Immer mehr Eltern machen ihren Kindern Druck selbst in den Ferien – Philologen-Appell: „Schüler müssen auch mal abschalten!“

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HANNOVER. In fünf Bundesländern (Niedersachsen, Bremen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) haben die Sommerferien bereits begonnen, in den anderen stehen sie vor die Tür – Anlass für den Hessischen Philologenverband, einen Appell an die Eltern zu richten. „Kinder müssen auch mal abschalten“, sagt der Vorsitzende Jürgen Hartmann. Die Sorge, Eltern könnten selbst während der Ferien Druck auf ihre Kinder auszuüben, scheint tatsächlich berechtigt zu sein: Mehr als die Hälfte der Väter und Mütter legen Wert darauf, dass ihr Nachwuchs in den freien Tagen etwas für seine Bildung tut – Tendenz: steigend. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage des Studienkreises.

Pauken während der Sommerferien? Für immer mehr Kinder offenbar Realität. Foto: Travis Warren / flickr (CC BY-NC 2.0)
Pauken während der Sommerferien? Für immer mehr Kinder offenbar Realität. Foto: Travis Warren / flickr (CC BY-NC 2.0)

Während sich Millionen von Schülerinnen und Schülern auf entspannte Wochen frei von Formeln und Vokabeln freuen, haben viele Eltern für sie andere Pläne. 53 Prozent von ihnen wollen, dass der eigene Nachwuchs auch in den Sommerferien etwas für seine Bildung tut. Neben dem Lesen von Büchern oder einem Museumsbesuch soll vor allem der Schulstoff wiederholt werden – entweder eigenständig oder in speziellen Ferienkursen. Auch Sprachreisen und digitale Lernangebote stehen hoch im Kurs.

Das sind Ergebnisse der aktuellen Studienkreis-Umfrage zum Thema „Lernen in den Ferien“. Für die bundesweit repräsentative Studie befragte das Forschungsinstitut forsa rund 1.000 Eltern mit schulpflichtigen Kindern zwischen sechs und 17 Jahren. „Die Umfrage bestätigt unsere Erfahrungen aus den letzten Jahren. Die Nachfrage nach unseren Ferienkursen ist stark gestiegen“, berichtet Max Kade, pädagogischer Leiter des Studienkreises. Die Kurse des Nachhilfeinstituts nutzten die Schülerinnen und Schüler vor allem, um Wissenslücken zu schließen und sich auf das neue Schuljahr vorzubereiten.

Trend verschärft sich: Immer mehr Eltern schummeln bei den Schulferien – und müssen dafür zahlen

Die Umfrage zeigt, dass Familien mit einem eher geringen Haushaltsnettoeinkommen besonders großen Wert auf Lernen in den Ferien legen. Auch zwischen Ost- und Westdeutschland gibt es nennenswerte Unterschiede. Während sich im Westen knapp 51 Prozent der Eltern für die Ferienbildung des Nachwuchses interessieren, sind es in den neuen Bundesländern 67 Prozent. Einen ähnlichen interessanten Unterschied gibt es bei diesem Thema auch zwischen Vätern und Müttern. 59 Prozent der Väter ist Lernen in den Ferien wichtig, bei den Müttern sind es nur 49 Prozent. Interessant sei dies deshalb, weil laut sonstiger Umfragen meist die Frauen stärker bei Nachhilfe und Schulfragen aktiv sind, heißt es.

Davon, wie sich der Nachwuchs bilden soll, haben die Eltern genaue Vorstellungen. Neben außerschulischem Lernen durch Lesen in Büchern und Zeitschriften oder pädagogisch wertvollen Ausflügen in Museen oder Zoos favorisieren sie das eigenständige Lernen von Schulstoff und die Nutzung von digitalen Lernprogrammen. 14 Prozent der Eltern, die Wert darauf  legen, dass ihr Kind in den Ferien etwas für seine Bildung tut, wollen außerdem Nachhilfe oder Ferienkurse mit schulischen Inhalten nutzen. Besonders interessant ist diese Möglichkeit des Ferienlernens für Schülerinnen und Schüler zwischen 14 und 17 Jahren. „Die Umfrage zeigt deutlich, welch hohen Stellenwert Bildung für die meisten Familien genießt. Das ist sicher positiv. Trotzdem sollten Eltern darauf achten, dass die Schule in den Sommerferien nicht zu stark im Fokus steht“, sagt Kade. Die Kinder und Jugendlichen bräuchten die Ferien, um sich zu erholen und mit neuer Kraft ins nächste Schuljahr zu starten. Der Experte rät deshalb, klare Regelungen zu finden – sowohl zum Wiederholen des Unterrichtsstoffs, als auch zur Erholung.

„Freie Tage zur Erholung“

In die gleiche Kerbe schlägt Philologen-Landeschef Jürgen Hartmann. Er appelliert an die Eltern, ihren Kindern die Pause zu gönnen. „Ferien sollen Möglichkeiten zum Abschalten, zum Entspannen bieten. Auf strikte Lernprogramme sollte verzichtet, vielmehr sollten die freien Tage zur Erholung genutzt werden“, sagt Hartmann. Gerade auch leistungsschwächere Kinder, die Schule oftmals als wesentlich anstrengender erleben, benötigen die freie Zeit, um sich von dem Schulalltag zu erholen, um Abstand zu gewinnen.

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Nachhilfe in den Ferien sollten Eltern nur in Ausnahmesituationen in Betracht ziehen. In Einzelfällen könne das sinnvoll sein, etwa wenn ein Kind wegen einer langen Krankheit viel versäumt habe oder in den letzten Ferientagen eine Nachprüfung absolvieren müsse, von der die Versetzung in die nächste Klassenstufe abhängt. Auch wer in zwei Fächern gerade so durchgekommen sei oder in einem Fach eine Fünf habe, dem schade es nicht, den Stoff zu wiederholen. Hartmann: „Eine sinnvolle Nachhilfe muss aber in die Tiefe gehen und sollte zuvor mit der Schule abgesprochen sein. Es ist ein Irrglaube, man könne sozusagen in den Ferien einfach so nachholen, was man ein ganzes langes Schuljahr über verpasst hat.“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

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