Kretschmann will in die Offensive – und drängt auf Schulschließungen

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STUTTGART (Mit Kommentar). Eine neue Schulart, viele Schulen mit Schülerschwund, andere mit überlaufenden Klassen – und viel Wirbel um die angekündigte Streichung von fast 12.000 Lehrerstellen: Damit das Bildungswesen im Südwesten nicht im Chaos endet, will die Regierung nun aktiv werden.

Dürfte sich mit der Ankündigung, kleine Schulen schließen zu wollen, neuen Ärger eingebrockt haben: Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Dürfte sich mit der Ankündigung, kleine Schulen schließen zu wollen, neuen Ärger eingebrockt haben: Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat angekündigt, dass Grün-Rot zügig mit allen Beteiligten regionale Schulentwicklungspläne aufstellt. «In der Tat drängt die Zeit für regionale Schulentwicklungspläne», sagte der Regierungschef. Er sei bereits mit den kommunalen Verbänden im Gespräch darüber. Die Voraussetzungen dazu würden gerade erarbeitet, etwa wie eine Region definiert werde oder welche Mindestgrößen für Schulen gelten sollen.

Er halte die Konzentration von kleinen Schulen auf dem Lande für unabdingbar, auch weil Minischulen nicht mehr die notwendige Qualität und das Angebot offerieren könnten. Unausgewogenheiten der Lehrerversorgung auf dem Land und in den Metropolregionen müssten ausgeglichen werden. «Das wird natürlich zu Schulschließungen führen.» Manche Schüler, die heute etwa im beruflichen Schulen in Miniklassen unterrichtet würden, müssten künftig eventuell längere Wege in Kauf nehmen. Allerdings wolle er am Prinzip «kurze Beine, kurze Wege» festhalten: «Im Kern lassen wir erstmal die Grundschule im Dorf.»

Die Kommunalverbände hatten zuvor regionale Entwicklungspläne angemahnt – auch um teure Parallelstrukturen zu vermeiden. Gemeindetagspräsident Roger Kehle begrüßte die Ankündigung. Er hoffe auf baldige Umsetzung.

Zur Empörung über geplante Stellenstreichungen bei den Lehrern fügte Kretschmann hinzu, Baden-Württemberg sei «absolute Spitze» bei der Lehrerversorgung: Die Zahl der Schüler pro Pädagoge werde von 14,2 im Jahr 2011 im kommenden Schuljahr auf weniger als 14 sinken. Grund: Durch den Schülerrückgang freiwerdende 3300 Stellen werden im System belassen. Mit Blick auf seinen bayerischen Amtskollegen und dessen Pläne, zusätzliche Lehrer einzustellen, sagte er: «Da muss der Seehofer schon zulegen, um das zu erreichen.»

Scharfe Kritik von der Städtetagspräsidentin

Städtetagspräsidentin Barbara Bosch hatte die grün-rote Schulpolitik zuvor ungewöhnlich scharf kritisiert. «Die Landesregierung begeht einen zentralen Fehler: Sie überlässt die Entwicklung ihrer Schulpolitik dem freien Spiel der Kräfte vor Ort», sagte Bosch der «Stuttgarter Zeitung». Grün-Rot wolle zwar das System mit der Gemeinschaftsschule erneuern. Es tue sich aber zu wenig. «Ich sehe kein kraftvolles Agieren», monierte die parteilose, aber SPD-nahe Oberbürgermeisterin von Reutlingen.

Derzeit bewerben sich laut Bosch vor allem Haupt- und Werkrealschulen dafür, Gemeinschaftsschule zu werden. «Daraus resultiert das Risiko, dass die Gemeinschaftsschule als nichts anderes verstanden wird als ein neues Türschild für Haupt- und Werkrealschulen.» Es gebe keine übergreifende Schulentwicklungsplanung mehr. «Das ist nicht gut.»

Verständnis zeigte Bosch für die Pläne der Regierung, Lehrerstellen einzusparen. Erstens gingen die Schülerzahlen seit 2003 zurück und zweitens sei der Etat ohne solche Maßnahmen nicht zu sanieren. «Ich bin der Meinung, dass über die Jahre Lehrerabbau nicht automatisch eine Verschlechterung der Unterrichtsqualität nach sich ziehen muss.» dpa
(17.7.2012)

 

 

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