Plagiats-Vorwürfe gegen Schavan: „Nicht die Klasse eines Guttenberg“

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BERLIN. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) steht wegen anonym im Internet erhobener Plagiatsvorwürfe unter Druck. Allerdings: Andere Plagiatsjäger hatten es bereits verworfen, die Kritik an ihrer Dissertation öffentlich zu machen – mangels Bedeutung.

«Mit anonymen Vorwürfen kann man schwerlich umgehen»: Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Foto: Bürgerdialog Zukunftstechonlogien / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
«Mit anonymen Vorwürfen kann man schwerlich umgehen»: Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Foto: Bürgerdialog Zukunftstechonlogien / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Die Doktorarbeit von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) war bereits monatelang auch im Visier anderer Plagiatsjäger. Aus Mangel an schwerwiegenden Vorwürfen hätten sich jedoch die Mitglieder des Netzwerkes «VroniPlag» mehrheitlich entschieden, mit ihren Ergebnissen nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, sagte die Berliner Plagiatsforscherin Debora Weber-Wulff «Spiegel online».

Schavan muss sich seit Anfang der Woche anonymer Plagiatsvorwürfe im Internet erwehren. Es geht dabei um die Arbeit «Person und Gewissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung», mit der Schavan 1980 an der Universität Düsseldorf den Doktortitel mit der Note «magna cum laude» im Fach Erziehungswissenschaften erwarb. Auf einer Plattform «Schavanplag» listet ein Unbekannter angebliche Plagiatsstellen auf 56 Seiten ihrer gut 350 Seiten starken Dissertation auf. Im Wesentlichen werden ihr Mängel und «Verschleierung» beim Quellennachweis vorgeworfen – anders als im Fall von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der komplette Textstellen anderer Autoren als sein geistiges Eigentum in der Dissertation ausgewiesen hatte.

Es gebe auch in Schavans Arbeit «sehr problematische Stellen», sagte Weber-Wulff, die Professorin für Medieninformatik an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft ist. Sie hätten aber «nicht die Güteklasse eines Guttenberg». Für eine Veröffentlichung der Kritik an Schavans Arbeit durch «VroniPlag» hätten «mindestens zehn bis zwanzig Prozent des Textes plagiert sein» müssen. «Das ist bei Schavan nicht der Fall», sagte Weber-Wulff dem «Tagesspiegel». Weber-Wulff äußerte die Vermutung, dass es sich bei dem anonymen Urheber der Schavan-Veröffentlichung jetzt um ein früheres Mitglied von «VroniPlag» handeln könne, der über die Mehrheitsentscheidung enttäuscht gewesen sei.

Burchardt fordert Clearingstelle des Staates

Die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), forderte eine vom Staat geförderte offizielle Clearingstelle, um Plagiatsvorwürfe aus der Anonymität des Internets herauszuholen. Das Auffinden von Plagiaten dürfe nicht länger allein anonymen Internetplattformen überlassen bleiben, sagte Burchardt. «Zu häufig sind dabei auch Einzelinteressen, Konkurrenzdenken und Rivalitäten unter Wissenschaftlern im Spiel – was es bisweilen nicht nur in Wirtschaftsunternehmen sondern auch in Hochschulen gibt.»

Burchardt sagte, die Internetszene habe mit dem Aufdecken zahlreiche Plagiatsfälle erfolgreich «den Finger in eine offene Wunde der Qualitätssicherung bei den Promotionen gelegt». Es sei nun die Aufgabe der Wissenschaft und auch der Bundesregierung, daraus geordnet Konsequenzen zu ziehen. Das Bundesbildungsministerium sollte deshalb eine offizielle Clearingstelle etwa unter Mitwirkung der Deutschen Forschungsgemeinschaft  finanzieren, die Verdachtsfälle unvoreingenommen überprüft und auch Zahlen über das wahre Ausmaß des Schwindels mit Promotionen liefert, forderte Burchardt. «Die Gefahr eines seltsamen, durch das anonyme Internet begünstigten Denunziatentums wächst. Und schnell steht dann jemand im Internet am Pranger – unter Umständen auch manchmal zu Unrecht.»

Experte: Schavan nicht mehr haltbar

Der Plagiatsexperte Stefan Weber, der mehrfach bei Gerichtsverfahren um Doktorarbeiten als Sachverständiger auftrat, sagte der «Leipziger Volkszeitung», Schavan sei wegen der Vorwürfe im Amt der Forschungsministerin nicht mehr haltbar.

Schavan selbst forderte den oder die Autoren des Blogs auf, sich zu erkennen zu geben. Zugleich versicherte sie, aufklären zu wollen. Schavan: «Ich habe heute diese entsprechende Seite mir angeschaut, es ist eine anonyme Seite, deshalb ist meine erste Antwort: Wer sich mit meiner Dissertation beschäftigt hat, mit dem bin ich gerne bereit, über diese Dissertation zu sprechen, über das Zustandekommen.» Sie gebe gerne jedem Rechenschaft über die Quellen, versicherte Schavan. «Mit anonymen Vorwürfen kann man schwerlich umgehen», betonte die Ministerin. Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende ist seit 2005 Bundesministerin für Bildung und Forschung. Zuvor war sie Kultusministerin in Baden-Württemberg.

Schavan sagte: «Ich habe mein Thema damals sehr genau bearbeitet.» Ihre Dissertation habe sie «nach bestem Wissen und Gewissen» angefertigt. Für die Arbeit mit Quellen habe sie einen Zettelkasten verwendet, den sie noch heute besitze. Man könne nie ausschließen, dass ähnliche Gedanken oder Formulierungen auch in anderen Werken stünden.

Die Promotionskommission der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf wird die Plagiatsvorwürfe prüfen. Das Gremium werde kommende Woche seine Arbeit aufnehmen, sagte ein Uni-Sprecher. «Das in solchen Fällen übliche Verfahren entspricht auch der Bitte von Frau Professor Schavan.» Wie lange die Prüfung dauert, sei offen. dpa (3.5.2012)

Zum Bericht: „Promovieren bald nur noch mit eidesstattlicher Versicherung?“

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