft nur der Griff zum Telefon. CHRISTIAN BARK, dpa

Hier gibt es weitere Informationen zur „Nummer gegen Kummer“ – etwa über die Angebote für Eltern.

 

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