Flüchtlingskinder: Mehr Milliarden für die Bildung – SPD setzt Merkel unter Druck

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BERLIN. Die SPD will in dieser Woche – kurz vor dem Bildungsgipfel von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten am kommenden Donnerstag – ein eigenes Konzept zur Integration von Flüchtlingen vorstellen, das nach Informationen des „Spiegel“ zusätzliche Milliarden für die Bildung vorsieht. Das Papier, das die Ministerinnen Andrea Nahles, Manuela Schwesig, Barbara Hendricks sowie die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz ausgearbeitet hätten, trage den Titel: „Neustart in Deutschland – 12 Punkte für einen Integrationsplan Deutschland“. Darin vorgesehen sei eine Aufhebung des Kooperationsverbots, das Finanzhilfen des Bundes im Schul- und Kitabereich untersagt. Der Bund solle zum Beispiel zwei Milliarden Euro allein für die Schaffung von 80.000 zusätzlichen Kitaplätzen bereitstellen.

Muss die Kanzlerin Hand bei der Bildung anlegen? Foto: Armin Linnartz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)
Muss die Kanzlerin Hand bei der Bildung anlegen? Foto: Armin Linnartz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Vor gut sechs Wochen attestierte „Spiegel online“ in einem Kommentar der Kultusministerkonferenz „Arbeitsverweigerung“. Statt Unterstützung vom Bund insbesondere für die Schulen einzufordern, setzten die Bildungschefs der Länder weiter auf „Bordmittel“, um der Herausforderung durch die geschätzt 325.000 zusätzlichen Schüler allein 2015 begegnen zu können. Soll heißen: Alles läuft in der Bildung wie gehabt unter der Ägide der Länder. Ob von den zusätzlichen Milliarden, die der Bund für die Flüchtlinge an die Bundesländer ausschüttet, tatsächlich Mittel bei den Schulen ankommen und wie viele, bleibt den jeweiligen Landesregierungen überlassen.

Die Folge, so legt der Kommentar nahe, ist Chaos. „Wenn Journalisten wissen wollen, wie viele von den benötigten 20.000 Lehrern schon eingestellt sind, weichen die Schulminister aus. Das könne man nicht sagen. Zu kompliziert. Und wie viele werden ausgebildet? Da meldet sich der hessische Kultusminister und erzählt von einer neuen Fortbildung für Deutschlehrer, die er eingerichtet hat – mit 47 Teilnehmern.“ Autor Christian Füller bescheinigte der Kultusministerkonferenz deshalb, „ein Vergehen durch Unterlassung“. Er schrieb: „Sie organisieren die bitter nötige Hilfe für ihre Lehrer nicht. Sie lassen die Schule im Stich, die ab sofort Flüchtlingsklassen einrichten müssen – und zwar mehr denn je.“

Allerdings kommt nun Bewegung in die Diskussion. Die SPD-Bundestagsfraktion will laut „Tagesspiegel“ in der Koalition eine „Nationale Bildungsallianz“ für Flüchtlinge durchsetzen. Kitas, Schulen, Universitäten, Ausbildungs- und Arbeitsplätze seien die Schlüsselstellen für die Integration, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil dem Bericht zufolge. Deshalb seien massive Investitionen ins Bildungssystem notwendig. Dafür müsse das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern auch für den Schulbereich fallen. Die Länder könnten die schulischen Herausforderungen nicht allein bewältigen.

Konkret fordert die SPD-Fraktion laut „Tagesspiegel“ mehr Sprachangebote in den Kitas sowie den Ausbau des sozialen und interkulturellen Lernens. In einem neuen Ganztagsschulprogramm solle der Anteil der Grundschüler, die ganztags lernen, von 30 auf 50 Prozent erhöht werden. Alle Schulen müssten Schulsozialarbeit anbieten können. Sprach- und Integrationskurse sollten aus der Sicht der Sozialdemokraten frühzeitig – also in den Erstaufnahmeeinrichtungen – beginnen. Die Jugendintegrationskurse, die junge Erwachsene auf eine duale Berufsausbildung vorbereiten, müssten ebenfalls ausgebaut werden. Damit einhergehen müsse eine bessere Vergütung der bislang meist prekär beschäftigten und unterbezahlten Sprach- und Integrationslehrer. Auch Studiengänge für Lehrkräfte und Sozialpädagogen sollten ausgebaut werden – besonders für solche mit Migrationsgeschichte. Weiterbilden könnte man zudem ehrenamtliche Flüchtlingshelfer. Sie würden längerfristig als „Kulturbotschafter für Bildung“ gebraucht.

Auch die oppositionellen Grünen fordern eine „bundesweite Bildungsinitiative“ – und, damit einhergehend, die Streichung des Kooperationsverbots. „In all dieser Unsicherheit sind Kitas und Schulen erste Ankerplätze, die Halt geben können“, so heißt es mit Blick auf Flüchtlingskinder in einem gemeinsamen Papier von Katja Dörner (stellvertretende Fraktionsvorsitzende), Kai Gehring (Sprecher für Hochschule, Wissenschaft und Forschung), Özcan Mutlu (Sprecher für Bildungspolitik) und anderen. „Es sind die Orte, in denen Verbundenheit entsteht und Fähigkeiten wachsen. Damit die Bildungseinrichtungen das leisten können, müssen sie besser unterstützt werden – von der Kita über die Schule, von der Hochschule bis zur Weiterbildungsstätte. Darum wollen wir in mehr Chancen für alle investieren. Ein erfolgreiches Einwanderungsland braucht gute Bildung.“

Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder treffen sich am 3. Dezember, auch um die jährliche Bilanz der Bildungsgipfel zu betrachten. Die Grünen appellieren an die Teilnehmer: „Sie müssen eine Bildungsoffensive vereinbaren, die ein Versprechen umsetzt, das nicht nur für die wirtschaftlichen Krisen der letzten Jahre gelten kann: Deutschland muss aus dieser Krise stärker herauskommen, als es hineingegangen ist. Es muss ein inklusiveres, gerechteres und leistungsfähigeres Bildungssystem bekommen als es vorher hatte.“

In Sachen Aufhebung des Kooperationsverbots allerdings stehen die Chancen auf eine Einigung offenbar schlecht. Die Signale aus der CDU sind dem „Tagesspiegel“ zufolge deutlich: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka habe Forderungen nach einem Wegfall des Kooperationsverbots für die Schule bereits „brüsk“ abgewiesen. Dies habe auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Michael Kretschmer bestätigt. Dieser Vorschlag der SPD sei „ideologiebehaftet“. News4teachers

Zum Kommentar: Frau Merkel, übernehmen Sie! Lassen Sie die Schulen mit der Eingliederung der Flüchtlingskinder nicht allein!

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Georg
8 Jahre zuvor

Und hinterher soll bitte niemand kommen und sagen, die Politik hätte nicht reagieren wollen. Zumindest SPD und Grünen kann man den Vorwurf dann nicht machen.

Der Union schon. Aber der geht es ja auch vornehmlich um Abschreckung, die man mit der schlechten Behandlung von Geflüchteten erreichen will. Damit sich das in Syrien und den Nachbarländern rumspricht und die Menschen dann nicht mehr vor Krieg und den schlachtenden Islamisten flüchten. Weil: In Deutschland ist es ja noch schlimmer.

Und das alles auf dem Rücken der Lehrer*innen. Und wenn man schon nicht so viel für die Flüchtlinge übrig hat, so sollte doch wenigsten an diesem Beispiel klar werden, wer für die Nöte der Lehrkräfte an den Schule sehr bald verantwortlich sein wird.

Was sagt uns das? Bei der Union sitzen die eigentlichen Integrationsverweigerer. Und das nicht erst seit der Flüchtlingskrise.