Eine Uni-Gründung als Politikum – Ruhr-Universität feiert Jubiläum

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BOCHUM. Die Ruhr-Universität Bochum feiert ihren 50. Geburtstag. Die erste Hochschulgründung in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg bildete den Auftakt zur Schaffung einer dichten Bildungslandschaft im damaligen hochschulpolitischen Niemandsland Ruhrgebiet.

Die erste deutsche Universitätsgründung nach dem Zweiten Weltkrieg war ein Politikum. Eine Hochschule im Ruhrgebiet sollte den Strukturwandel beschleunigen und endlich den «weißen Bildungsfleck» beseitigen. Kaiser Wilhelm II. hatte Hochschulen in der «Waffenschmiede des Reiches» verboten.

Fast 43 000 Studierende besuchen heute die Ruhr-Universität Bochum. Foto: M / Wikimedia Commons
Fast 43 000 Studierende besuchen heute die Ruhr-Universität Bochum. Foto: M / Wikimedia Commons

Anfang der 60er Jahre entschloss sich der nordrhein-westfälische Landtag zum Neubeginn. Ministerpräsident Franz Meyers (CDU) schob den Ausbau der Bildungslandschaft an. Und das hatte Gründe: besonders die Stahl- und Kohlekrise ab 1957 drängte zum Strukturwandel. Für das Vorzeigeobjekt wollten die Politiker 2,3 Milliarden Mark in die Hand nehmen. Nach langen Querelen um den Standort feierte die Betonburg «Ruhr-Uni» am 30. Juni 1965 Eröffnung.

Dank großzügiger Ausstattung wurden von weither Professoren angelockt und auch die Zahl der Studenten stieg schon nach fünf Jahren auf über 10 000. Heute sind es fast 43 000 Studierende.

Aus dem hochschulpolitischen Niemandsland Ruhrgebiet wuchs ein dichter Bildungsstandort mit weiteren Neugründungen in Dortmund, Duisburg und Essen heran. Das Revier sorgte auch später mit wiederum deutschlandweiten «Uraufführungen» für weitere Schlagzeilen. 1974 entstand in Hagen die erste Fernuniversität. 1982 folgte in Witten/Herdecke die erste Privatuniversität.

Der Hochschulbau erleichterte dem Nachwuchs der Stahlarbeiter und Bergleute den Zugang zum Studium. Bislang mussten die jungen Leute aus dem Revier an die überfüllten Hochschulen nach Münster, Köln, Bonn oder Aachen gehen, sofern es die Verhältnisse überhaupt erlaubten.

Um Anekdoten blieb die Ruhr-Universität nicht verlegen. Nachdem das Geschrei der Nachbarn aus Dortmund um den Sitz der Hochschule durch das Versprechen auf eine eigene Uni verebbt war, schritten Politiker, deutsche Universitätsrektoren und die ersten 67 Professoren im gewünscht dunklen Anzug zum Eröffnungsakt im Schauspielhaus. Einzig Landesmutter Wilma Meyers pfiff auf alle Kleidungsvorgaben und tanzte mit einem bunt getupften Kleid aus der Reihe.

Das Theater musste für die Feier herhalten, weil auf Europas größter Baustelle kaum etwas fertig war. Die Uni betrieb ihren eigenen Strukturwandel und brachte Bibliothek und Institute zunächst in alten Zechengebäuden unter.

Unter dem Titel «Klage im Kloster» berichtete 1967 der «Spiegel» von 40 Gelehrten, die ein Memorandum über die schwierigen Bedingungen verfasst hatten. 23 der 40 Unterzeichner saßen aus Platzmangel an ihren alten Wirkungsstätten in fernen Städten. Versprochen hatte man ihnen einen «Vollbetrieb» ab Wintersemester 67/68. «Bochum war eine politische Entscheidung. Die Planer wurden erst hinterher gefragt», brachte es damals ein Sprecher des Bauministeriums auf den Punkt.

Das Jubiläum trifft die Uni mitten in der Sanierung. Seit Jahren wird die unansehnliche Betonburg mit Milliarden-Aufwand erneuert. Damals stieß der streng geometrische Betonstil noch auf Hurra-Rufe. (Wolfgang Dahlmann, dpa)

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