Endlich Action in der Schule? Wenn der Leutnant Lehrer spielt

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VILLINGEN-SCHWENNINGEN. Einen Offizier am Lehrerpult – das wollen immer weniger Schulen. Lehrer und Schüler stehen den Unterrichtsbesuchen der Bundeswehr skeptisch gegenüber. Und das in einer Zeit, in der die Bundeswehr stärker denn je um den qualifizierten Nachwuchs buhlen muss.

Es ist nicht immer einfach für Markus Bayer. Manchmal knallen ihm die Schulen die Tür direkt vor der Nase zu, wenn er fragt, ob er im Unterricht die Bundeswehr vorstellen kann. Bayer ist Oberleutnant und Karriereberatungsoffizier. «Alle so schüchtern heute Morgen!», sagt er zu Zwölftklässlern am Gymnasium am Romäusring in Villingen (Schwarzwald). Er steht vor dem Lehrerpult, in seinem Dienstanzug sieht er aus wie ein Polizist. Es war eine Bedingung der Schule, dass er nicht in «Grünzeug» kommt.

Dafür zeigt er den Schülern gleich zu Beginn, worum es dieses Mal im Gemeinschaftskundeunterricht geht. Er beamt einen Film an die Wand: Ein Panzer rollt über einen Hügel, Fallschirmjäger springen aus einer Militärmaschine. Rockmusik untermalt die schnellen Schnitte. Bayer sagt: «Es ist eben kein Job wie jeder andere.» Abenteuer Bundeswehr? Endlich Action in der Schule?

Der Oberleutnant will den Schülern ein Bild vom Soldaten vermitteln, das bei den jungen Leuten nicht mehr greifbar sei. Durch die Abschaffung der Wehrpflicht befinde sich die Bundeswehr in einem harten Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs, sagt er. Das hatte auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erst kürzlich deutlich gemacht. Deshalb soll die Bundeswehr attraktiver, insbesondere familienfreundlicher werden; flexiblere Arbeitszeiten, modernere Unterkünfte und bessere Karrieremöglichkeiten bieten.

Auch die Nachwuchswerbung lässt sich die Bundeswehr etwas kosten: Nach offiziellen Angaben gab sie dafür 2013 rund 30 Millionen Euro aus. 2011 waren es mit 16 Millionen nur etwa halb so viel. Das geht aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Links-Fraktion im Bundestag hervor. Doch obwohl insgesamt mehr Werbung betrieben wird – immer weniger Schulen geben den Karriereberatern Zutritt. Die Zahl der Unterrichtsbesuche in Baden-Württemberg sei tendenziell rückläufig, berichtet Kai Axel Nagler vom Bundeswehr-Karrierecenter.

Die 17-jährige Isabel ist nicht sonderlich begeistert, dass Bayer ihrem Kurs von der Grobstruktur der Streitkräfte, möglichen Berufszweigen und Gehaltshöhen des Militärs berichtet. «Ich bin eigentlich total gegen die Bundeswehr», sagt sie. Auch wenn sich ihr Bruder für ein Studium verpflichten ließ – sie selbst könne damit nichts anfangen. «Ich verstehe das ganze System nicht. Die Steuergelder könnten doch woanders eingesetzt werden, oder?»

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Sophia dagegen wünschte, sie könnte Wehrdienst leisten. Weil sie allergisch auf einen Inhaltsstoff in den Versorgungspaketen der Bundeswehr reagiert, ist ihr Traum geplatzt. «Mein Papa hat mir nur Gutes erzählt», sagt die 18-Jährige. «Ich bin sicher, dass man bei der Bundeswehr Freunde für’s Leben trifft.»

Soldaten an einem Infostand der Bundeswehr
Infostand der Bundeswehr (beim Tag der offen Tür im Bundesverteidigungsministerium 2012). In mehreren Bundesländern mehrt sich die Kritik an Vereinbarungen zur Zusammenarbeit mit Schulen. Foto: Bundeswehr-Fotos Wir.Dienen.Deutschland./Flickr (CC BY-ND 2.0)

Zwiespältig reagiert nicht nur die Schülerschaft auf den Unterrichtsbesuch des Oberleutnants. «Viele Lehrer stehen der Sache skeptisch gegenüber», sagt Gemeinschaftskundelehrerin Dominika Mrugala. Für sie ist es ein Versuch, die Bundeswehr in die Schule zu integrieren. Immerhin sei sie eine staatliche und durch das Grundgesetz legitimierte Institution, die einen wichtigen Dienst leiste. «Bei aller kritischen Distanz sehe ich die Notwendigkeit, dass unsere Schüler ihre Vorstellung nicht nur aus den Medien oder aus Kriegsspielen beziehen. Wir wollen, dass wir gemeinsam ins Gespräch kommen», sagt sie. «Aber wir wollen keine Rekrutierungsveranstaltung.»

Doch Bayer will’s den Schülern schmackhaft machen: Er erzählt von der Freundschaft zwischen den Soldaten. Er sagt, bei der Bundeswehr stehe jeder voll und ganz hinter seinem Job. Es gebe auch «attraktive Vorteile», Weihnachtsgeld zum Beispiel. Dann spricht er die Schülerinnen an. «Auch den Mädels steht alles offen bei uns.» Er witzelt, eigentlich seien Frauen die besseren Soldaten, und zeigt Bilder von pinkelnden Soldaten im Schützengraben. Der Mann steht, die Frau hockt. Bei einem Angriff bekomme nur der Mann etwas ab.

Kurz bevor es für die Schüler in einen anderen Kurs geht, verteilt Bayer Lutscher und Kulis. Isabel fragt, wie Bayer reagiere, wenn jemand seinen Beruf ablehne. «Im Großen und Ganzen ignoriere ich das einfach», entgegnet er. Ein Junge möchte wissen, wieso Bayer zum Militär wollte. «Ich habe mich von Kind an für Soldaten interessiert», antwortet er. «Ich hatte schon immer so eine militärische Art.» Lena Klimkeit

Zum Beitrag Bundeswehr-Auftritte an Schulen: Grün-Rot räumt Referendaren ein „Verweigerungsrecht“ ein

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Biene
9 Jahre zuvor

Die Idee, mit einem Soldaten über Sicherheitspolitik in der Schule zu diskutieren, bietet einen guten Einblick. Die Jungs und Mädels in Uniform (egal ob Grün oder Dienstanzug) können auch gute Einschätzungen geben, wenn sie denn dürfen. Auch in PolBil haben die Soldaten zum Teil einen besseren Wissensstand als Lehrer. Das der Jungoffizier im Bericht Lutscher und Kulis verteilt, ist normal, macht jede Firma auch. Der Teil hätte auch weggelassen werden können.

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor

Weiß die die Autorin des Berichts eigentlich, welche Hürden jemand nehmen muss, damit er überhaupt Berufsoffizier werden darf/kann? Da gibt es zunächst die „knüppelharte“ Aufnahmeprüfung, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit viele LehrerInnen schon mal nicht bestehen würden.
Dann muss die zukünftige Offizierin/der zukünftige Offizier ein Studium in Hamburg oder München absolvieren, in dem deutlich mehr verlangt wird, als an zivilen Unis oder Hochschulen.

Gerade Presseoffiziere werden auf ihre Aufgabe speziell vorbereitet. Ich gehe deshalb davon aus, dass sie zu aktuellen sicherheitspolitischen Themen eine Menge zu sagen haben.
Schließlich bleibt es jeder Lehrkraft unbenommen, die Klasse inhaltlich intensiv auf den Besuch des Offiziers vorzubereiten. Ja, im Sinne eines lebhaften Meinungsaustausches sollte das sogar selbstverständlich sein. Das schließt auch ein Vorgespräch mit ein.

Für mich zeichnet Lena Klimkeit ein Zerrbild von der Arbeit eines Jugend- oder Pressoffiziers, und sie scheint dabei auch keine Hemmungen zu haben, ganz tief in die Klischeekiste zu greifen.

Biene
9 Jahre zuvor

Es wird verschwiegen, dass sich die Lehrerin an die Bundeswehr/den Jungoffizier zu wenden hat und mit diesem dann Termin, Zeit,Thema etc, bespricht. Der Artikel suggeriert, dass die Initiative von der Bundeswehr aus ging.

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor
Antwortet  Biene

Dann liege ich mit meiner „Klischeekiste“ tatsächlich nicht so daneben.

Biene
9 Jahre zuvor

Ich habe mich mit meinem Mann darüber unterhalten, der hat mir den konkreten Weg der Kontaktaufnahme beschrieben und bestätigt, dass Soldaten (m/w) eine bessere Einschätzung zu sicherheitsrelevanten Themen geben können, so denn sie dürfen, und auch in PolBil besser dran sind als die Lehrkräfte, weil sie durchaus regelmäßig Veranstaltungen in diesen Bereich haben.