Forscher: Kindermumien-Kult nach Klimaveränderung

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SANTIAGO DE CHILE. Mumifizierte Kinderleichen – das klingt unheimlich, ist aber ein Zeichen für komplexe gesellschaftliche Strukturen. Eine Klimaänderung war nötig, damit einem Volk in Südamerika dieser Kultursprung gelang.

Auch die Inka mumifizierten Leichen, auch Kinderleichen. Das Foto zeigt eine Inka-Mumie im Ethnologischen Museum Berlin. Foto: Ethnologisches Museum Berlin / Wikimedia Commons
Auch die Inka mumifizierten Leichen, auch Kinderleichen. Das Foto zeigt eine Inka-Mumie im Ethnologischen Museum Berlin. Foto: Ethnologisches Museum Berlin / Wikimedia Commons

Der Kindermumien-Kult des südamerikanischen Chinchorro-Volkes war die Folge klimatischer Veränderungen. Das haben Forscher einer Universität in Chile herausgefunden. Vor 7000 bis 8000 Jahren begann das Volk, die Leichen seiner Kinder künstlich aufwendig zu mumifizieren.

Ursprung dieses kulturellen Fortschritts sei eine «feuchte Phase» in der Atacama-Wüste, dem Lebensraum dieser Menschen, gewesen, wie die Wissenschaftler um Pablo A. Marquet von der Päpstlichen Katholischen Universität Chile erläuterten. Diese Phase begann vor etwa 7400 Jahren und endete vor rund 4200 Jahren. Das stimme recht genau mit der Zeit überein, in der das Jäger- und Sammlervolk seine ersten Toten mumifizierte.

Zwei natürliche Phänomene bildeten demnach die Grundlage für den Totenkult: Zum einen stieg der Grundwasserspiegel in der Region, zum anderen ließ das aufsteigende Tiefenwasser an der Pazifikküste Südamerikas auch die Meereslebewesen üppig gedeihen. Dank des besseren Wasser- und Nahrungsangebots wuchs auch die Chinchorro-Bevölkerung schneller. Dies habe die Entwicklung des kulturell bedeutsamen Totenrituals begünstigt oder sogar ermöglicht, wie die Forscher in ihrem Artikel in den «Proceedings» der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA schreiben.

Die an den Pazifik grenzende Atacama-Wüste im Norden Chiles und Süden Perus gehört zu den trockensten Gebieten der Welt. Auch dies habe die spezielle Form der Bestattung begünstigt.

Das Chinchorro-Volk kam vermutlich vor 10:000 Jahren in diese Wüste. Als die künstliche Mumifizierung begann, gab es in der Gegend womöglich mehrere 1000 natürliche Mumien, die das Landschaftbild prägten, schreiben die Autoren.

Anfangs richteten diese Menschen nur Kinderleichen her. Später bedeckten sie auch erwachsene Tote mit Lehm, bemalten sie und bandagierten, verschnürten oder veränderten sie auf andere Weise.

Das Volk nutzte verschiedene Mumifizierungsmethoden zur selben Zeit. Zusammen mit der Entwicklung von Fischereiwerkzeugen wie Harpunen und Fanghaken ist dieser Totenkult nach Aussage der Forscher ein Anzeichen für komplexe gesellschaftliche Strukturen. dpa

(13.8.2012)

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