«Nix Schwenk» – Wie Seehofer den Lehrerstellen-Streit abräumt

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MÜNCHEN. Rasantes Bremsmanöver bei hoher Geschwindigkeit: Kurz vor der Kommunalwahl reagiert Ministerpräsident Seehofer auf gut zweiwöchige Dauerkritik – und stoppt die geplante Kürzung von Lehrerstellen. Es ist nicht das erste Mal, dass Seehofer kurz vor einer Wahl ein Streitthema abräumt.

Kleine Anpassung im Nachtragshaushalt? Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: blu-news.org / flickr (CC BY-SA 2.0)
Kleine Anpassung im Nachtragshaushalt? Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: blu-news.org / flickr (CC BY-SA 2.0)

«Nix Schwenk», sagt Horst Seehofer am Tag, nach dem er mal eben die geplanten Stellenkürzungen an den Schulen kassiert hat. Einen Nachtragshaushalt mache man, «um die Dinge an die Aktualität anzupassen», betont er. «Das ist eine völlige Normalität.» Tatsache ist: Im Streit um die Lehrerstellen sah die «Aktualität» für Seehofer und die CSU zuletzt nicht allzu rosig aus. Gut zwei Wochen standen er, Kultusminister Ludwig Spaenle und die gesamte CSU wegen der geplanten Stellenkürzungen an den Schulen unter Dauerfeuer – von der Opposition, aber auch von den versammelten Lehrerverbänden. Die Staatsregierung und er selbst als Ministerpräsident in der Defensive – das konnte Seehofer nicht gefallen, so kurz vor den Kommunalwahlen.

Deshalb macht Seehofer jetzt etwas, das er perfekt beherrscht: ein rasantes Wendemanöver bei hoher Geschwindigkeit – das ihn aber im Prinzip nur dahin zurückbringt, was er im Wahlkampf versprochen hat. Denn im CSU-«Bayernplan» von 2013 heißt es, man garantiere «den bayerischen Schulen, dass auch bei sinkenden Schülerzahlen die freiwerdenden Lehrerstellen vollständig im Bildungssystem belassen werden».

Das verstanden die Lehrer – und auch viele CSU-ler – als Versprechen, dass trotz der stetig sinkenden Schülerzahlen keine Lehrerstellen gestrichen werden. Wobei das Versprechen von vornherein irreführend war: Schließlich waren die Kürzungen an den Schulen schon lange im Haushalt vorgesehen. Seehofer, Spaenle & Co. argumentierten bis zuletzt auch ganz vorsichtig so: dass die Stellen «im Bildungssystem» belassen würden – weil doch im Gegenzug neue Stellen an den Hochschulen geschaffen würden. «Wir haben jedes Wort, das ich selber formuliert habe im Bayernplan, gehalten», argumentierte Seehofer. «Wortklauberei», schimpfte der Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV).

Nun also das Bremsmanöver, das für viele nur eine Frage der Zeit war: Die Stellen, die rein rechnerisch gestrichen werden müssten, sollen tatsächlich an den Schulen bleiben – nicht «nur» im Bildungssystem. Es werde zum kommenden Schuljahr 2014/15 keine Stelle wegfallen, sagt Seehofer – und spricht von einer «Realisierung unserer Wahlaussagen» und einer «Geste an alle Verantwortlichen im Bildungssystem». Und: Die CSU garantiert, dies bis 2018 so zu handhaben. Ein Machtwort habe er in der Sache aber nicht sprechen müssen, sagt Seehofer. «Es gibt bei uns keine Machtworte.» Es gebe «Dialog und Entscheidungen».

Seehofer räumt so mit der CSU nicht zum ersten Mal kurz vor einer Wahl ein bildungspolitisches Streitthema ab. Studiengebühren, achtjähriges Gymnasium, jetzt die Lehrerstellen – die Liste der Themen, bei denen Seehofer auf Kritik reagiert und umschwenkt, wird immer länger.

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Beispiel Studiengebühren: Da zwang Seehofer die CSU im Wahljahr 2013 zum rasanten Kurswechsel und zur Abschaffung der Gebühren durch den Landtag, um einer Abschaffung durch die Bevölkerung per Volksentscheid zuvorzukommen. Beispiel G8: Das Thema zog Seehofer 2012 angesichts anhaltender Kritik an sich – in der Folge wurde das sogenannte Flexibilisierungsjahr geboren, das die Gemüter beruhigen sollte. Seehofers Argumentation in diesen Fällen: Es sei legitim, den Kurs zu ändern, wenn die Bevölkerung dies wünsche. Stichwort «Koalition mit den Bürgern». Die Dinge an die Aktualität anpassen, sagt er jetzt.

Opposition und Lehrerverbände freuen sich – wobei BLLV-Präsident Klaus Wenzel lapidar konstatiert: «Die CSU hatte nach den heftigen Protesten der vergangenen Tage auch wenig Spielraum.» Andererseits aber warnen Wenzel und die Opposition, dass man noch lange nicht am Ziel sei. Die Rücknahme der Kürzungen sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie verweisen auf Mammutaufgaben wir die Inklusion, den Ganztagsausbau oder die individuelle Förderung der Schüler. 20.000 zusätzliche Lehrerstellen seien eigentlich nötig, rechnet Wenzel vor.

Der Bayerische Philologenverband (bpv) lobte den neuen CSU-Kurs. «Das ist eine Entscheidung für die Schulen und besonders für die bayerischen Schülerinnen und Schüler», sagte der bpv-Vorsitzende Max Schmidt. Der Verzicht auf die Kürzungen löse aber nicht alle Probleme: «Wachsende Aufgaben und steigende Erwartungen an unser Bildungssystem machen künftig weitere Maßnahmen erforderlich.»

Die Opposition ist noch skeptisch. Sie will Seehofer erst glauben, wenn die Wahlen vorbei sind und die Stellen tatsächlich schwarz auf weiß im Nachtragshaushalt stehen. «Jetzt geht es darum, darauf zu achten, dass die Zusage eingehalten wird und nicht nur dem Kommunalwahlkampf geschuldet ist», sagt SPD-Mann Martin Güll. CHRISTOPH TROST, dpa

Zum Bericht: Also doch: Seehofer hat Streichungen von Lehrerstellen seit Längerem geplant

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