Archäologie: Zugestochen, Waffe gedreht – Neues zum spätantiken Krimi aus der Pfalz

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SPEYER. Der Mann starb einen qualvollen Tod: Sein Peiniger stach zu, drehte die Waffe und brach dem Opfer die Beine, bevor er es zerhackte. Anthropologen haben die gut 1500 Jahre zurückliegende Tat aus der Nordpfalz nun rekonstruiert. Das Motiv der Tat ist weiter unklar.

Holzfigur am Römerpark Vicus Eisenberg. Foto: Immanuel Giel / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)
Holzfigur am Römerpark Vicus Eisenberg. Foto: Immanuel Giel / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)

Archäologen haben neue Erkenntnisse zu einem grausam zugerichteten Mann aus der Spätantike, dessen Skelett im vergangenen Sommer in der Nordpfalz entdeckt worden war. Konstanzer Anthropologen hätten die Knochen untersucht und rekonstruiert, welche Verletzungen der etwa 20 bis 25 Jahre alte Mann erlitten habe, sagte Ulrich Himmelmann, Leiter der Direktion Landesarchäologie – Außenstelle Speyer, der Deutschen Presse-Agentur. Sie entdeckten zum Beispiel eine Stichverletzung in der Wirbelsäule. «Man hat das Schwert gedreht und dann gedreht wieder herausgezogen», berichtete der Archäologe. Bislang war nur bekannt, dass die Schienbeine des Mannes gebrochen waren, zudem war der Oberkörper abgetrennt.

Der Tote war im Hof einer spätantiken Kleinfestung in Eisenberg (Donnersbergkreis) entdeckt worden – nach Einschätzung der Archäologen ein ungewöhnlicher Ort für ein Grab. Die Siedlungsbestattung war damals vor allem aus hygienischen Gründen per Gesetz verboten. Himmelmann hatte deshalb auch vermutet, dass es sich ein Mordopfer gehandelt haben könnte, das versteckt worden sei.

Die Konstanzer Anthropologen Carola Berszin und Joachim Wahl hätten auch herausgefunden, dass der Tote ohne Fesseln begaben worden sei, sagte Himmelmann. Er wies darauf hin, dass die bäuchlings in einem Loch liegenden Körperteile von vielen Steinen bedeckt waren. In der Fachliteratur würden ähnliche Fälle von Bedeckungen erwähnt, die sich auf den Umgang mit vermeintlichen «Untoten» bezögen und auf die Absicht, dass der Tote nicht «wiederkommen» möge. «Es gibt Fälle, wo das belegt ist und wo man auch solche Steinabdeckungen hat, ohne dass man jetzt sagen kann: Das war jetzt hier so», ergänzte er.

Weshalb der Mann so zugerichtet wurde, ist weiter unklar. Die Grabung werde aber demnächst im Rahmen einer Abschlussarbeit an der Universität in Freiburg ausgewertet, sagte Himmelmann. «Im Winter werden wir dann sicherlich schon deutlich mehr wissen.» Aufgrund der freigelegten Schichten könne man bisher sicher sagen, dass der Tote in die spätrömische Zeit gehöre, «in der wir hier eine ganze Abfolge von Kriegen und kriegerischen Auseinandersetzungen haben».

Mit Hilfe der Radiokarbonmethode soll nun eingegrenzt werden, wann der Mann starb. Die Archäologen waren zunächst davon ausgegangen, dass das Skelett rund 1500 bis 2000 Jahre alt ist. Außerdem soll anhand von Einlagerungen in den Knochen untersucht werden, welche Stoffe der Mann mit der Nahrung aufgenommen hat. «Damit kann man zum Teil feststellen, wo jemand seine Kindheit verbracht hat, vielleicht auch, wo er seine letzten Lebensjahre verbracht hat», erklärte Himmelmann. «Stammt er zum Beispiel aus dem freien Germanien, ist er vielleicht von weiter her gekommen oder war es ein Eisenberger?»

Aufgrund der Stichverletzung in der Wirbelsäule hatten die Anthropologen nach seinen Angaben den Stichkanal rekonstruieren können. Demnach stach der Täter dem Opfer mit einem kürzeren Schwert oder einem Dolch seitlich von rechts in den Leib, wobei er vermutlich Nieren, Bauchmuskulatur und Innereien verletzte. Am dritten Lendenwirbel blieb die Waffe stecken.

Doch damit war die Tortur für das auf dem Bauch liegende Opfer noch nicht vorbei. «Dann muss jemand mit massiver Gewalt von hinten auf die Schienbeine, auf die Waden eingeschlagen haben.» Dabei seien sowohl das Schien- als auch das Wadenbein gebrochen worden. Es sei ein massiver Trümmerbruch festgestellt worden. Womit der verursacht worden sei, sei aber unklar. Mit mindestens zwei Schwerthieben von hinten sei dann der Oberkörper des Mannes abgetrennt worden. «Das hat das Opfer am Ende dann zerteilt und sicherlich auch getötet.»

Die Anthropologen hätten auch herausgefunden, dass der Mann zu Lebzeiten sehr hart habe arbeiten müssen, worauf entsprechende Verschleißerscheinungen hindeuteten, sagte Himmelmann. Er habe zwar fast noch alle Zähne, aber auch Probleme mit Parodontose gehabt. Auch Brüche an den Schneidezähnen fielen auf. «Da ist er auch massiver Gewalteinwirkung ausgesetzt gewesen.»

Die Überreste waren bei der Ausgrabung einer Kleinfestung gefunden worden. Dabei arbeiten Speyerer Archäologen mit Forschern der Universität Heidelberg zusammen. Am 12. und 13. August können Interessierte den Wissenschaftlern bei einem Wochenende der offenen Grabung dort über die Schulter schauen. Die Aktion ist eine von 400 Veranstaltungen im Rahmenprogramm der aktuellen Landesausstellung «Vorzeiten – Archäologische Schätze an Rhein und Mosel», bei der Funde aus Rheinland-Pfalz gezeigt werden. Am 1. August berichtet Himmelmann zudem mit einem Heidelberger Kollegen im Landesmuseum Mainz über den rätselhaften Toten aus der Römerzeit. dpa

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