Thüringer Lehrerverband: Inklusion in der Thüringer Schule fehlen Herz und Mittel

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ERFURT. Der gemeinsame Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern ist mit großen Erwartungen gestartet. An den meisten Schulen produziert er aber bisher mehr Probleme als Erfolge. „Das Kultusministerium verwechselt gut gemeint mit gut gemacht. Die positiven Effekte der Inklusion zeigen sich nur, wenn die nötigen Ressourcen vorhanden sind. Das ist bislang nicht der Fall.“, so Rolf Busch, Landesvorsitzender des tlv thüringer lehrerverband als Fazit der MDR-Sendung „Fakt ist …!“ vom 8. Juli 2013. Stattdessen drängen die Schulämter mir ihren Beratern auf ein hohes Tempo, so dass den Förderzentren die Schüler ausgehen. Busch weiter: „Wer so strikt handelt, erreiche am Ende das genaue Gegenteil, Isolation statt Gemeinsamkeit. Eine wunderbare Idee verliert an Akzeptanz.“

Die UN-Behindertenrechtskonvention stärkt die Rechte behinderter Menschen. Ein Themenbereich unter vielen behandelt die schulische Bildung. Mit der Unterzeichnung verpflichtet sich Deutschland zur Einführung der inklusiven Schule. In Thüringen wird die Umsetzung seit drei Jahren mit hohem Tempo vorangetrieben. Doch die überwiegende Mehrheit des Schulpersonals ist gar nicht oder nur unzureichend auf die gewaltigen Veränderungen vorbereitet.

Für den Thüringer Kultusminister liegt das Problem klar bei den Lehrern: „…ich kann die Lehrer in einen Kurs schicken, die gar nicht dort hin wollen, die die Zeit absitzen und hinterher wiederkommen und auch nicht schlauer sind. …“ sagt Christoph Matschie in der Sendung „Fakt ist …!“. Rolf Busch weist diesen Vorwurf entschieden zurück. Es fehlen hunderte Fachkräfte und ausreichend Fortbildung, Schulen sind nicht barrierefrei oder es mangelt an speziellen Gruppen- und Klassenräumen. Busch: „Die UN-Konvention ist bindendes Recht. Wie kommt da das
Kultusministerium auf die Idee, die Verantwortung allein an die Schulen zu delegieren? Die Politik steht in der Pflicht mit der Schaffung von notwendigen Rahmenbedingungen. Erst wenn die personellen, räumlichen und sachlichen Voraussetzungen stimmen, wird das gemeinsame Lernen für alle ein Erfolg.“

Auf der anderen Seite werden die Eltern verunsichert. Kindern wird inzwischen der Zugang zu Förderzentren zum Teil gegen den Willen der Eltern verwehrt. Gemeinsamer Unterricht als Zwang? In der MDR-Sendung beklagte Busch die Handhabung der Gutachten: „Wenn du ein Gutachten schreibst, was die Förderschule empfiehlt, dann hast du diesen so lange nach oben zu geben, bis der soweit gewaschen ist, dass es nicht mehr geht. …“ Der tlv wird der Bitte des Kultusministers Christoph Matschie nachkommen, dieses Vorgehen zu belegen.

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So wie derzeit die Umsetzung läuft, gefährdet sie den Lernerfolge aller Schüler und überfordert die an den Schulen Beschäftigten. Vielen behinderten Kindern wird die spezielle Förderung vorenthalten, die übrigen Schüler einer Klasse geraten zu oft aus dem Blick. Eine behutsame Einführung der  Inklusion wäre klug gewesen.

Diese problematische Entwicklung scheint man auch im Kultusministerium zu registrieren. Laut Minister Matschie soll die Einführung der Inklusion künftig mit mehr Qualität und weniger Tempo erfolgen. Für Rolf Busch ist es höchste Zeit den Fokus zu ändern. „Weniger Statistik, mehr Augenmerk auf die Bedürfnisse der Betroffenen. Es geht nicht nur um die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben. Alle Beteiligten müssen von den Vorteilen des gemeinsamen Lernens überzeugt werden, durch Reden und Handeln. Auch das ist Aufgabe der Politik.“

Die Sendung „Fakt ist …!“ vom 8. Juli 2013 in der Mediathek des MDR
Kurzlink: http://bit.ly/qkwJ3h

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