Von der Leyen – Plagiatsaffäre beendet, doch Kritik bleibt

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STANFORD/BERLIN. Die Medizinische Hochschule Hannover hat entschieden: Ursula von der Leyen darf ihren Doktortitel behalten, trotz 32 Plagiaten auf 62 Seiten ihrer Doktorarbeit. Auch wenn Teile der Wissenschaftsszene murren, wird die Affäre wohl bald zur Ruhe kommen.

Die Dramaturgie passt perfekt für Ursula von der Leyen. Ihren ersten Termin als Immer-noch-Doktor hat sie ausgerechnet an der Elite-Universität in Stanford im US-Bundesstaat Kalifornien. Auf dem Flug dorthin hat die CDU-Politikerin erfahren, dass sie ihren akademischen Titel behalten darf. Die Laune ist bestens, die Ministerin strahlt.

Ursula von der Leyen Ist froh ihren Doktortitel behalten zu können. Das Problem der Medizin-Titelflut bleibt allerdings. Foto: Global Panorama, Mueller, MSC / flickr (CC BY-SA 2.0)
Ursula von der Leyen Ist froh ihren Doktortitel behalten zu können. Das Problem der Medizin-Titelflut bleibt allerdings. Foto: Global Panorama, Mueller, MSC / flickr (CC BY-SA 2.0)

Von der Leyen kennt sich auf dem Campus aus. In den 90er Jahren besuchte sie hier Vorlesungen der medizinischen Fakultät, erstellte eine Studie für die Krankenhausverwaltung. Vier Jahre lebte sie mit Mann und Kindern in Stanford. Heute noch gerät sie ins Schwärmen, wenn sie von der Zeit redet. Ihren Doktortitel hatte sie damals gerade erst erworben.

Nun hören von der Leyen in einem voll besetzten Konferenzraum des Europa-Instituts Wissenschaftler, Studenten und Politiker gebannt zu, darunter der frühere US-Außenminister George Shultz. Es geht um die Flüchtlinge in Europa, die Sicherung der Grenzen, die Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Kein Wort von ihr zu den Plagiatsvorwürfen, niemand fragt danach. Das ist in Kalifornien kein Thema.

Auch zu Hause in Deutschland sieht es so aus, als würde die Plagiatsaffäre schnell zu den Akten gelegt – auch wenn sich in der Wissenschaftsszene Kritik an der Entscheidung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) regt. Die monatelange Prüfung hatte 32 Plagiate auf 62 Seiten ergeben. Trotz der handwerklichen Fehler sprach die Hochschulleitung die prominente Absolventin von dem Verdacht der absichtlichen Täuschung frei.

Der Berliner Rechtsprofessor Gerhard Dannemann ist sicher, dass die Entscheidung vor Gericht keinen Bestand haben würde. Nach bisheriger Rechtsprechung handelt es sich seiner Meinung ganz klar um einen Täuschungsversuch. «Ein Verwaltungsgericht würde die Entscheidung an die Hochschule zurückverweisen.»
Dannemann gehört zu den Wissenschaftlern, die hinter der Internetseite «VroniPlag Wiki» stecken, über die auch die Plagiatsaffäre von der Leyens in Gang gebracht wurde. Für ihn ist der Fall schwerwiegender als der von Annette Schavan (CDU), der früheren Bildungsministerin, die wegen einer Plagiatsaffäre zurücktrat.

Die Motivation der Medizinischen Hochschule Hannover ist für Dannemann klar: Sie habe den «Weg des geringsten Widerstands» gewählt, sagt er. «Ich glaube, man hat sich gesagt: Wie kommen wir da jetzt raus, ohne die Hochschule zu beschädigen und ohne Frau von der Leyen zu beschädigen.»

Auch andere Plagiatsjäger kritisieren die Entscheidung der Hochschule. Folgen für von der Leyen wird das aber wohl nicht haben. Die Hochschule ist in ihrer Entscheidung autonom. Eine gerichtliche Überprüfung ist kaum möglich.

Klagen kann nur ein Betroffener. Im Fall von der Leyen ist das in erster Linie die Ministerin selbst. «Es gibt leider niemanden, der vor Verwaltungsgerichten die Interessen der Wissenschaft geltend machen kann», sagt Dannemann. «Allenfalls könnten noch plagiierte Autoren klagen.»

Politisch dürfte das Thema für von der Leyen auch ausgestanden sein. Die Opposition hielt sich am Tag nach der Entscheidung mit Kritik auffallend zurück. Linke-Parteichef Bernd Riexinger sprach in der «Rheinischen Post» zwar von einem faden «Nachgeschmack», zweifelte das Urteil der Wissenschaftler aber nicht an. Von der Leyen sei mit dem Schrecken davongekommen.

Der Grünen-Bildungsexperte Kai Gehring nannte das 7:1-Votum der Hochschulleitung «nachvollziehbar». Fehler zu machen sei menschlich, sagte er. «Auch Frau von der Leyen ist nicht übermenschlich.» Damit spricht Gehring einen Punkt an, der von der Leyen am Ende sogar als Gewinnerin aus der Affäre hervorgehen lassen könnte. Dass sie ihr Image der unverwundbaren Perfektionistin los ist, könnte ihr durchaus Sympathiepunkte einbringen. (Michael Fischer, Barbara Munker, dpa)

zum Bericht: Die Hochschule hebt den Zeigefinger, senkt aber nicht den Daumen: Von der Leyen bleibt Frau Doktor

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