Streit um G8 in Hessen und Baden-Württemberg

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STUTTGART/WIESBADEN. Ob Ministerpräsident Volker Bouffier in Hessen oder die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg, die Bundesländer wollen zumindest teilweise zum längeren G9-Bildungsgang in den Gymnasien zurückkehren. Wer wann was anbieten darf, ist unter den Schulpolitikern jedoch umstritten.

In Baden-Württemberg wollen viele Gymnasien vom achtjährigen Bildungsgang zum ein Jahr längeren sogenannten G9 zurückkehren, doch nur 44 Schulen kommen zum Zug. In der grün-roten Koalition droht ein neuer Streit über die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Hintergrund ist die große Zahl von Gymnasien, die sich in der letzten Bewerbungsrunde für die Wiedereinführung von neunjährigen Zügen angemeldet haben. Die SPD-Fraktion und der Städtetag halten die Zahl von 44 Modellschulen, die das Abitur nach neun Jahren anbieten dürfen, für viel zu niedrig.

«Wenn man die Politik des Gehörtwerdens ernst nimmt, ist diese Zahl 44 nicht zu halten», sagte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Er fordert, dass 120 Gymnasien ganz oder teilweise zu G9 zurückkehren dürfen – das wäre knapp ein Drittel. Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann lehnte das aber ab.

Schmiedel hält den Deckel von 44 Schulen für willkürlich. «Ich habe ein Problem mit 44. Was soll denn das? Warum nicht 47, warum nicht 50?» Er mahnte die Grünen, sich nicht weiterhin gegen eine Ausweitung des Modellversuchs zu sperren: «Nur wenn man sich über den Elternwillen und den Willen der Kollegien hinwegsetzt, kann man die 44 halten.» Schmiedel nannte eine Zielmarke: «Wenn wir die 120 ausschöpfen würden, dann könnten wir nach meinem Eindruck fast alle Wünsche erfüllen.»

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier will die Bildungspolitik seiner Landesregierung in ein besseres Licht rücken. Foto: Armin Kübelbeck / Wikimedia CommonsVolker Bouffier will Wahlfreiheit für die Gymnasien. Foto: Armin Kübelbeck / Wikimedia Commons
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier will die Bildungspolitik seiner Landesregierung zum Wahlkampfthema machen. Foto: Armin Kübelbeck / Wikimedia Commons

Grünen-Fraktionschefin Sitzmann entgegnete: «Die Koalition hat vereinbart, dass in jedem Stadt- und Landkreis ein Gymnasium G9 einführen kann, und wir haben 44 Stadt- beziehungsweise Landkreise in Baden-Württemberg. Die Zahl ist also nicht willkürlich gewählt. Das weiß auch der liebe Claus.» Und es sei bisher noch völlig unklar, wie viele Schulen tatsächlich einen Antrag auf Rückkehr zu G9 stellen werden. Sitzmann sprach sich für Verbesserungen bei G8 aus. «Den Eltern geht es nicht darum, dass die Schüler ein Jahr länger in die Schule gehen, sondern darum, dass der Druck und Stress im Schulalltag weniger wird.»

Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel hält G8 für „Murks“

Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) schlägt vor, den Gymnasien Wahlfreiheit über die Länge des Wegs zum Abitur zu lassen. Die Regierung stehe zur Schulvielfalt, sagte Bouffier nach einer auswärtigen Kabinettssitzung in einer Schule in Hochheim am Main. «Dazu gehört auch die freie Entscheidung, ob Schüler nach G8 oder G9 unterrichtet werden», erklärte Bouffier. «Eine Einheitsschule wird es mit dieser Regierung nicht geben.»

Bei einer Anhörung im Wiesbadener Landtag am Tag zuvor hatten Verbände von Lehrern, Eltern und Schülern gefordert, flächendeckend zum Abitur nach 13 Schuljahren zurückzukehren.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel kündigte deshalb einen Gesetzentwurf  für eine Rückkehr zur sechsjährigen Mittelstufe an. «Wir beenden den Murks mit G8», sagte er. Kinder bräuchten diese sechs Schuljahre, um zu jungen Erwachsenen heranzureifen. «Die Landesregierung ist von dem verkündeten Schulfrieden Lichtjahre entfernt», sagte er mit Blick auf die Anhörung. Kultusministerin Nicola Beer (FDP) stehe «vor dem Scherbenhaufen, den der Ministerpräsident angerichtet hat».

Auch die Grünen sehen schwere Mängel in Beers Gesetzentwurf zu G8 und G9. Sie lehnen aber anders als die SPD, ihr möglicher Koalitionspartner nach der Landtagswahl, eine generelle Rückkehr zu G9 ab. Auch sie sind für eine Wahlfreiheit. Der Grünen-Schulpolitiker Mathias Wagner will die Vorstellungen seiner Partei am kommenden Montag (19.11.) vorstellen. Einen Tag später gehen Bouffier und Beer gemeinsam vor die Presse. dpa

(16.11.2012)

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