Interview: Bessere Jugendarbeit soll junge Muslime vor Extremismus bewahren

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OSNABRÜCK. Die Ideen radikaler Islamisten üben auch auf junge Menschen aus Deutschland Faszination aus. Damit sie nicht in den Extremismus abgleiten, sollen Vorbeter in den Moscheegemeinden und andere ehrenamtliche Helfer für die Diskussionen mit ihnen geschult werden.

Ein neues Fortbildungsangebot der Universität Osnabrück soll die Jugendarbeit in den muslimischen Gemeinden Deutschlands verbessern. Das vom Institut für Islamische Theologie angebotene Programm «Jugendarbeit in den Moscheegemeinden und Extremismusprävention» richtet sich an Imame und anderes Personal in den Gemeinden in ganz Deutschland. Mit der einjährigen Fortbildung soll den Gemeinden unter anderem geholfen werden, das Abgleiten junger Muslime in den Extremismus zu vermeiden, sagt der Direktor des Instituts, Bülent Ucar. Der Bedarf an solchen Weiterbildungsangeboten sei groß.

N4T: Erreicht man mit diesem Weiterbildungsangebot überhaupt radikalisierte junge Menschen?

Ucar: Menschen, die ihre Meinung bereits vorgefasst und verfestigt haben, erreicht man mit diesem Projekt sicherlich nicht. Das ist aber auch nicht das Klientel, das wir erreichen wollen. Uns geht es um diejenigen, die das Potenzial haben, in extremistische Gruppen abzudriften, die sich aber noch unsicher sind. Die Bitte, hier Schulungsangebote zu machen, kommt übrigens aus den Moscheegemeinden selber, wir begreifen uns nicht als Vorhut der Polizei oder des Verfassungsschutzes.

Professor Bülent Ucar gehört zu Deutschlands Islamexperten (Foto: Pressestelle Uni Osnabrück / Manfred Pollert)
Professor Bülent Ucar gehört zu Deutschlands Islamexperten (Foto: Pressestelle Uni Osnabrück / Manfred Pollert)

N4T: Sind denn die radikalisierten Jugendlichen überhaupt Mitglieder der Moscheegemeinden oder bewegen sie sich in anderen Zirkeln?

Ucar: Natürlich gibt es wenige Gemeinden, die auch solchen Menschen Rückendeckung bieten, aber das sind absolute Ausnahmen. Radikale Menschen bewegen sich meist außerhalb der Gemeinden. Dennoch führt der Weg in den Extremismus oft über die Moscheen. Es gibt eine Entscheidungsphase bei diesen jungen Menschen, bevor sie in diese radikalisierte Szene abdriften. Und an dieser Stelle möchten wir diese Menschen erreichen. An diesem Punkt kommen auch Fragen an uns von den Imamen, denn die jungen Menschen gehen in die Gemeinden und haben Gesprächsbedarf, wollen sich austauschen. Das bekommen die Vorbeter auch mit. Aber meistens ist es so, dass sie mit dieser Situation überfordert sind. Wir wollen übrigens nicht nur ein Programm für Imame, sondern auch für anderes Betreuungspersonal. Es arbeiten dort ganz viele Frauen, die ehrenamtlich im pädagogischen und diakonischen Bereich tätig sind.

N4T: Ist es nicht schwer mit Menschen in einen Dialog zu kommen, die die westliche Demokratie von Grund auf ablehnen?

Ucar: Wenn man sich für eine demokratische, plurale Gesellschaft einsetzt, erklärt man sich ja nicht automatisch mit allem einverstanden, was in dieser Gesellschaft geschieht. Kritik zu üben ist legitim. Ich denke, man muss deutlich machen, dass unsere demokratische Grundordnung es gerade auch religiösen Menschen ermöglicht, ihren Glauben zu leben. Wir sehen ja im Moment beispielhaft in Syrien und im Irak, dass das von den religiösen Extremisten eben nicht ermöglicht wird.

ZUR PERSON: Bülent Ucar wurde 1977 in Oberhausen geboren. Der habilitierte Islamwissenschaftler ist seit 2008 ordentlicher Professor an der Universität Osnabrück. Der Fachmann für Islamunterricht an Schulen ist seit 2010 Mitglied der Deutschen Islam-Konferenz und berät als Experte das Bundeskanzleramt. Die Fragen stellte Elmar Stephan

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