Wen wundert’s – Flüchtlinge in Sporthallen stellen Schulen vor Probleme

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MÜNCHEN. Viele Turnhallen in Bayern sind mit Flüchtlingen belegt. Und die Befürchtungen, dass es mehr werden, sind groß. Denn Sportvereine und Schulen stellt die Zweckentfremdung der Sportstätten vor Probleme – und der Widerstand in der Bevölkerung wächst.

Eigentlich sollten Turnhallen die letzte Alternative sein, wenn es um die Unterbringung von Flüchtlingen geht. Weil der Zustrom nicht abreißt, werden aber immer mehr Hallen in Bayern zweckentfremdet, was Sportvereine und Schulen vor Probleme stellt. «Bisher haben wir versucht, andere Lösungen zu finden. Aber die Zahl der Flüchtlinge wächst immer weiter, so dass wir um die Belegung von Turnhallen nicht herumkommen», sagt der Präsident des Bayerischen Landkreistags und Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU). Die Situation sei schwierig und die Akzeptanz nehme immer weiter ab. «Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist nach wie vor groß. Aber wenn Sporthallen längere Zeit nicht nutzbar sind, stößt das auf großen Widerstand.»

Hallen werden vermutlich für Monate belegt sein

Bernreiter kann den wachsenden Unmut in der Bevölkerung verstehen. «Man sperrt Kinder vom Schulsport aus und nimmt Sportvereinen ihre Trainingsmöglichkeit», sagt er. Vielen sei zudem bewusst, dass die Hallen nicht nur für kurze Zeit belegt sind. «Das wird in vielen Fällen Monate dauern, bis die Turnhallen wieder frei sind.» Der Landrat sieht jedoch für sich und seine Kollegen im Land keine anderen Möglichkeiten, wenn immer mehr und vor allem kurzfristig große Notunterkünfte gebraucht werden. «Auch wenn wir es nicht wollen, müssen wir jeden freien Platz hernehmen und auch auf Turnhallen zurückgreifen.» Vor allem jetzt, wenn der Winter kommt.

Turnhalle Sihlhölzli in der Sportanlage Sihlhölzli Zürich Wiedikon. (Foto: Bobo11/Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Turnhalle Sihlhölzli in der Sportanlage Sihlhölzli Zürich Wiedikon. (Foto: Bobo11/Wikimedia CC BY-SA 3.0)

Mit der Zahl der ankommenden Flüchtlinge ändert sich auch die Zahl der Turnhallen, die für die Noterstaufnahme benötigt werden, fast täglich. Eine Übersicht, wie viele es aktuell bayernweit sind, gibt es nicht. In Schwaben können nach Angaben der Bezirksregierung derzeit zwölf Turnhallen und eine Tennishalle nicht für den Schul- und Vereinssport genutzt werden. In Unterfranken sind es sieben Hallen. Die Regierung von Oberbayern bringt im Rahmen des Asylnotfallplans aktuell rund 1500 Asylbewerber in zehn Turnhallen unter. Wie viele Flüchtlinge die 20 Landkreise und drei kreisfreien Städte in Oberbayern dezentral in Sporthallen unterbringen, ist der Bezirksregierung nicht bekannt. Dafür sind die Kreisverwaltungsbehörden selbst zuständig.

Die Entwicklung in der Flüchtlingskrise und die zunehmend sehr kurzfristige Belegung kommunaler Turnhallen stellt für die Sportvereine in Bayern flächendeckend ein Problem dar, sagt Thomas Kern, Geschäftsführer des Bayerischen Landes-Sportverbands (BLSV) in München. Sollten noch mehr Hallen zu Unterkünften umfunkioniert werden, seien die Ausweichmöglichkeiten für Vereine irgendwann ausgeschöpft und das Sportangebot nicht mehr aufrechtzuerhalten. «Auf Dauer wird das nicht funktionieren. Schon jetzt werden aus allen Regionen Engpässe gemeldet, die Grenzregionen sind natürlich besonders belastet», sagt Kern.

Meist gibt es Ausweichmöglichkeiten

Es gebe zwar eine große Solidarität mit den Flüchtlingen, die Schulen und 12 000 Sportvereine im Freistaat seien aber auf funktionale Sporträume in angemessenem Umfang angewiesen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie dort Sportangebote für Asylsuchende anbieten und damit wichtige Integrationsarbeit leisten. Der BLSV ist zudem der Ansicht, dass Sporthallen als Massenunterkünfte ungeeignet sind. «Die Menschen, die aus unterschiedlichen Kulturen kommen, finden in den Hallen keine Privatsphäre», sagt Kern.

Dass Turnhallen nicht zweckentfremdet werden sollen – diese Meinung vertreten auch die drei großen Sportvereine im oberbayerischen Wolfratshausen. Wie Bürgermeister Klaus Heilinglechner sagt, stellen sich die Vereine vehement gegen die Belegung von Sport- und Turnhallen. «Es ist eine schwierige Situation. Wir sind natürlich bemüht, den sozialen Frieden in der Stadt zu bewahren», sagt der Bürgermeister. Inzwischen habe man sich mit den Vereinsvertretern darauf geeinigt, dass die Stadt grundsätzlich die Hallen nicht freiwillig für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellt. «Wenn wir keine Alternative haben, werden wir aber nicht darum herumkommen.»

Die Mehrheit der Schulen, deren Hallen derzeit belegt sind, kann nach Angaben des Kultusministeriums in München auf andere Sportstätten ausweichen. Wo dies nicht möglich ist, müsse der Sportunterricht aber nicht ausfallen, sagt ein Ministeriumssprecher. Die Schulen könnten beispielsweise ihre Außenflächen oder Räume wie die Aula nutzen und koordinative Übungen auch im Klassenzimmer umsetzen. Birgit Ellinger

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