„Kinder anfixen mit zuckerigem Gratiszeug“: Schulmilch in der Kritik

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DÜSSELDORF. Mit Mitteln der EU wird in vielen Schulen und Kindergärten Schulmilch gratis oder verbilligt ausgegeben – und zwar auch als gezuckerter Kakao oder Erdbeermilch. Ist das gesund? Wohl kaum, meinen Experten. Elternvertreter begehren bereits auf.

Geht beim Schulmilchprogramm am Ende vor allem um Agrarsubentionen?  Foto: Keven Law / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)
Geht beim Schulmilchprogramm am Ende vor allem um Agrarsubentionen? Foto: Keven Law / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

„Kinder und Jugendliche sollen gesund aufwachsen, fit sein für den Alltag und sich wohl fühlen. Die beste Grundlage hierfür bieten regelmäßige Bewegung und eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung“, so heißt es auf der Webseite www.schulmilch.nrw.de, die das nordrhein-westfälische Ministerium für Verbraucherschutz in Kooperation mit dem Landesschulministerium betreibt. Und weil Milch zu einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung gehöre, gelte: „Schulmilch – dafür machen wir uns stark in NRW!” Allerdings: Gehört Milch – und schon gar gezuckerter Kakao oder Erdbeermilch – tatsächlich zu einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung? Kritik wird laut.

Die Versorgung der Schüler mit Schulmilch in NRW wird seit Jahren von der Europäischen Union durch eine Schulmilchbeihilfe gefördert. Nach einem Bericht der „Welt“ nehmen mehr als 85 Prozent der Grundschüler in NRW an diesem EU-Schulmilch-Programm teil. „Das Land NRW sorgt dafür, dass sich die EU-Förderung auf eine vergünstigte Abgabe von Schulmilch auswirkt, legt Obergrenzen für die Schulmilchpreise fest und überwacht deren Einhaltung. Die Fördermittel werden also nicht unmittelbar an die einzelnen Schülerinnen und Schüler ausgezahlt, sondern an zugelassene Molkereien, Händler, Direktvermarkter oder auch Schulen und Kindergärten“, so heißt es erklärend auf der Seite des Verbraucherministeriums. „Durch dieses Finanzierungsprogramm können Milch und Milchprodukte in Kindergärten und Schulen zu einem günstigen Preis angeboten werden. Die Einrichtungen selber werden durch die dafür zugelassenen Molkereien, Händler oder Direktvermarkter beliefert.“

Und womit werden die Kindergärten und Schulen beliefert? „Die EU-Förderung wird für festgelegte Milchsorten und Milchprodukte gewährt. Hierzu zählen: Vollmilch, teilentrahmte Milch (auch als Milchmischgetränke zum Beispiel mit Erdbeer-, Schoko- oder Vanillegeschmack), Natur- und Fruchtjoghurt, Buttermilch und Käse.“ Doch viele Eltern fragen sich laut „Welt“: Ist es richtig, dass mein Kind Milchmischgetränke trinkt und danach so satt ist, dass es das Pausenbrot und den Apfel nicht mehr anrührt? Das Verbraucherschutz-Ministerium zerstreut solche Bedenken: „Häufig kommt die Frage auf, ob Milchmischgetränke (wie Kakao oder Erdbeermilch) durch ihren Zuckergehalt Übergewicht und Fehlernährung begünstigen. Hier einige Antworten: Milchmischgetränke tragen eingebettet in einer gesunden Ernährung und in der Abgabemenge von einem ¼ Liter pro Kind und Tag nicht zur Entstehung von Übergewicht und Fehlernährung bei. Milchmischgetränke bieten geschmackliche Abwechslung und können so dazu beitragen, dass Kinder generell an eine gesunde Ernährung mit Milch und Milchprodukten herangeführt werden.“ Nicht überraschend: Die Kinder bevorzugen die gezuckerten Getränke.  Nur etwa zehn Prozent der Kinder würden regelmäßig die Milch pur trinken und rund 90 Prozent den Milchmischgetränken den Vorzug geben, so räumt das Ministerium ein.

“Theoretisch soll dieses Programm zu einer ausgewogenen Ernährung anregen und Übergewicht vorbeugen. Tatsächlich aber werden da auch Produkte gefördert, die das Gegenteil bewirken können”, so zitiert die „Welt“ Oliver Huizinga vom Verbraucherschutzverein Foodwatch. Alfred Längler, Leiter der Abteilung Kinder- und Jugendmedizin am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, erkennt zwar die gute Absicht, bezweifelt dem Bericht zufolge ebenfalls, „dass es der richtige Weg sei, Kinder über die Schulmilch an gesunde Ernährung heranzuführen”.

Aber geht es womöglich beim EU-Schulmilchprogramm gar nicht in erster Linie um die Kinder? Um die Agrarindustrie zu unterstützen, deshalb subventioniere die Europäische Union das sogenannte „EU-Schulmilchprogramm“, heißt es auf der Seite www. sagneinzumilch.de der Organisation Animal Rights Watch. 70 Millionen Euro hat danach die EU im Jahr 2012 an Molkereien und Milchhändler überwiesen, damit diese möglichst viele Schulen mit kleinen Milch-Packungen beliefern. Auf Deutschland entfielen davon 5,6 Millionen Euro. Im Schuljahr 2007/2008 wurden für Subventionen von 55 Millionen Euro insgesamt 300.000 Tonnen Milch in 27 Mitgliedsstaaten der EU an Schulen verteilt.

Tatsächlich sieht auch der Europäischen Rechnungshof das EU-Milchprogramm kritisch.  Die Subvention sei „weitgehend unwirksam“ und habe „sehr geringe Auswirkungen“, heißt es in einem Kontrollbericht. Das eigentliche Ziel, Kinder gesünder zu ernähren, werde größtenteils verfehlt. „Wir finden es höchst fragwürdig, Erstklässler mit diesem zuckrigen Gratiszeug anzufixen”, sagt dann auch Regine Schwarzhoff, Vorsitzende des Elternvereins NRW, dem „Welt“-Bericht zufolge. Sie empfiehlt den Elternvertretern, bei der nächsten Schulkonferenz dafür zu sorgen, dass ihre Schule aus dem Schulmilch-Programm aussteige. News4teachers

Hier geht es zu dem Bericht in der “Welt”.

Zum Bericht: Mehrheit der Bürger meint: Schule vermittelt ein schiefes Bild von der Landwirtschaft

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6 Kommentare
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xxx
10 Jahre zuvor

es würde reichen, wenn man fettarme Milch gratis und das zuckerzeug, den kakao sehr und alles andere unverschämt teuer macht.

Biene
10 Jahre zuvor

Der Landwirt wird mit Sicherheit nur ein Minimum dessen bekommem, was Handel und Molkerei einstecken. Vorsicht bitte mit der Behauptung, dass die Argarindustrie unterstützt werden soll.

xxx
10 Jahre zuvor
Antwortet  Biene

Bauern bekommen um die 40 ct pro Liter Kuhmilch und damit fast die Hälfte des Discounter-Verkaufspreises für einen Liter fettarmer Milch. Von einem “Minimimum” wie Sie behaupten, kann ich daher nicht sprechen. Die Unterstützung der Agrarindustrie aka Milchfabrik wage ich ebenfalls zu bezweifeln, der kleine Bauer von nebenan — wenn es ihn noch gibt — wird aber garantiert nicht unterstützt.

Biene
10 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ich habe mich auf die Bauern mit “glücklichen” Kühen bezogen, die jenigen die im Laufe der Zeit weichen müssen, 0,40€/l ist in meinen Augen viel zu wenig, um überhaupt als Landwirt wirklich davon Leben zu können. Die Tierarztkosten sind damit ja nicht mal Ansatzweise gedeckt, geschweige denn die Kosten für Futtermittel, Strom oder Stroh.
Können Sie mir noch sagen, woher Sie Ihre Information haben, xxx?

xxx
10 Jahre zuvor
Antwortet  Biene

Mit “keinem Minimum” meinte ich den nennenswerten Anteil der Erzeugerkosten am Ladenpreis. Dass mehr als 50% an den Erzeuger gehen, dürfte eher selten sein. Ob ein Milchbauer seine Lebenshaltung gut decken kann oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis.

Die 40 ct/l habe ich hier gefunden:
http://www.shz.de/schleswig-holstein/wirtschaft/hoher-milchpreis-macht-bauern-gluecklich-id3552626.html
Der Artikel ist von 2013, also relativ aktuell.

Biene
10 Jahre zuvor

Dazu wird die Milch aber nach Eiweiß und Fett gehalt abgerechnet und nicht in Liter sondern in kg. Die Milch wird von den Molkereien unangekündigt kontrolliert. Eine kranke Kuh kann einen Milchwagen voll Milch kosten, dass ist nicht gerade wenig. Und Schleswig-Holstein hat viele Großbauern, daher ist das dort so. Überigens ist die Betriebsgröße vom Verbraucher gewollt (Billige Milch und Billiges Fleisch).