Aufregung um „Missverständnis“: Gymnasien fürchten Benachteiligung

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STUTTGART. Die Gymnasien in Baden-Württemberg sehen sich erneut von Kultusminister Stoch ins Hintertreffen gesetzt. Nach Streichung von Mitteln für Hausaufgabenbetreuung und außerunterrichtliche Aufgaben sieht der Philologenverband seine Schulart von Grün-Rot durch neue Mindestgrößen benachteiligt. Laut Ministerium liegt der Verband aber falsch.

Andreas Stoch ist ein Jurist aus Heidenheim (Foto: PR/Landesregierung BW)
Andreas Stoch ist ein Jurist aus Heidenheim (Foto: PR/Landesregierung BW)

Die Gymnasiallehrer fordern bei den neuen Mindestgrößen für den Erhalt von Schulen gleiche Maßstäbe. Es könne nicht angehen, dass Werkreal- und Realschulen mit mindestens 40 Schülern in den Eingangsklassen überleben könnten, Gymnasien aber 60 Schüler dafür bräuchten, monierte der Landeschef des Philologenverbandes, Bernd Saur. «Warum reichen 50 Kinder eines Jahrgangs nicht für ein Gymnasium, aber bereits 40 für eine Realschule?»

In der schriftlichen Ursprungsfassung der Regierungserklärung von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hatte es geheißen, dass die Richtgröße von 60 «insbesondere auch» bei der Genehmigung und der Neueinrichtung von Gymnasien gelte. Damit sei nicht ausgeschlossen, dass es auch bereits bestehenden kleinen Gymnasien an den Kragen gehen könne, schlussfolgerte Saur. Es sei offenbar schwer für Grün-Rot zu akzeptieren, dass die Gymnasien «höchste Akzeptanz und Anerkennung» genössen.

Das Kultusministerium bezeichnete die Annahme des Philologenverbands als Missverständnis. Denn Minister Stoch habe vor dem Landtag erklärt: «Für die allgemeinbildenden Gymnasien haben die Eingangsklassen bei Neueinrichtungen mindestens 60 Schülerinnen und Schüler.» Die Zahl 60 beziehe sich nicht auf bestehende Gymnasien.

Nach Angaben des Statistischen Landesamtes erfüllen 46 von 378 öffentlichen Gymnasien das Kriterium «60 Schüler in den Eingangsklassen» nicht. Das sind gut 12 Prozent.

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Unterstützt wurde der Philologenverband von FDP und CDU im Landtag. «Dass für Gymnasien mit 60 Schülern im Startjahrgang eine höhere Hürde gelten soll als für die übrigen Schularten mit 40 Schülern, passt ins Bild der grün-roten Bildungspolitik der Lieblingskinder und Stiefkinder», meinte der liberale Bildungsexperte Timm Kern. Der Bildungspolitiker der CDU, Georg Wacker, sprach von einem «Etikettenschwindel»: Die regionale Schulentwicklung sei ein Schulschließungsprogramm, das auch kleineren Gymnasien nicht ausspare.

Kleine Gymnasien gebe es besonders auf dem Land, erläuterte Verbandschef Saur. Werde den Schülern dort die Möglichkeit genommen, auf einem Gymnasium das Abitur anzustreben, stehe ihnen nur noch die Gemeinschaftsschule zur Wahl, die auch den gymnasialen Standard umfassen soll.

Deshalb vermutet Saur, dass Grün-Rot den Gemeinschaftsschulen «durch die Hintertür» Schüler mit Gymnasialempfehlung zuführen möchte. Denn diese seien wenig an den Gemeinschaftsschulen interessiert. So wisse er, dass an den drei Gemeinschaftsschulen seiner Heimatstadt Ulm kein einziges Kind mit Gymnasialempfehlung die Schulbank drücke. Der Liberale Kern meinte: «Zynisch, aber zutreffend: Wenn auf diese Weise einige Gymnasien geschlossen werden, dürfte dies Grün-Rot nicht unrecht sein, denn ohne Gymnasiasten kann die Gemeinschaftsschule nicht funktionieren.» dpa

(16.5.2013)

Zum Bericht: „Philologenverband: Kretschmann schleift das Gymnasium“

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